Drei Jahre lang beschäftigte sich die IG für nachhaltiges landwirtschaftliches Bauen (IG NLB) vom WWF und der Stiftung Landschaftsschutz mit der Frage, welche «Problemfelder und Fehlanreize» im heutigen System zu finden sind. Mit von der Partie waren Kleinbauernvereinigung und Bergheimat.

Dabei hätten sich zwei Handlungsachsen herauskristallisiert, die im Rahmen der neuen Agrarpolitik (AP 30 +) angegangen werden müssten, heisst es in einem im April veröffentlichten Papier, das Änderungen im Bereich Strukturverbesserung vorschlägt. Zum einen soll die Wirtschaftlichkeitsprüfung angepasst, zum anderen Investitionsentscheide verstärkt strategisch ausgerichtet werden. «Mit diesen Verbesserungen könnten in Zukunft ökonomisch problematische Bauten vermieden werden, die häufig auch in Bezug auf Umwelt und Landschaft schlecht abschneiden», so die Hoffnung der Autoren.

Strengere Kriterien

Ansetzen wollen sie zunächst bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Investitionshilfen. Dazu will die IG NLB folgende Kriterien einführen:

  • Das landwirtschaftliche Einkommen pro Arbeitsstunde muss sich für alle mitarbeitenden Familienmitglieder verbessern.
  • Die Kostenstruktur des Betriebs muss sich nachhaltig verbessern.
  • Die Produktionskosten müssen branchenkonform sein.
  • Risiken wie Alter, Invalidität und Tod müssen genügend abgesichert sein.
  • Arbeitsabläufe und körperliche Belastung müssen verbessert werden.
  • Ein «positiver Effekt auf die Lebensverhältnisse der Familie» muss nachweisbar sein.

Investitionsentscheide müssten künftig auf einer nachhaltigen Betriebsstrategie basieren, fordert die IG NLB weiter. Im Rahmen der Umsetzung der AP 30 + müsse die Abstimmung des Investitionsentscheids mit wichtigen Zielsetzungen im Gesetz verankert werden. Auch hier geht es der IG nicht nur um finanzielle Fragen. Der Investitionsentscheid müsse «in Einklang mit den übergeordneten Strategien gefällt werden», so die Forderung. Konkret genannt werden in dem Papier Umweltziele Landwirtschaft, Klimaziele und Aufbau ökologische Infrastruktur.

Ermöglicht werden soll dies durch «neue Formen von Beratung». Diese sollen die Betriebsleitenden dabei unterstützen, vor dem Bauprojekt eine langfristig nachhaltige, das heisst ökologisch, sozial und ökonomisch vorteilhafte Betriebsstrategie zu entwickeln.

«Die Planwirtschaft darf nicht überhand nehmen.»

Martin Rufer, Direktor SBV.

«Ineffiziente Produktionsweisen»

Zur Begründung ihrer Forderungen zieht die IG NLB mehrere Studien zur wirtschaftlichen Situation der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe heran. So hatte eine Untersuchung von Agroscope und der ETH Zürich 2023 festgehalten, dass in der Schweizer Landwirtschaft ein erhebliches Potenzial zur Verbesserung von Umwelteffizienz und Wirtschaftlichkeit bestehe. Und eine Studie, die das Bundesamt für Umwelt (Bafu) im Zusammenhang mit der Ausbreitung von Grossraubtieren in Auftrag gegeben hatte, kam 2022 zum Schluss, dass die Betriebe einen «grossen finanziellen Spielraum für ineffiziente Produktionsweisen» hätten.

Dieser Spielraum werde für eine kostenintensive Produktion genutzt, worunter die Studienautoren unter anderem den Einsatz von viel Kraftfutter sowie Investitionen in Anlagen, Fahrzeuge und Dienstleistungen verstehen. Zahlreiche Betriebe bevorzugten gar wirtschaftlich ineffiziente Produktionsweisen, so die Bafu-Studie, und zwar auch dann, wenn diese mit einem geringeren Einkommen verbunden seien. Einkommen pro Arbeitsstunde sei für diese Betriebe offenbar nur eines unter verschiedenen Zielen wie hohen Produktionsmengen oder einem hohen Anlagevermögen.

Auch ein Agriexpert-Papier von 2016 wird von der IG zur Begründung ihrer Forderungen herangezogen. Dort wird kritisiert, dass die Beratung oft durch Firmen durchgeführt werde, die selbst von einer allfälligen Investition profitierten. Dabei werde bei der Vergabe von Krediten und Hypotheken oft zu wenig berücksichtigt, dass ein dauerhafter Anstieg der Verschuldung durch eine höhere Wirtschaftlichkeit kompensiert werden müsste.

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Honorar nach Bausumme

«Das Problem liegt darin, dass die Beratungen in aller Regel von Firmen ausgeführt werden, die ihre Produkte verkaufen wollen», sagt auch Andreas Bosshard von der IG NLB. «Sie erarbeiten kostenlos oder sehr günstig Projekte für bauwillige Bauern und Bäuerinnen und haben dabei ein Eigeninteresse, ihre Produkte zu verkaufen und in der Regel möglichst gross zu Bauen und viele technische Lösungen wie Melkroboter anzupreisen, bei denen gutes Geld verdient werden kann.» Oft werde ein Honorar nach Bausumme angeboten.

