Das Projekt «administrative Vereinfachung» konnte laut BLW in mehreren Bereichen bereits eine Erleichterung bringen. (Bild BauZ) Agrarpolitik Das wurde aus der administrativen Vereinfachung Wednesday, 6. March 2019 Noch immer stöhnen viele Landwirte unter dem – mittlerweile immerhin oft digitalen – Papierkrieg, den sie zu bewältigen haben. Dabei hat sich das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) schon 2015 die «administrative Vereinfachung» auf die Fahnen geschrieben. Und in seinem Bericht über die zukünftige Weiterentwicklung der Agrarpolitik nennt der Bundesrat die «Reduktion der Komplexität» erneut als Ziel. 

Doch was wird tatsächlich unternommen? Immerhin nicht nichts, wie ein Blick in die jährlich erscheinenden Agrarberichte des BLW zeigt. Dort werden jeweils die aktuellen Vereinfachungen aufgelistet. 2022 waren dies zum Beispiel die Aufhebung der Gebührenpflicht für Einfuhren mit Generaleinfuhrbewilligung oder der Wegfall der Einfuhrbewilligungspflicht für Rindersperma und von bestimmten Tarifnummern bei Getreide, Obsterzeugnissen und Milch. Heuer wurde das System der Ausnahmen bei der Verwendung von Herkunftsangaben vereinfacht. Und ab dem 1. Januar 2024 können die TVD-Daten von Schafen und Ziegen für die Berechnung der Direktzahlungen genutzt werden.

Das BLW erwartet von der Begleitgruppe konkrete Vorschläge

Als Nächstes aufgegleist hat das BLW die Zusammenlegung der Vernetzungs- und Landschaftsqualitätsbeiträge. «Diese Zusammenführung ist Bestandteil der AP 22+ und wird im nächsten Verordnungspaket 2024 in Vernehmlassung gehen», sagt Simon Hasler, beim BLW Leiter Fachbereich Direktzahlungsgrundlagen. Im BLW werden derzeit weitere Ideen gesammelt, wie Vizedirektor Jean-Marc Chappuis sagt. Er verweist auf die Begleitgruppe, die Vorschläge für die AP 30+ liefern soll. Darin vertreten ist unter anderem die Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren (LDK). «Wir erwarten nun konkrete Vorschläge», sagt Chappuis.

Administrative Vereinfachungen könnten der Landwirtschaft in manchen Fällen aber auch zum Nachteil gereichen, ergänzt der BLW-Vizedirektor. Dass im Zuge einer Vereinfachung Ausnahmen und Programme zusammengestrichen werden würden, hält Chappuis für «sehr wahrscheinlich».

Alte Auflagen abschaffen, wenn neue kommen

Wie Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband (SBV) erklärt, sollte das agrarpolitische Instrumentarium vereinfacht werden. Ganz grundsätzlich sei die Dichte an Verwaltungsvorschriften und Massnahmen zu reduzieren. Weiter müssten bei der Einführung neuer Auflagen konsequent auch die alten abgeschafft werden. Auch die ÖLN-Vorschriften seien zu überarbeiten und Auflagen, die nicht aus dem Landwirtschaftsgesetz kämen, sollten gestrichen werden. Das betreffe den Tierschutz sowie den Umweltschutz.

Nicht alle paar Jahre eine neue Agrarpolitik

Wie der SBV schon mehrfach betont hat, seien grundsätzlich längere Zyklen anzustreben, um mehr Stabilität und Planungssicherheit zu geben. «Die Frequenz ist aktuell sehr hoch: alle vier Jahre eine neue AP und jährlich 300 Seiten Verordnungsanpassungen», so Helfenstein.

Hinsichtlich der AP 2030 sollten neue Systeme geprüft werden. «Zum Beispiel indikator- oder zielorientierte Direktzahlungen anstelle von starren Massnahmen», sagt Helfenstein. Dazu gehöre eine klarere Kommunikation seitens der Behörden zur Umsetzung der Massnahmen und der geltenden Vorschriften.

Echte Verstösse und Formfehler unterscheiden

Im Bereich der Kontrollen ortet der SBV grosse Belastungen für die Landwirt(innen). Daher gelte es, den eingeschlagenen Weg mit den risikobasierten Kontrollen weiterzuentwickeln mit dem Ziel, unproblematische Betriebe weiter zu entlasten. Auch im Bereich der Sanktionen sieht der SBV Handlungsbedarf. «Es muss eine Unterscheidung zwischen ‹echten Verstössen› und Formfehlern geben», so Sandra Helfenstein. Weiter seien mehr Kontrollen mit beratendem Charakter zu planen, insbesondere bei neuen Programmen und Auflagen.

«Viel Kleinvieh macht auch Mist»

Gefragt nach dem Einfluss, welcher der SBV hier geltend macht, erklärt Sandra Helfenstein, dass grundlegend neue Systemansätze hinsichtlich der AP 2030 geprüft würden. «Mehr Zielorientierung wäre wünschenswert», betont sie. Eine Herausforderung nennt sie im Umgang mit externen Einflüssen ausserhalb der eigenen Entscheidungsgewalt, welche die Zielerreichung beeinflussen. «Daher sind die Umsetzung und die Fehlerkultur entscheidend. Mehr Flexibilität bedeutet auch mehr Augenmass – Betriebe dürfen nicht der Willkür von Kontrolleuren ausgeliefert sein», so Helfenstein.

Für den SBV scheint klar: Vereinfachen, wo immer es möglich ist. Bei allen neuen Verordnungen, Massnahmen und Programmen. «Das ist aktuell aber nur punktuell möglich. Doch viel Kleinvieh macht auch viel Mist!», sagt Helfenstein.

Kommentar: Es ist nicht nur die Politik

Geht es um administrative Vereinfachung, muss sich die Landwirtschaft derzeit mit kleinen Schritten zufriedengeben. Deutliche Verbesserungen sind erst mit der nächsten Landwirtschaftspolitik zu erwarten. Der Unmut auf den Höfen wird damit nicht kleiner. Dabei geht vergessen: Längst kommen viele Auflagen nicht mehr von der Politik, sondern direkt aus den Zentralen des Handels. Ob Klimagerechtigkeit, Tierwohl oder Biodiversität: Oft gehen dessen Zielsetzungen weiter als das, was sich im Bundeshaus durchsetzen liesse. Dort haben die Bauern nach den letzten Wahlen eine starke Interessenvertretung. Die Zukunft wird zeigen, ob diese es auch mit der Marktmacht der Grossabnehmer aufnehmen kann. Peter Walthard[IMG 2]