Es ist der 26. April 1982: Der Koffer ist gepackt, der Tank des Mofas gefüllt – es kann losgehen. Heute beginnt mein erstes landwirtschaftliche Lehrjahr in Ostermanigen BE. Zum Abschied gab es von den Eltern noch einige Ratschläge mit: Sei nicht wunderlich am Tisch, iss immer schön auf und motze nicht dauernd herum. Wie für mich vor 37 Jahren, beginnt auch schon bald für viele Andere der Ernst des Lebens und sie beginnen mit ihrer landwirtschaftlichen Ausbildung. Andererseits haben es einige schon bald hinter sich und sind derzeit fleissig am Lernen und Prüfungen schreiben – viel Glück.

Wie ist wohl der Lehrbetrieb?

Es ist ein mulmiges Gefühl, wenn man plötzlich auf einem fremden Betrieb einzieht und dort die Lehre absolviert: Wird es einem gefallen, kommt man mit der Familie zurecht, wie sieht es mit der Schule aus? Fragen die einen 16-Jährigen oder eine 16-Jährige beschäftigen. Heute ist es zwar gang und gäbe, dass man vor einem Vertragsabschluss eine Schnupperwoche absolviert, um den Betrieb und die Betriebsleiterfamilie besser kennenzulernen. Zu meiner Zeit genügte noch ein halber Nachmittag. Man ging durch den Stall, nahm ein währschaftes Zvieri und schaute sich noch die Bude an, in der man ein Jahr Hausen sollte. Auf dem Nachhauseweg im Auto, hiess es dann schnell vom Vater: "Steu isch nicht schlächt, nim si". Ohne lange zu überlegen, sagte man zu. Im Wissen, dass Vätu nicht wirklich grosse Lust hatte, sich noch weitere Betriebe mit einem anzusehen.

Die Lehre genügt heute nicht mehr

Für die Lehrlinge hat sich in den letzten 40 Jahren viel verändert. Sie müssen keine Tage- und Kassenbücher mehr schreiben, bekommen mehr Lohn – ich bekam im 1. Lehrjahr noch 250 Franken ausbezahlt – und sie haben mehr Freizeit. Dafür sind die Anforderungen in der Schule gestiegen und die sollen mit der Agrarpolitik 2022+ noch verschärft werden. So heisst es aus Bundesbern: Dass in Zukunft eine zwei-, oder dreijährige Lehre nicht mehr genüge, um Direktzahlungen zu erhalten. Künftig sollen nur noch Bauern mit bestandener Berufsprüfung – also mit einem Fachausweis der höheren Berufsbildung – Anspruch auf Bundesgelder haben. "Geits no?"

Das Wichtigste ist die Leidenschaft

Ob ein gstudierter Bauer dann am Morgen besser aus den Federn mag. Er einen Tag früher sieht, dass der Weizen Dünger braucht oder die Kuh besamt werden muss. Das Wichtigste ist doch, dass es Landwirte braucht, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben. Denn mit der Leidenschaft und Freude kommt automatisch das Interesse, sich im Beruf weiterzubilden und sich den Anforderungen zu stellen. Gut, ein Flair zu haben, um die vielen Büroarbeiten zu erledigen, wäre sicher auch nicht schlecht. Denn heute braucht es dafür schon fast einen separaten Doktortitel. Vielen Dank Bundesbern für den steigenden administrativen Aufwand in der Landwirtschaft!

Sorry Chef

Lehrling sein bedeutet auch, Arbeiten zu verrichten, die man liebt und weniger gerne ausführt. Das war auch zu meiner Zeit nicht anders. Das Melken, das Füttern oder die Kälber versorgen, gehörten zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Mit Maschinen hantieren, sie reparieren oder waschen, dafür hatte ich weniger Lust und eher zwei linke Hände. Tatsächlich habe ich es einmal fertiggebracht, mit dem Traktor und angehängter Kreiselegge, einem neuen Auto einen tiefen Kratzer der ganzen Seite entlang zu verpassen. ChChchCh hat es nur gemacht und schon war es zu spät. Sorry noch einmal Chef.

Keine Liebe für Borstentiere

Obwohl ich später an der Abschlussprüfung in der Schweinehaltung eine Sechs bekam, hatte ich auch nie wirklich Freude an den Borstentieren. Jeden Morgen hiess es als erstes die Galtsauen versorgen, ohne Frühstück, kein Zuckerschlecken. Bevor ich jeweils im Schweinestall mein Tagwerk begann, klopfte ich tüchtig mit der Schaufel an die Türe. Denn ich hatte wirklich keine Lust schon um halb sechs am Morgen der ersten Ratte zu begegnen. Dank solcher Erlebnisse, bleiben die Lehrjahre in bester Erinnerung.

Theorie ist nicht gleich Praxis

Und dank der Fürsorge der Lehrmeister bin ich mit der Arbeit Tag für Tag gewachsen. Ich konnte vom Wissen und den Erfahrungen der Meisterleute profitieren. Natürlich half mir auch der Schulstoff dabei, um mein Wissen noch zu vertiefen. Doch Theorie und Praxis gehen vielfach weit auseinander. So bleibt mir doch folgendes Beispiel in Erinnerung: Damals hiess es in der Schule noch: "Gebt den Kälbern in den ersten Lebenswochen nur sehr wenig Milch, die sollen fressen." Heute, fast 40 Jahre später, dass pure Gegenteil: Gebt ihnen so viel sie saufen können, das sei die beste Medizin. Nein, für mehr Wissen braucht es keine zusätzlichen Schulstunden oder ein zusätzliches Diplom. Es braucht Verstand, Erfahrung und einen offenen Blick für die Tier- und Pflanzenwelt.

Das Essen der Chefin rühmen

Also liebes Bundesbern, überprüft noch einmal eure Mission über die verschärfte Ausbildung, sonst haben wir bald nur noch Theoretiker und keine praktischen Landwirte mehr in der Schweiz. Hiermit wünsche ich allen Lehrlingen einen erfolgreichen Start und viel Glück mit euren Lehrbetrieben. Und noch ein Tipp von meiner Mutter: Rühmt das Essen der Chefin und helft ihr auch beim Geschirrwegräumen und sagt dabei immer Dankeschön – es lohnt sich!