Die Folge dieses Systems sei, dass Bauernfamilien zu teure Lösungen wählten und sich übermässig verschuldeten. «Die hohe Verschuldung und die zu hohen Kosten bei der Infrastruktur sind der oft wichtigste Grund, warum Bauernfamilien hierzulande so wenig verdienen», sagt Bosshard. Dies habe auch soziale Auswirkungen wie Burn-outs oder Konflikte in der Partnerschaft.

«Das häufigste Problem ist, dass zu gross und damit zu teuer gebaut wird», führt Bosshard aus. Das liege auch daran, dass vielen Bauern – Bäuerinnen seien weniger betroffen – der Status wichtiger sei als die Wirtschaftlichkeit. «Grosse Ställe, grosse Traktoren, grosse Kühe mit viel Milchleistung versprechen Status, auch wenn solche Investitionen nicht wirtschaftlich sind und es deutlich bessere Alternativen gäbe.» Möglich gemacht würden überteuerte Investitionen erst durch staatliche Unterstützungsprogramme und Stiftungen. «Wir werden immer wieder mit krassen Beispielen konfrontiert, die von staatlichen Stellen fraglos durchgewunken werden», sagt Bosshard.

Noch mehr «Experten»

Beim Schweizer Bauernverband sieht man die Vorschläge der IG NLB kritisch. Zu der oft nicht gegebenen Wirtschaftlichkeit verweist Direktor Martin Rufer auf die hohen Produktionskosten und die im Vergleich dazu zu tiefen Produzentenpreise. «Diese Situation ist a priori nicht nachhaltig», gibt er zu bedenken. Komme hinzu, dass die strengen Bewilligungsverfahren und Einsprachen Investitionsprojekte zusätzlich verteuerten. Der Vorschlag der IG schaffe hier aber keine Abhilfe, sondern gehe in eine andere Richtung: Es würden noch mehr «Experten» konsultiert und noch mehr reguliert.

Sollte das Thema Wirtschaftlichkeitsprüfung in der AP 30 + aufgenommen werden, müsse konsequenterweise auch für eine bessere Wirtschaftlichkeit gesorgt werden, dies durch Deregulierung. Investitionsentscheide müssten weiterhin Sache der Landwirtschaftsbetriebe bleiben. «Die Planwirtschaft darf nicht überhandnehmen», sagt Martin Rufer.

Das Papier enthalte überdies einige Fehlschlüsse, kritisiert Martin Rufer. So werde etwa mit der hohen Verschuldung pro Hektare der Schweizer Betriebe argumentiert. Diese habe aber nicht nur mit dem generell höheren Preisniveau in der Schweiz, sondern auch mit der Struktur zu tun: «Das Bergland Schweiz mit Tieren und Regen hat natürlich höhere Investitionen pro Hektare als beispielsweise die Sojaanbaugebiete in den USA oder in Brasilien.»

Weniger Geld, mehr Freiheit
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Kommentar von Peter Walthard

Laufställe, fast so gross wie die Kirche im Dorf, Alpstrassen bis an alle Grate, wuchtige Betonmauern neben verfallenden Schindeldächern – wo die Landwirtschaft baut, bleibt Landschaftsästhetik oft ein Fremdwort. Kein Wunder, tun sich Landschaftsschützer seit Längerem schwer mit vielen Projekten. Sie haben durchaus einen Punkt: Wer vom Staat den Erhalt der Berglandwirtschaft fordert und dabei mit Landschaftsbild, Biodiversität und Tradition argumentiert, wird unglaubwürdig, wenn genau diese Werte beim Bauen plötzlich keine Rolle mehr spielen sollen. Unglaubwürdig ist aber auch, wenn die althergebrachte Nutzung erst durch immer neue Vorschriften zu Tierschutz, Lebensmittelsicherheit, Gewässerschutz, Arbeitsrecht und Herdenschutz verunmöglicht wird und die Betriebe in eine teure Investitionsspirale getrieben werden, um ihnen danach genau dies vorzuhalten – und als Allheilmittel noch mehr Auflagen und Vorschriften aufzuerlegen.

Werden Investitionshilfen an «nachhaltige Ziele» gekoppelt, ist es eine Frage der Zeit, bis Alpen, auf denen die Herdenschutzkonzepte des Bundes nicht exakt eingehalten werden können, der Geldhahn zugedreht wird. Wenn es wahr ist, dass im Berggebiet oft zu grossspurig investiert wird, zum Schaden der betriebswirtschaftlichen Resilienz und der Ökosysteme, deren Erhalt die Alpwirtschaft sich auf die Fahnen schreibt, könnte man es mit einem anderen Weg versuchen: weniger Geld, dafür wieder mehr Freiheit. p.walthard@bauernzeitung.ch