Streichung der Beihilfen Viehwirtschaft, Kürzungen bei der Qualitäts- und Absatzförderung, Abschaffung der Entsorgungsbeiträge – der sogenannte «Gaillard-Bericht», in dem eine Expertengruppe im Auftrag des Bundesrates Sparvorschläge auflistet, sieht vor allem bei der Tierproduktion Sparpotenzial. Noch verstärkt wird dieser Eindruck durch eine zweite Liste, die der Bundesrat seither folgen liess. Darin führt die Landesregierung auf, welchen Sparvorschlägen sie zu folgen gedenkt. Auffallend: Umsetzen will der Bundesrat zunächst die oben genannten Massnahmen im Tierbereich. Keine Massnahmen vorgesehen sind dagegen im landwirtschaftlichen Beratungswesen, in den Beihilfen Pflanzenbau, in der Getreidezulage oder den Beiträgen an die Ernteversicherung, wo die Experten ebenfalls Sparpotenzial geortet hatten.

SVP-Nationalrat Marcel Dettling sprach deshalb im Bundeshaus vor Journalisten von einem «Angriff auf die Fleischwirtschaft». Die Fraktion hatte nach Bern geladen, um ihre neuen agrarpolitischen Schwerpunkte vorzustellen. Dazu gehöre zunächst einmal die Abwehr von neuen Sparmassnahmen, sagte der Berner Ständerat Werner Salzmann. Immerhin gehöre die Landwirtschaft zusammen mit der Armee zu den zwei einzigen Bereichen, in denen die Kosten in den letzten 20 Jahren nicht gestiegen sind. «Vielleicht hätten auch wir in der Vergangenheit immer mehr Geld fordern sollen – dann bliebe nach der Sparrunde mehr übrig», kommentierte dies der Waadtländer Nationalrat Jacques Nicolet.

Metzger und Käser unter Druck

Dass der Fleischkonsum vielerorts politisch unliebsam geworden ist, spiegelt sich laut Nicolet auch in der neuen Ernährungspyramide wider, die das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung erarbeitet hat. Neben der Gesundheit will diese neuerdings auch die Nachhaltigkeit einbeziehen. Das Resultat: Tierische Produkte finden sich in der Visualisierung der Pyramide nur noch wenige, der Fleischbedarf wird mit einem kleinen Stück Poulet abgebildet – rotes Fleisch fehlt vollständig, ansonsten beschränken sich die tierischen Produkte auf ein Ei, ein Glas Milch, ein Stück Käse und ein Joghurt.

Die klimatischen Besonderheiten und die landschaftliche Vielfalt der Schweiz seien überhaupt nicht berücksichtigt worden, kritisierte Nicolet. Obwohl die Tierproduktion im Grasland Schweiz eine hohe ökologische Bedeutung habe, etwa für die Biodiversität und zum Schutz vor Bodenerosion, würden Landwirte, Metzger und Käser weiter unter Druck gesetzt. Die tatsächlichen Ernährungsgewohnheiten der Schweiz würden von den Empfehlungen schlicht ignoriert. «Es ist aber nicht an der Politik, zu sagen, was die Bürger essen sollen», hielt Nicolet fest. Die Schlechterstellung der Tierproduktion habe auch eine regionalpolitische Bedeutung, gab sein Zürcher Kollege Martin Hübscher zu bedenken. «Wir müssen darauf achten, dass die Wertschöpfung in diesen Regionen bleibt», forderte er. Derzeit seien die Tierhalter von der sich verschlechternden Einkommenssituation besonders stark betroffen.

Keine neuen Vorschriften

Neben der Abwehr von Sparmassnahmen will sich die SVP für die Landwirtschaft vor allem beim Bürokratieabbau starkmachen. Der Administrationsaufwand sei seit der Einführung des Direktzahlungssystems überproportional gewachsen, sagte der Freiburger Nationalrat Nicolas Kolly. Wichtigste Sofortmassnahme zur administrativen Entlastung sei deshalb, auf alle neuen Regulierungen zu verzichten. Dies entspreche dem Volkswillen: Immerhin seien alle Initiativen, die der Landwirtschaft neue Vorschriften machen wollten, abgelehnt worden. Die SVP werde konsequent alle Vorstösse bekämpfen, die Mehraufwand für die Landwirtschaft verursachten. Weiter fordert die Partei einen Paradigmenwechsel bei den Kontrollen. Es werde zu viel und zu häufig kontrolliert, so Kolly. Ihm schwebt ein System analog zur Motorfahrzeugkontrolle vor: Betriebe könnten alle fünf Jahre umfassend geprüft werden und hätten dann Ruhe, so sein Vorschlag. Vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) fordert Kolly, es müsse in Zukunft «für und nicht gegen die Bauern arbeiten».

Verarbeitung im Visier

Der Sparbericht der «Gaillard-Gruppe», die im Auftrag des Bundesrates Sparvorschläge ausgearbeitet hat, setzt bei der Landwirtschaft stark auf den Abbau von Geldern, die in den nachgelagerten Bereich fliessen. Dies gelte etwa für die Beihilfen zur Viehwirtschaft, so der Bericht. Mit den dafür eingesetzten 5,8 Millionen Franken pro Jahr werden bisher die Fleisch- und Eierpreise sowie die Verwertung inländischer Schafwolle gestützt. «Die Expertengruppe beurteilt direkte Marktstützung aus einer Effizienzsicht sehr kritisch, da sie zu Marktverzerrungen führen», heisst es im Bericht. «Zudem kommen die Mittel in einem gewichtigen Ausmass gar nicht der Landwirtschaft, sondern der nachgelagerten Verarbeitungsbranche zugute.»

«Massnahmen zu Marktentlastung sind wichtig, um die Preise temporär zu halten und um unnötigen Preisdruck zu vermeiden», hält Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband (SBV) dagegen. «Wenn der Absatz stockt, hat dies direkte Auswirkungen auf die Produktionsebene.» Der SBV lehnt alle Vorschläge der Expertengruppe ab.

Auch bei den Importzollkontingenten nimmt die Expertengruppe die Verarbeiter ins Visier. Bisher wird nur die Hälfte dieser Kontingente versteigert, der Rest wird nach unterschiedlichen Schlüsseln der Fleischbranche zugeteilt. Die Experten wollen den Anteil der versteigerten Kontingente beim Fleisch maximal erhöhen und versprechen sich davon zusätzliche Einnahmen von 80 Millionen Franken pro Jahr. «Die Expertengruppe wertet die Kontingentzuteilung ohne Versteigerung als versteckte Subvention der Fleischbranche, die der Landwirtschaft nur in beschränktem Ausmass in Form von stabileren Preisen zugutekommt», heisst es dazu.