Ein agrarökologisches Leuchtturmprojekt – aber man sollte davon leben können. Das ist die Meinung des siebenköpfigen Rinderbrunnen-Teams in Grüt (Gossau ZH). Kopf des Hof Rinderbrunnens sind Judith und Martin Frei – beide 32 Jahre jung.
Judith Frei ist Umweltnaturwissenschaftlerin und Landwirtin EFZ, ihr Mann Martin hat einen BWL-Abschluss von der Universität St. Gallen und absolvierte den Nebenerwerbskurs. 2023 haben sie den im Nebenerwerb und konventionell bewirtschafteten Betrieb von Judith Freis Eltern übernommen. Sie wechselten auf Bio, schafften auf dem viehlosen Betrieb eine Galloway-Herde mit acht Mutterkühen an, boten mit einem Mobilstall 500 Hühnern ein Zuhause, stellten einen Tunnel für den Gemüsebau auf und organisierten den Betrieb im Teamwork.
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Team mit Erfolgsbeteiligung
Jeder Betriebszweig wird von einem anderen Team geführt. Freis kümmern sich um Administration und Tierhaltung. Luzia Götz und Nadine Nitzsche sind mit Stephan Gysi für den Gemüsebau zuständig. Gysi ist zudem verantwortlich für die Versuche mit Mischkulturen und Körnerleguminosen, die der Hof zusammen mit Agroscope und der Getreidezüchtung Peter Kunz durchführt. Chrigi Schmutz ist der Herr des Ackerbaus und des Maschinenparks, und Elvira Zollinger hat das Blumenfeld unter sich.
Fast alles vom Betrieb wird direktvermarktet. Dafür gibt es einen Hofladen, ein Eierhüsli mit Abosystem, ein Blumenselbstpflückfeld und ein Selbsternte-Gemüsefeld. 58 Kunden haben dort ein Querschnittbeet abonniert und können während des Jahres 32 Gemüsesorten ernten. Das kostet sie 599 Franken oder, wenn sie regelmässig jäten und bei den Pflanzarbeiten helfen, 399 Franken.
Entlang des Gemüses wachsen neu gepflanzte Mandel- und Haselnussbäume, und ein Sitzplatz mit Sandkasten lädt zum Verweilen ein. Es ist ein agrarökologisches Leuchtturmprojekt, wie es Biovision vorschwebt: ganzheitliche, naturnahe Landwirtschaft mit einer direkten Wertschöpfungskette vom Feld auf den Teller. Doch der Hof Rinderbrunnen mit seiner Organisationsstruktur, wo der Lohn jedes Teammitglieds auf einer Erfolgsbeteiligung beruht, müsste einiges mehr erwirtschaften können, sodass alle Beteiligten ein gutes Einkommen erzielen könnten.
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Für massentaugliche Lösung
Zuspruch und Unterstützung für ihr Engagement erhielten sie am Montag, 14. April, von Anders Gautschi, Daniel Seifert und Ständerätin Maya Graf von Biovision. Gautschi leitet seit dem 1. Januar 2025 die Geschäftsstelle, Seifert ist Projektleiter Politik Schweiz und Graf Stiftungsrätin. Sie stellten die Studie «Förderung agrarökologischer Prinzipien im Schweizer Agrar- und Ernährungssystem» vor, welche die Forschungs- und Beratungs-GmbH Flury & Giuliani im Auftrag von Biovision gemacht hatte.
«Wenn agrarökologische Ansätze nicht nur etwas für hoch motivierte Einzelbetriebe bleiben sollen, sondern massentauglich sein sollen, müssen sich die agrarpolitischen Rahmenbedingungen ändern», brachte Anders Gautschi das Fazit der Studie auf den Punkt.
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Das ist auch Maya Graf ein grosses Anliegen: «Die heutige Landwirtschaftspolitik ist nicht so ausgerichtet, dass Projekte wie hier der Hof Rinderbrunnen zum Fliegen abheben können.» Auch wenn man sich im Gegenwind bewege, lasse man sich von der rechtsbürgerlichen Mehrheit im Parlament nicht irritieren. Es erfülle sie mit Hoffnung, dass das Bundesamt für Landwirtschaft mit dem ganzheitlichen Ernährungssystemansatz in der AP 2030+ eine gute Vorlage geschaffen habe, um darin agrarökologische Anliegen zu verankern. Anders Gautschi lieferte die drei Eckpunkte der Studie. Diese beinhalten:
- Vielfalt als massgebendes Kriterium für Agrarökologie – nicht nur was Kulturen betreffe, sondern auch die Organisationsstruktur. «Das Direktzahlungssystem muss Diversität, standortangepasster Anbau und neue Organisationsformen stärker fördern», forderte Gautschi.
- Auch den Wissenstransfer für Agrarökologie gelte es an landwirtschaftlichen Schulen und durch Netzwerke zu vergrössern.
- Zudem müsse der Handel und der Konsum mitziehen.
Mindeststandards für Herkunft
Die Handlungsoptionen sind in der Studie detailliert aufgeführt. Dabei bleibt es nicht bei der Forderung einer stärkeren Regulierung der Importe oder Mindeststandards für die Herkunft der Lebensmittel in Kantinen. Vielmehr sollen etwa Bioprodukte von der Mehrwertsteuer befreit werden.
Aber lassen wir doch das Team von Hof Rinderbrunnen zu Wort kommen, was es sich für sein Weiterkommen wünscht:
- Martin Frei wünscht einen griffigen Grenzschutz für Körnerleguminosen und Nischenkulturen, so wären für neue Kulturen wie zum Beispiel Chiasamen keine Ausweitung der Einzelkultur- oder Versorgungsbeiträge notwendig.
- Stephan Gysi wäre froh um unkomplizierte Finanzierungsmöglichkeiten für innovative Projekte. Die bestehenden Fördermöglichkeiten hätten oft sehr eng definierte Förderbereiche, und die Anträge seien sehr aufwendig zu erstellen.
- Für Nadine Nitzsche sollten die Direktzahlungen nicht über Flächenbeiträge definiert werden, sondern im kleinräumigen und vielfältigen Gemüsebau sollten sie SAK-bezogen sein.
Und ganz generell bemerkte Luzia Götz, dass der Preisdruck weg solle. «Man sollte von der Lebensmittelproduktion leben können. Wenn das Einkommen stimmt, dann würde der Arbeitsort Landwirtschaft um ein Vielfaches attraktiver.» Damit spricht sie wohl allen aus dem Herzen.
Weitere Informationen:
www.rinderbrunnen.ch
www.biovision.ch/studie-agraroekologie
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Hof Rinderbrunnen
Betriebsleitung: Judith und Martin Frei mit Luzia Götz, Stephan Gysi, Nadine Nitzsche, Chrigi Schmutz und Elvira Zollinger
Ort: Grüt-Gossau ZH
LN: 30 ha mit Futter- und Ackerbau, Hochstammobstgarten, Freiland- und Tunnelgemüse, Agroforst
Tierhaltung: 8 Mutterkühe, 500 Legehennen (Zweinutzungsrasse)
Direktvermarktung: Hofladen, Eierabo, Selfpick-Blumen, Selbsternte-Gemüse-Abo
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