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Bundesrat Albert Rösti hat Anfang Mai in der Grossen Kammer die Haltung des Bundesrats klargestellt: Departementsübergreifend suche man nach Lösungen, die sowohl den Gewässerschutz als auch das Zurverfügungstellen der nötigen Pflanzenschutzmittel (PSM) zum Ziel haben – und zwar innerhalb der bestehenden Gesetze. Dazu gehört die Ausscheidung von Zuströmbereichen, die wie ein Damoklesschwert seit Jahren bedrohlich über der Landwirtschaft schwebt. Rösti gab in der Debatte Details zu den weiteren Schritten bekannt.

Mit Frist und erweitert

Eigentlich haben die Kantone bereits seit 1998 den Auftrag, diese Zonen festzulegen. Eine angepasste Nutzung der Zuströmbereiche soll präventiv die Belastung von Trinkwasserfassungen bzw. des Grundwassers verhindern. Bisher wurde aber nur eine kleine Anzahl Zuströmbereiche ausgeschieden.

Vor dem Hintergrund vieler mit Abbauprodukten des Wirkstoffs Chlorothalonil belasteter Messstationen im Mittelland doppelte vor fünf Jahren der damalige Ständerat Roberto Zanetti (SP, SO) nach. Er verlangte sowohl eine Bestimmung der Zuströmbereiche bis 2035 als auch eine Erweiterung der Pflicht zu deren Ausscheidung.

«Heute müssen die Kantone Zuströmbereiche nur dann festlegen, wenn das Grundwasser in der Fassung bereits verunreinigt ist oder die Gefahr einer Verunreinigung besteht», hielt Zanetti in seinem Vorstoss fest. Das Parlament hat die Motion angenommen. Daher müssen die Kantone in den nächsten zehn Jahren Zuströmbereiche ausscheiden für alle im öffentlichen Interesse liegenden Grundwasserfassungen von regionaler Bedeutung und andere Grundwasserfassungen, bei denen die Gefahr einer Verunreinigung besteht. Mit der Diskussion um ein «realistisches Gewässerschutz-Monitoring» für die Überprüfung von Zulassungen für Pflanzenschutzmittel kam das Thema Zuströmbereiche diesen Frühling wieder ins Parlament.

Unmittelbar an Ort

Man lege fest, wo in den Gewässern das Trinkwasser zusammenfliesse und wie gross diese Bereiche seien, erklärte Umweltminister Albert Rösti während der Sondersession. «Wenn in diesen Bereichen unmittelbare Gefahr besteht, muss gehandelt werden, weil das Gewässer verunreinigt werden kann.»

Mit dem Festlegen der Zuströmbereiche wisse man genau, wo allenfalls zusätzliche Massnahmen zu treffen seien, so Rösti. Seine Argumentation ist, dass man besser lokal aktiv werde, um Verunreinigungen zu verhindern. Das soll dazu beitragen, unmittelbar in der betroffenen Zone handeln zu können – «das ist wichtig für den Gewässerschutz» –, und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Zulassung eines Wirkstoffs weniger schnell infrage gestellt wird: «Wir wollen bei Grenzwertüberschreitungen lokal, unmittelbar am Ort des Geschehens, strenger agieren, dafür gesamtschweizerisch nicht so rasch Zulassungen entziehen.»[IMG 2]

Der Preis, der demnach für eine bessere Verfügbarkeit von Wirkstoffen zu bezahlen ist, manifestiert sich in Einschränkungen in den Zuströmbereichen. Diese Einzugsgebiete von Grundwasserfassungen sind gross. Der Schweizer Bauernverband (SBV) sprach vor vier Jahren von rund 120 000 ha betroffenem Landwirtschaftsland. Dort könne es zu «massiven Auswirkungen» auf die Produktion pflanzlicher Lebensmittel kommen, warnte der SBV. Diese Flächen würden zudem in den besten Acker- und Gemüsebauregionen der Schweiz liegen.

«Erhebliche» Folgen

Albert Rösti hingegen liess durchblicken, dass es zumindest flächenmässig nicht ganz so arg kommen könnte, wie befürchtet. «Wir gehen davon aus, dass sechs Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in solchen Zuströmbereichen liegen werden», sagte er im Nationalrat. Trotzdem: «Das ist relativ viel, das sind 60 000 ha, die wir festlegen müssen.» Rösti sieht «eine Riesenarbeit» auf die verantwortlichen Stellen zukommen.

