Die Pendlerzeitung «20 Minuten» titelte Anfang Woche in grossen Lettern, Essenslieferdienste «killten» das Kochen. Selbst gekocht würde künftig nur noch am Wochenende, sagte Gastronomie-Experte Leo Egloff dem Blatt. Ist es wirklich so dramatisch? Stirbt das Kochen aus?
Ganz so weit wird es wohl nicht kommen, aber dass es Schweizer(innen) bezüglich Kochen und Einkaufen immer bequemer mögen, darauf deuten doch einige Zahlen hin. Eine Milliarde Franken setzten Gastrokuriere 2016 in der Schweiz um, das zeigt eine Studie im Auftrag des Foodportals Eat.ch. Mittlerweile sind es rund 1,3 Mrd Franken, berichtet das Gastromagazin «Salz & Pfeffer». Lassen sich die Schweizer immer mehr Essen nach Hause liefern, trifft diese Entwicklung indirekt auch die Bauern, denn Gastronomie und Industrie sind bekanntlich preissensibel. Importprodukte wie Palmöl sind da nur ein Stichwort.
Online-Supermärkte legen zu
Bequem mögen es die Schweizer immer mehr auch beim Einkaufen. Die Online-Supermärkte wachsen, wenn auch nicht extrem. Le Shop, der grösste der Schweiz, wuchs im vergangenen Jahr um 1,9%. Coop@home um 6,7%. Auf Platz 3 im Schweizer Online-Food-Handel steht bereits Farmy.ch. Das auf regionale Frisch- und Bio-Produkte spezialisierte Unternehmen konnte seinen Umsatz 2018 um 40% auf 7,6 Millionen Franken steigern. Der Name des Unternehmens lässt zwar auf einen Internet-Hofladen schliessen. Unter seinen 900 Lieferanten sind durchaus Bauern, die von diesem Boom profitieren, aber eben auch viele Brauereien, Metzgereien, Gärtnereien, Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln usw.
Ein Teil der Konsumenten ist bereit, für saisonale, regionale und Bio-Produkte tiefer in die Tasche zu greifen. 56 Prozent legen mittlerweile täglich oder mehrmals wöchentlich ein Bio-Produkt in ihren Warenkorb. Dies liess 2018 den Umsatz mit Bio-Lebensmitteln erstmals auf über 3 Milliarden Franken steigen. Damit erreicht Bio gesamtschweizerisch einen Marktanteil von 9,9%. Andere Konsumentinnen würden zwar vielleicht gerne so einkaufen, können es sich aber schlicht nicht leisten.
Einkaufstourismus weiterhin auf hohem Niveau
Der Konsument ist ein wankelmütiges Wesen. Gehts um die Schnäppchenjagd, hört die erwähnte Bequemlichkeit bei einigen gleich wieder auf. Sie setzen sich ins Auto und fahren damit über die Grenze. Einkaufstourismus – noch ein Problem für die Schweizer Bauern. Zwar war die Zahl der bearbeiteten Ausfuhrscheine im Zollbezirk Singen das dritte Jahr in Folge leicht rückläufig. Doch die Anzahl der grünen Zettel bleibt auf hohem Niveau: 10,21 Mio oder 33 800 pro Werktag waren es letztes Jahr.
Da kann aus der Landwirtschaft schon mal der Ruf nach der Politik laut werden. Auf deutscher Seite möchte diese den Einkaufstouristen an den Kragen: Ein Ausschuss des Bundestags fordert, die Mehrwertsteuer für Einkäufe in Deutschland erst ab 175 Euro zu erstatten. Hierzulande werden politische Lösungen zwar immer wiedermal diskutiert. Aber im Bericht zum Einkaufstourismus des Bundesrats vom Mai steht, Massnahmen zur Eindämmung seien «nicht erforderlich und auch nicht zielführend». Hauptgrund seien die vergleichsweise hohen Preise in der Schweiz.
Negativ-Schlagzeilen über die Landwirtschaft
Hoch ist stets auch die Zahl der Schlagzeilen über die Schweizer Landwirtschaft. In letzter Zeit waren diese oft negativ. So nahmen die Tamedia-Zeitungen die Landwirte mit ihrer Artikel-Serie «Brennpunkt Bauernhof» regelrecht aufs Korn. Ärgerlich für die Bauern, denn die meisten Konsumenten lesen Zeitung und für die Meinungsbildung spielen die Medien immer noch eine grosse Rolle. Für die Landwirtschaft ist nicht nur das Verhalten der Schweizer im Supermarkt entscheidend, sondern auch an der Abstimmungsurne.
Was also als Bauer oder Bäuerin tun, um das manchmal schwierige oder schlicht nicht vorhandene Verhältnis zum Konsumenten, diesem wankelmütigen Wesen, zu pflegen?
Die einzige mögliche Lösung scheint, immer wieder mit ihm bzw. ihr in Kontakt zu treten. Sei es als Organisator eines 1.-August-Brunchs, im eigenen Hofladen oder mit Gesprächen am Feldrand, wo man Fragen direkt beantworten, Kritik zu Tierhaltung und Pflanzenschutz kontern und Unwissen aufklären kann. Vielleicht hilft es bei den anstehenden Abstimmungen zur Landwirtschaft. Oder der Konsument lässt sich nächstes Mal etwas weniger vom grell leuchtenden Aktionsschild im Supermarkt blenden.