«Wir haben im Kanton Zürich nur noch für vier bis zehn Jahre Deponiereserven. Es ist darum wichtig, bereits jetzt vorausschauend zu planen.» Letzten Freitag informierte Martin Neukom, Regierungsrat und Vorsteher der Baudirektion, an einer Pressekonferenz über die künftige Deponieplanung im Kanton Zürich.
Eine Million Tonnen Abfall im Jahr
Aktuell werden auf dem Kantonsgebiet neun Deponien betrieben, bei zehn Standorten besteht ein entsprechender Richtplaneintrag, sie kämen also für einen zukünftigen Deponiestandort infrage.
Für die nächsten 40 Jahre rechnet der Kanton mit einem Bedarf an 17 Deponien, welche die jährlichen Abfallberge von 0,7 Millionen bis 1,0 Millionen Tonnen schlucken sollen. Das klinge nach viel, meinte Neukom, man müsse jedoch bedenken, dass aus juristischer Sicht alles als Abfall bezeichnet werde, was in irgendeiner Form als Abfall anfalle. Man spricht hier darum von unterschiedlichen Abfalltypen (siehe Grafik unten rechts).
Je nach Abfalltyp braucht es eine andere Deponie
Am einfachsten zu handhaben seien dabei die Abfälle vom Typ A. Bei dieser Art von Abfall handelt es sich in der Regel um unverschmutzten Aushub, welcher beim Häuserbau anfällt. Dieser könne «problemlos» zum Beispiel für das Auffüllen von Kiesgruben genutzt werden.
Der Abfalltyp B bestehe zum Beispiel aus Abbruchmaterialien von Baustellen. Solche Abfälle landen in Deponien vom Typ B. Diese dürfen nicht oberhalb von benutzbarem Grundwasser liegen und müssen über ein Drainagesystem verfügen. Dieser Abfalltyp hat insbesondere durch die zunehmende Bautätigkeit ab Anfang der 2000er-Jahre stark zugenommen.
Für die Abfälle der Typen C, D und E steigen schliesslich die Anforderungen an die Deponie. Sie muss zusätzlich zu den Anforderungen an die Deponie vom Typ B nun auch oberhalb einer wasserundurchlässigen Schicht, einer sog. «geologischen Barriere», liegen und das Drainagewasser muss durch eine spezielle Kläranlage gereinigt werden.
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Die Planung dauert lang
«Es gibt einen langen und komplexen Planungszeithorizont, bis eine Deponie schliesslich in Betrieb geht. Am Schluss muss der Deponiebetreiber mit dem Grundstückseigentümer eine Lösung finden. So vergehen dann gut zehn Jahre», kommentierte Neukom die Länge des Planungshorizontes.
Mit einer Strategie zur Kreislaufwirtschaft bemühe sich der Kanton zu einer Reduktion der anfallenden Abfälle. So plane man zum Beispiel die Einführung einer Behandlungsregel von Bauabfällen. Das Ziel sei, dass 75 % des anfallenden Abbruchs wiederverwendet werden könnten. Nichtsdestotrotz solle der Kanton Zürich auch weiterhin in Zukunft seine Abfälle auf seinem Kantonsgebiet deponieren. Ein Export in andere Kantone, wie er früher erfolgte, werde von diesen nicht mehr goutiert.
Die Baudirektion habe sich darum mit einem breit abgestützten Verfahren auf die Suche nach neuen Standorten gemacht.
397 Standorte wurden auf ihre Eignung analysiert
Bestehende Standorte habe man ebenfalls auf ihre Eignung analysiert. Total habe man so 397 mögliche Standorte bewertet. Die Evaluation erfolgte mit zwei Kriterientypen. Ausschlusskriterien wie Standort/Nähe zu:
- Siedlungsgebiet
- Grundwasser- und Gewässerschutzzonen
- Natur- und Landschaftsschutzgebiete
- Wald mit besonderem Schutzstatus
führten zum Ausschluss der Deponie aus den möglichen geeigneten Standorten.
Falls beim Standort kein Ausschlusskriterium vorlag, habe man mit Bewertungskriterien die Standorteignung bestimmt. Berücksichtigt wurden hier zum Beispiel:
- Verkehrsanschliessung
- Abstand zum Wohngebiet
- Fruchtfolgeflächen
- Wald
- Natürlich gewachsene Böden
- Abstand zu Schutzgebieten (Natur, Landschaft)
- Archäologische Funde
- Grösse und Volumen der Deponie
- Topografische Einordnung in die Landschaft
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Diese 23 Flächen eignen sich für eine Lagerung von Abfällen
Schliesslich seien so die 23 möglichen Standorte ermittelt worden, die sich für eine Deponie eignen. Diese sind geografisch über den Kanton Zürich verteilt und werden laut Martin Neukom nun in die Richtplanrevision 2024 aufgenommen, die voraussichtlich im Herbst dem Kantonsrat vorgelegt werde.
Man wünscht sich eine sachliche und transparente Diskussion
Es sei Martin Neukom bewusst, dass der Standort einer Deponie kritische Stimmen auslöse. Die Baudirektion bemühe sich diesbezüglich um eine möglichst sachliche und transparente Diskussion. Dazu seien alle Standorte im GIS-Browser vom Kanton Zürich veröffentlicht worden.
Auch organisiert werden Führungen an bestehenden Deponiestandorten. Am 25. Mai kann in Obfelden die Deponie Tambrig, am 1. Juni in Eglisau die Deponie Schwanental und am 8. Juni in Egg / Oetwil am See die Deponie Chrüzlen besichtigt werden.
Hier gibt es weitere Informationen zu den Deponien
Reaktion des Zürcher Bauernverbandes (ZBV)
Der ZBV hat auf die Ankündigung der Baudirektion mit einer eigenen Medienmitteilung reagiert. Darin kündigt der ZBV eine Überprüfung der vorgeschlagenen Standorte an. Grundsätzlich unterstütze man den Ansatz, dass der im Kanton anfallende Abfall auch weiterhin im Kanton entsorgt werde.
Der ZBV fordert jedoch den Schutz von Fruchtfolgeflächen bei der Erhebung neuer Standorte. Sollten sie trotzdem gebraucht werden, sollten sie nach der Auffüllung zu 100 % für die Produktion wiederhergestellt werden. Gerade in Zeiten des sinkenden Selbstversorgungsgrades seien überrissene Ansprüche seitens Naturschutz nicht angebracht.
Auch wird gefordert, dass alte Standorte zurückgebaut werden müssen, bevor neue Deponiestandorte geöffnet werden. Es sollten nur so viele Gruben offen sein, wie auch wirklich gebraucht würden.
Weiter sei man von der Seite vom ZBV darüber erstaunt, dass bereits während des Evaluationsprozesses und vor Veröffentlichung der Standorte Landwirte von Privatfirmen zu Landsicherungen angegangen wurden. Solche Indiskretionen und Verfahrenslücken dürften der kantonalen Verwaltung nicht passieren. Dies habe bei den betroffenen Landwirten nämlich zu Misstrauen und Unverständnis geführt, was den weiteren Weg der Deponieplanung erschweren werde.