Die Vernehmlassung zur Umsetzung der erwähnten Motion Zanetti solle im Herbst starten. Vorgeschlagen sei, die Zuströmbereiche in Gebieten mit Trinkwassergefährdung «in einem verhältnismässigen Rahmen» festzulegen – eben jenen sechs Prozent der LN. Zur sinnvollen Ausdehnung von Zuströmbereichen habe es drei Pilotprojekte gegeben. Das Geschäft gehe nach der Vernehmlassung mit den üblichen Fristen in den Rat und innerhalb von zwei Jahren sollte eine Festlegung erreicht sein, so der Umweltminister. «Am Schluss entscheidet der Rat. Sie werden hier eine Gesamtrevision des Gewässerschutzgesetzes à fonds diskutieren können», versprach Rösti den Nationalrät(innen).

Der SBV geht weiter davon aus, dass die Zuströmbereiche für die Landwirtschaft heftige Konsequenzen haben werden. Es gebe zwar noch sehr viele Unklarheiten, in den vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) herangezogenen Modellregionen würden aber 6 bis 15 Prozent der Ackerflächen liegen. «Die Auswirkungen auf den Ackerbau und die Spezialkulturen in diesen Gebieten und auf einzelne Betriebe dürften erheblich sein.»

Diverse Einschränkungen

Nicht nur die definitive Lage der Zuströmbereiche ist noch weitgehend unklar, sondern auch, wie die jeweilige Bewirtschaftung dieser Zonen künftig aussehen könnte. Das Gewässerschutzgesetz nennt als mögliche Massnahmen Folgendes:

  • Einschränkungen der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und Düngern.
  • Einschränkungen der acker- und gemüsebaulichen Produktionsflächen.
  • Einschränkungen der Kulturwahl bei der Fruchtfolge und bei Anbauverfahren.
  • Verzicht auf Wiesenumbruch im Herbst.
  • Verzicht auf Umwandlung von Dauergrünland in Ackerflächen.
  • Verpflichtung zur dauernden Bodenbedeckung.
  • Verpflichtung zur Verwendung besonders geeigneter technischer Hilfsmittel, Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsmethoden.

Grundlagen sind 20 Jahre alt

Bisher sind nur wenige Zuströmbereiche durch die Kantone festgelegt worden, die als Referenzen dienen könnten. Die Umsetzung der Motion Zanetti dürfte für die kantonalen Fachstellen und Fachbüros demnach schwierig werden, denn es fehlt an Erfahrung in der technischen Bemessung der Zuströmbereiche. Zumal die aktuellen methodischen Grundlagen 20 Jahre alt sind. Derzeit arbeitet eine Expertengruppe der Plattform Gewässerschutz daran, diese Grundlagen zu aktualisieren. Sie sollen vereinheitlicht und auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden.

Der nächste politische Schritt, der etwas mehr Licht ins Dunkel der Unklarheiten rund um Zuströmbereiche bringen wird, ist die geplante Vernehmlassung im November dieses Jahres.

Die Kantone müssen jene Bereiche in der Landschaft bezeichnen, in denen sich der Grossteil des Grundwassers sammelt. In diesen Zuströmbereichen sollen Anpassungen und Einschränkungen der Nutzung die Trinkwasserressource schützen. Für die Landwirtschaft werde das folgenreich, so die Befürchtung. Die Unsicherheit ist aber noch gross.


Möglichkeiten für Entschädigungen

Nutzungseinschränkungen in Zuströmbereichen können wirtschaftliche Einbussen für die betroffenen Landwirte bedeuten, weshalb sich die Frage nach möglichen Entschädigungen stellt. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) hat ein Rechtsgutachten zu möglichen Entschädigungspflichten in diesem Zusammenhang erstellen lassen.

