Der Boden ist unter Druck. Nicht nur bei der aktuellen nasskalten Witterung, wenn mit schweren Maschinen ins Feld gefahren werden muss, um Kartoffeln, Karotten oder Zuckerrüben herauszuholen. Der Boden ist unter Siedlungsdruck. Immer mehr Menschen benötigen immer mehr Wohn- und Arbeitsraum, gleichzeitig träumen Herr und Frau Schweizer immer noch vom Einfamilienhäuschen. Es entstehen Geistersiedlungen mit leerstehenden Mietwohnungen, während es in den Ballungszentren an bezahlbarem Wohnraum mangelt. «Verdichtetes Bauen» müsste da eines der Zauberwörter lauten.
Auf der verschwundenen Landwirtschaftsflächen entstanden Siedlungsflächen
Die Arealstatistik der Schweiz zeigt: Das meiste Kulturland geht aufgrund des Siedlungswachstums verloren. Dabei sind die produktivsten Böden im Talgebiet am stärksten unter Druck. Die Siedlungsflächen im Gebiet der West-, Zentral- und Nordschweiz sind in rund drei Jahrzehnten (1982–2015) um 31% gewachsen. Ihr Anteil an der Gesamtfläche stieg dadurch von 7,9% auf 10,3%. Durchschnittlich betrug das jährliche Wachstum 1983 Hektaren. Der Zuwachs ging vorwiegend auf Kosten von Landwirtschaftsflächen. Diese haben in den beobachteten Landesteilen von 1982 bis 2015 pro Jahr durchschnittlich um 2320 Hektaren abgenommen. Ihr Anteil an der Gesamtfläche sank dadurch von 44% auf 41%. Auf 80% der verschwundenen Landwirtschaftsflächen entstanden Siedlungsflächen.
Wald dehnt sich jährlich um 4105 Hektaren aus
Während das Kulturland in der Schweiz nur wenig Schutz geniesst, ist der Wald streng geschützt. Das trägt zumindest indirekt zum Kulturlandverlust bei. Zwischen 1985 und 2013 hat sich der Wald in der Schweiz im Durchschnitt um 4105 Hektaren pro Jahr ausgedehnt. Das betrifft hauptsächlich Gebiete, die landwirtschaftlich nicht mehr genutzt werden. Kulturland geht auch bei der Revitalisierung von Gewässern verloren. Das Bundesamt für Umwelt schätzt, dass bis Ende des 21. Jahrhunderts rund 20 00 Hektaren extensiviert werden müssen, um die in der revidierten Gewässerschutzgesetzgebung vorgesehenen Aufweitungen umzusetzen.
Kulturland mit Initativen schützen
Ist weniger Umweltschutz also die Lösung? Vermutlich nicht, dagegen spricht nicht nur das anhaltende Artensterben. Das Thema Umwelt- und Klimaschutz dürfte nach dem Grünrutsch der vergangenen Wahlen auch politisch weiter an Bedeutung gewinnen. Der Kulturlandverlust rückte in den vergangenen Jahren zunehmend ins Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger.
Zumindest lassen sich mit dem Thema erfolgreich Volksbegehren lancieren und damit zum Teil auch etwas erreichen. Das zeigten die Kulturlandinitiativen in den Kantonen Zürich, Thurgau und Bern, die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen und die Ernährungssicherheitsinitiative des Schweizer Bauernverbands.
Bodenqualität nimmt ab
Geschützt werden sollten nämlich nicht nur Wald, Gewässer und Biodiversität, sondern auch das beste Ackerland. Man kennt dieses unter dem Begriff Fruchtfolgefläche (FFF). Diese machen rund 40% der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz aus. Der Mindestumfang an FFF wird zwar noch erfüllt, aber der Spielraum vieler Kantone ist klein.
Laut Bund ist unklar, wie viel FFF seit Inkrafttreten des Sachplans 1992 verloren gegangen und wie viel neu dazu gekommen ist. Insgesamt dürfte die Qualität aber abgenommen haben. Angedacht sind verschiedene Anpassungen des aktuellen Systems, so etwa die Bodenqualität in den Vordergrund zu rücken. So würden Siedlungen und Infrastrukturen vermehrt auf weniger guten Böden zu stehen kommen.
Handel mit FFF-Kontingenten umstritten
Kritisch beäugt – zumindest von der Landwirtschaft – wird ein möglicher Handel mit FFF-Kontingenten zwischen den Kantonen. Man fragt sich, ob damit nicht der Schutz der Fruchtfolgeflächen unterwandern werden könnte. Ob sich das Problem von zu wenig FFF künftig einfach elegant via Einkauf bei einem anderem Kanton lösen lässt, wird klar, wenn der überarbeitete Sachplan FFF Anfang Jahr publiziert wird.
Immerhin dürften die eingebauten Hürden für solche Händel recht hoch sein. Ein weiteres Problem sind die Daten. Der Schweiz fehlen flächendeckende und einheitliche Bodeninformationen. Abhilfe soll das nationale Kompetenzzentrum Boden schaffen, das sich im Aufbau befindet. All diese Entwicklungen zeigen, dass die Bodenproblematik in den letzten Jahren vermehrt auch ausserhalb der Landwirtschaft wahrgenommen wird. Ob politische und andere Bemühungen fruchten werden, damit der Druck auf den Boden abnimmt, muss sich erst noch zeigen.