Tote Bienen, eine weitere zappelt im Todeskampf, dramatische Musik, ein Helikopter, der Pflanzenschutzmittel versprüht, dazu die Sprecherstimme: «Warum sterben unsere Bienen? Warum ist unser Wasser mit Pestiziden belastet? Weil wir mit Steuermilliarden eine giftige Agrarindustrie fördern.» Die Spannung steigt beim Zuschauer oder der Zuschauerin: Wer könnte der Bösewicht in diesem Thriller sein?

Diese Frage lässt das Video nicht unbeantwortet: Nun marschiert Bauernverbandspräsident Markus Ritter durchs Bild auf dem Weg ins Bundeshaus. Dazu wieder die Sprecherstimme: «Weil die Agrarlobby diese Politik verteidigt, statt sich für Bauernfamilien und Natur einzusetzen. Weil der Bauernverband von Konzerninteressen beeinflusst ist.» Was hier beschrieben wird, ist das Video zur neuen Kampagne «Agrarlobby stoppen» der Umweltorganisationen Greenpeace, WWF, Pro Natura und Bird Life.

Neues Feindbild: Agrarlobby

Ganz schön starker Tobak. Provokation hat in der Werbung und in der Kunst schon immer funktioniert. Nun wird sie zunehmend auch in der Politik eingesetzt. Die Umweltorganisationen haben die Landwirtschaft in ihrer Kommunikation noch nie mit Samthandschuhen angefasst. Sie betonen aber in der neuen Kampagne, dass nicht die Bäuerinnen und Bauern daran schuld seien, dass «die Schweizer Landwirtschaft eine solch schlechte Umweltbilanz hat», wie auf der Website der Kampagne zu lesen ist. Die Bäuerinnen und Bauern seien in ein System eingebunden, mit dem sie sich arrangieren müssten, um wirtschaftlich zu überleben.

Diese Argumentation ist richtig. Die Bäuerinnen und Bauern müssen Programme erfüllen, um gewisse Direktzahlungen zu erhalten, sie müssen die Vorgaben von Labels und Abnehmern erfüllen, die sie sich in vielen Fällen nicht aussuchen können. Genauso wenig wie deren grosszügige Margen. Auch wenn die Direktvermarktung in Zeiten von Corona boomte, können nun mal nicht alle Betriebe ihre Produkte direkt vermarkten.

Wer oder was ist eigentlich diese Agrarlobby?

Das Problem sei die Agrarpolitik, schreiben die Umweltorganisationen weiter. Diese setze falsche Anreize und maximiere den Gewinn des Agrobusiness (Syngenta, Fenaco usw.) auf Kosten der Natur und der Bäuerinnen und Bauern. «Und die mächtige Agrarlobby tut alles, um eine Weiterentwicklung der Agrarpolitik hin zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft zu blockieren», heisst es weiter. Die Agrarlobby ist also das neue Feindbild. Aber was oder wer ist diese Agrarlobby überhaupt? So wenig homogen wie die Landwirtschaft, so wenig homogen ist auch ihre Lobby. Die Umweltorganisationen schreiben es selbst: Der SBV alleine zählt 25 kantonale Bauernverbände und 60 Dach- und Fachorganisationen zu seinen Mit-gliedern, darunter auch die Bioproduzenten, die ihre Betriebe in den meisten Fällen längst so bewirtschaften, wie es sich die Umweltorganisationen wünschen.

Der Zeitpunkt ist wohl kein Zufall

Eines haben die Umweltorganisationen richtig festgestellt, aber bekannt ist es schon lange: Die Agrarlobby ist mächtig, die politische Vertretung im Parlament stark. Deshalb kommt der Zeitpunkt der Kampagne nicht von ungefähr: Im September steht die Herbstsession an, diverse Landwirtschaftsgeschäfte sind traktandiert. Die Beratung der AP 22+ wartet, eine Rückweisung ist angedroht, was wiederum den agrarpolitischen Stillstand bedeuten würde. Ob dies für die Bäuerinnen und Bauern sinnvoll wäre, ist ein anderes Thema und ein andermal eine Analyse wert. Die Abstimmungen über diverse Landwirtschaftsinitiativen stehen an. Mit der Landschafts- und der Biodiversitäts-Initiative werden schon bald wieder zwei neue eingereicht.

Polemikkeule statt Dialog

Ich verstehe die Absicht der Umweltorganisationen hinter der Kampagne. Es ist ihre Aufgabe, für Verbesserungen für die Umwelt zu kämpfen. Es ist verständlich, warum einige Bauern und Bäuerinnen und diverse Prominente sie als Botschafter unterstützen. Natürlich hat die Schweizer Landwirtschaft Verbesserungspotenzial, was den Umweltschutz und die Ökologie betrifft. Natürlich ist man noch lange nicht da, wo man sein sollte oder könnte. Es ist mehr die Art und Weise, die mich stört.

Dass die Polemikkeule geschwungen wird, statt auf Dialog zu setzen. Dass nicht anerkannt wird, dass sich in den letzten Jahren schon viel in die richtige Richtung getan hat. Dass der Claim der Kampagne «Für Bauernfamilien statt Agrobusiness» suggeriert, dass sich die Umweltorganisationen für die Bauernfamilien einsetzen.

Die Agrarlobby besteht aus Bauern und Bäuerinnen

Dabei geht aber vergessen, dass sich in der so genannten Agrarlobby – in den vielen Kantonalverbänden, Fachorganisationen und lokalen Bauernvereinigungen – viele Landwirte und Bäuerinnen politisch engagieren, um ihre Berufskollegen zu vertreten. Oft tun sie das mit viel Herzblut und ehrenamtlich, neben der strengen Arbeit auf dem Hof und in der Familie.

Eines ist klar: Die Corona-Schonzeit, als die Bauern plötzlich als systemrelevant galten, ist vorbei. Jetzt gehts wieder ruppig zu und her. Agrarpolitisch heisse Monate und Jahre warten. Anschnallen bitte, und sich am besten nicht ärgern lassen.