«Allgemeine Sorgfaltspflicht»

«Wie bei Grundwasserschutzzonen und -schutzarealen sind auch bei Zuströmbereichen die damit verbundenen Bewirtschaftungseinschränkungen für die Landwirtschaft in aller Regel entschädigungslos zu dulden», schreibt der Jurist Hans W. Stutz in diesem Gutachten. Das Gewässerverunreinigungsverbot und die allgemeine Sorgfaltspflicht würden auch bei der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen gelten.

«Es ist daran zu erinnern», so Stutz weiter, «dass die mit den Zuströmbereichen verbundenen Schutzmassnahmen im engeren Sinne polizeilicher Natur sind und dass sie dazu dienen, die Trinkwasserfassungen vor dem Eintrag von Düngern und Pflanzenschutzmitteln zu schützen.» Somit würden die Einschränkungen die «Störer» treffen, weshalb es nach dem Verursacherprinzip nachvollziehbar sei, dass die Kosten – d. h. Werteinbussen – bei den Bewirtschaftern anfallen. «Soweit ersichtlich, sind auch in der kantonalen Praxis Entschädigungen bei Zuströmbereichen nicht vorgesehen», so Stutz.

Bisher Fokus auf Nitrat

Es gibt allerdings die Möglichkeit, Einschränkungen aufgrund von Zuströmbereichen via Artikel 62a des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) abzufedern. Diese Gesetzespassage regelt die Abgeltung des Bundes für Massnahmen der Landwirtschaft zur Verhinderung von Abschwemmung und Auswaschung, sofern der Kanton die Koordination der Massnahmen übernimmt und diese wirtschaftlich nicht tragbar sind. Gemäss Agrarbericht liefen 2023 25 solche Projekte, die sich mehrheitlich mit Nitratbelastungen des Grundwassers beschäftigten. In einem Projekt ging es zudem um die Reduktion der Phosphorbelastung der Luzerner Seen. Mittlerweile sind diese Projekte alle abgeschlossen.

Jurist Hans W. Stutz spricht zwar von «bestimmten, eher seltenen Fällen», in denen Art. 62a GSchG für die Entschädigung im Zusammenhang mit Zuströmbereichen zum Einsatz kommen könnte. Kurz nach seinem Rechtsgutachten wurde aber eine neue Vollzugshilfe veröffentlicht, welche die Handhabung solcher 62a-Projekte explizit auch für Zuströmbereiche behandelt. Darin ist neu als letzte Projektphase die «Sicherung» vorgesehen, in der zur langfristigen Sicherstellung der erreichten Wasserqualität die Massnahmen rechtlich verankert und dauerhaft finanziert werden sollen.

Nur weitergehende Massnahmen

Für die Abgeltung solcher dauerhafter Massnahmen braucht es eine Programmvereinbarung zwischen Bund und Kanton. Abgeltungswürdig sind gemäss Vollzugshilfe aber nur Massnahmen, die über die generell geltenden rechtlichen Vorschriften des Bundes und den Stand der Technik hinausgehen.

Was sind Zuströmbereiche?
Nationalrat Roberto Zanetti hat den Begriff in seiner Motion einfach erklärt: «Grundwasser wird durch die Versickerung von Regenwasser gebildet», hält er fest. Verschiedene Stoffe würden dabei aus dem Boden ins Grundwasser ausgewaschen. Das Gebiet, aus dem das Grundwasser einer Trinkwasserfassung stammt, sei der Zuströmbereich. «Die Wasserqualität des Trinkwassers wird also direkt durch die Bodenbelastung in ihrem Zuströmbereich geprägt», schlussfolgert Zanetti.

Etwas technischer ausgedrückt, umfasst der Zuströmbereich gemäss der Plattform Grundwasserschutz jenen Teilbereich innerhalb des Fassungseinzugsgebiets, wo der grösste Teil des zur Grundwasserfassung strömenden Wassers neu gebildet wird. Er wird von den Kantonen festgelegt und auf der Gewässerschutzkarte bezeichnet.[IMG 3]

Mit Zuströmbereichen soll das Grundwasser insbesondere vor mobilen und nicht abbaubaren Verunreinigungen wie Nitrat oder Pflanzenschutzmitteln bzw. deren Abbauprodukten geschützt werden. Sie liegen zwar innerhalb des Gewässerschutzbereichs, sind aber weiter gefasst als die Schutzzonen S1, S2 und S3.