Die Würde des Tieres in der landwirtschaftlichen Tierhaltung soll besser geschützt werden. Dies fordern die Initianten der Massentierhaltungs-Initiative, welche diesen Herbst zur Abstimmung kommen soll. Was spricht dagegen? Vieles, sagt Hella Schnider aus Flühli, Vorstandsmitglied des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands und Leiterin der Nein-Kampagne im Kanton Luzern. Betroffen seien nämlich längst nicht nur Schweine- und Geflügelhalterinnen, sondern viele auch kleinere Betriebe mit Wiederkäuern, die sich der Folgen bei einer Annahme noch kaum bewusst seien.

Hella Schnider, wieso kämpfen Sie als Bergbäuerin aus dem Entlebuch so vehement gegen diese Initiative?

Hella Schnider: Ein Ende der industriellen Tierproduktion innerhalb der Landesgrenzen wird gefordert, aber gibt es die überhaupt in der Schweiz? Bei der Initiative wird vor allem auf die Schweine- und Geflügelhaltung abgezielt, aber eben nicht nur. Betroffen wären auch andere Tierhaltende. Durch Gesetze und Verordnungen werden die Schweizer Nutztiere aber bereits seit vielen Jahren besser geschützt, als dies in unseren Nachbarländern der Fall ist. So regelt beispielsweise die Höchsttierbestandesverordnung, wie viele Mastkälber, Schweine oder Geflügel maximal pro Betrieb gehalten werden dürfen. Die Schweizer Betriebe halten viel weniger Tiere, als dies im nahen Ausland üblich ist. Zudem werden heute mehr Tiere unter Label-Standards gehalten, als überhaupt nachgefragt werden. Eine industrielle Tierproduktion in der Schweiz existiert also schlichtweg nicht.

«Die BTS- und RAUS-Beiträge sind gefährdet.»

Hella Schnnider mahnt, dass Erlöse anderweitig generiert werden müssten.

Im Fokus stehen Schweine- und Geflügelhalter. Wer ist denn sonst noch alles betroffen?

Gemäss Initiative sollen die Bio-Suisse-Richtlinien aus dem Jahr 2018 zum neuen Haltungsstandard werden. Hier wären somit nicht nur Schweine und Geflügel betroffen, sondern auch Rindvieh und Kleinwiederkäuer. Besonders tierfreundliche Stallhaltung (BTS) würden bei Geflügel, Schafen, Ziegen und Schweinen obligatorisch. Regelmässiger Auslauf (RAUS) würde bei allen Tiergattungen obligatorisch. Da ein Grossteil der Betriebe nicht nur eine Tiergattung hält, ist man innerhalb eines Betriebes unterschiedlich betroffen. Beim RAUS-Programm werden von Mai bis Oktober 26 Weidetage pro Monat vorgeschrieben. In den Wintermonaten von November bis April sind dies 13 Tage pro Monat, bei welchem die Tiere Auslauf auf einer Auslauffläche oder Weide bekommen müssen. Dies führt zu einem grossen Mehraufwand und ist je nach Lage und Gegebenheiten nur schwer umsetzbar. Das sollten somit gerade auch Betriebe im Innerschweizer Berggebiet beachten. [IMG 2]

Ist das für Schaf- und Ziegenhaltende denn ein Problem?

Die BTS- und RAUS-Programme werden bei den Ziegen- und Schafhalterinnen Pflicht. Weil Schafe nicht angebunden gehalten werden dürfen, gibt es kein BTS-Programm. Das RAUS-Programm muss aber erfüllt werden. Die Ziegenhalter sind aber von beiden Programmen betroffen. So müssen die Ziegen während der Vegetationsperiode mindestens 120 Tage draussen grasen können. Im Winter sind mindestens 50 Tage Auslauf vorgeschrieben. Bei Neubauten ist die Anbindehaltung der Ziegen verboten. Auch die Fressplatzbreiten müssten angepasst werden, damit die Bio-Suisse-Richtlinien eingehalten werden könnten.

Laut den Initianten gilt zwar eine Übergangsfrist von 25 Jahren. Welche der Forderungen erst in 25 Jahren oder allenfalls schon früher umgesetzt werden müssten, könnte der Gesetzgeber bei einer Annahme der Initiative selbst bestimmen.

«Die Auswirkungen beim Bauen sind nicht zu unterschätzen.»

Gemäss Hella Schnider wären Neu- und Umbauten nötig.

Somit entstehen vorwiegend hohe Kosten beim Anpassen von Stallungen und ein grösserer Arbeitsaufwand?

Für die direktbetroffenen Betriebe ja. Heute sind die BTS- und RAUS-Programme Förderprogramme des Bundes, wo die Beiträge die Mehrkosten entschädigen sollen. Durch eine Annahme sind diese Beiträge jedoch gefährdet und die Mehrkosten müssten anderweitig generiert werden. Von den aktuellen Labels hätten nur noch wenige Nischenlabels ihre Daseinsberechtigung. Auch das aktuelle Biopreisniveau könnte kaum gehalten werden und Wertschöpfung würde zunichte gemacht. Landwirte, welche die Anforderungen bereits jetzt erfüllen, könnten indirekt betroffen sein. Die raumplanerischen Herausforderungen bei nötig werdenden Neu- oder Umbauten von Ställen dürfen genauso wenig unterschätzt werden. Sie betreffen alle.

Ihre Schlussfolgerung?

Es sind sehr viele Bauernbetriebe von dieser Initiative betroffen und müssten mit mehr Auflagen und mehr Kosten rechnen. Die Landwirtschaft muss daher geeint auftreten, damit bei der Abstimmung ein Nein erzielt werden kann.