Lebensmittel werden teurer. Der Weltmarktpreis für Weizen als wichtiger Indikator ist so hoch wie zuletzt im Jahr 2013. An der Deutschen Börse gilt er gut 26 Franken je Dezitonne. Die Welt hat Hunger. Insbesondere Hunger nach Fleisch. Und so ist es vorwiegend die Nachfrage nach Tierfutter, welche die Preise für Getreide in die Höhe treibt. Und hier sticht insbesondere ein Land ins Auge, das einen grossen Getreide- und Fleischhunger zeigt, nämlich China. Dass man dieser riesigen Weltmacht nicht hinter die Kulissen schauen kann, macht die Märkte zusätzlich nervös.
Der Fleischverbrauch steigt auf der ganzen Welt
Im Jahr 1960 wurden auf der ganzen Welt 877 Millionen Tonnen Getreide produziert. Heute sind es rund 3 Milliarden Tonnen, und wie die grosse Nachfrage und die steigenden Preise zeigen, scheint die Produktion den Bedarf nicht decken zu können. Während die Schweiz darüber nachdenkt, dass man vermutlich aus Umweltschutzgründen weniger Fleisch und mehr pflanzliche Nahrung essen sollte, haben weite Teile der Welt noch nicht dieses Wohlstandslevel erreicht. Insbesondere in den Entwicklungsländern, aber auch in der Schweiz steigt der Fleischverbrauch – trotz aller guten Vorsätze. 1960 ass die Welt noch rund 75 Millionen Tonnen Fleisch, heute sind es knapp 350 Millionen Tonnen und die Kurve zeigt weiterhin steil nach oben. Alleine der asiatische Raum hat einen Fleischbedarf von 150 Millionen Tonnen.
China ist weltweit mit Abstand der grösste Produzent von Getreide. Gut 600 Millionen Tonnen Weizen, Mais, Reis, Roggen, Gerste und Hirse baut das Reich der Mitte an. Dennoch ist es auf der Suche nach Landwirtschaftsflächen und grossen Mengen Getreide, um die Schweinebestände nach der Schweinepest wieder aufbauen zu können und den steigenden Hunger der wachsenden Bevölkerung zu befriedigen. Alleine diese Nachfrage treibt den Weltmarktpreis kräftig nach oben.
Bereits im vergangenen Herbst kündigte sogar Russland, einer der grössten Getreideproduzenten der Welt, an, die Getreideexporte im Kampf gegen steigende Lebensmittelpreise zu limitieren. Auch Russland kann sich bei aller Liebe zu Devisen kein hungerndes Volk leisten.
Der Lockdown zeigte, jedes Land schaut zuerst für sich
Es gibt jedoch zahlreiche weitere Gründe für die Nervosität an den Rohstoffmärkten. Zu viel oder zu wenig Regen in den Kornkammern der Welt, Buschbrände, Mäuseplagen, knapper Dünger, steigende Ölpreise und fehlende Agrochemie. Nicht zuletzt wegen Corona sind Transporte teuer oder unmöglich geworden, Fabriken stillgestanden, Rohstoffe nicht gefördert worden. Lockdowns in einzelnen Länder machten deutlich, wie riskant die Konzentration von Produktionsstandorten im Krisenfall ist. Und es zeigte sich: wird es eng, schauen die meisten Nationen erst mal für ihre Bevölkerung. So lieferte China plötzlich keinen Dünger mehr, weil Transporte stillstanden, auch die Agrochemiefabriken legten die Arbeit nieder, wichtige Wirkstoffe für eine sichere Getreideernte fehlten dadurch plötzlich auf der ganzen Welt.
In einem so volatilen Geschäft wie dem Getreidemarkt können kleinste Veränderungen für einige Akteure eine Katastrophe bedeuten. So entscheiden wenige Tage und Wochen, ein paar Millimeter Regen, funktionierende Transportwege oder ein paar Franken Düngerpreis über Rekordernte oder Misere. Was uns hier in der Schweiz beim Brötchenkauf kaum kratzt, ist insbesondere in Entwicklungsländern eine Katastrophe. Kleinbauern leben dort von der Hand in den Mund und die Frage, ob sie sich Dünger und Agrochemie leisten können, entscheidet darüber, ob die Familie hungert oder satt wird.
Die Frage nach der Abhängigkeit
Doch es ist auch in der Schweiz an allen Ecken zu spüren, wie knapp die Ressourcen für die steigende Weltbevölkerung geworden sind. Wie viele Rädchen reibungslos ineinandergreifen müssen, damit das Regal beim Bäcker am Morgen wie gewohnt gefüllt ist, wird uns erst in der Krise bewusst. Aber auch die Agrar-Initiativen machen klar: Wir müssen uns mit der ungewohnten Frage befassen, ob wir uns Missernten leisten dürfen oder nicht. Wie sehr darf eine Abhängigkeit vom Ausland riskiert werden? Gerade bei der Agrochemie und beim Dünger sind es ein paar wenige Länder, die über Sein oder Nichtsein der Ernten entscheiden. Und es sind dies, mit Verlaub, nicht die zuverlässigsten Nationen. Sicher ist Angst in so entscheidenden Momenten der Weltgeschichte nicht der richtige Ratgeber. Visionäre Weitsicht und gemeinsames Ziehen an einem Strick wären wohl zielführender.