Massnahmenplan Bundesrat hat entschieden: 10-%-Toleranzgrenze fällt, 3,5 % Ökofläche im Acker kommt Wednesday, 13. April 2022 Der Bundesrat hat das erste Verordnungspaket «für sauberes Trinkwasser und eine nachhaltigere Landwirtschaft» verabschiedet: Ab dem 1. Januar 2023 sollen keine Pflanzenschutzmittel mehr mit Wirkstoffen mit hohem potenziellem Risiko angewendet werden. Die Nährstoffverluste sollen bis 2030 um mindestens 20 Prozent reduziert werden. Ab 2024 fällt die Toleranzgrenze von 10 % in der Düngerbilanz. Umstritten sind in der Branche auch die 3,5 % Biodiversitätsförderfläche im Acker. 

«Nicht nachvollziehbar»

Der Schweizer Bauernverband (SBV) zeigt sich vom bundesrätlichen Entscheid sehr überrascht: «Wir können nicht nachvollziehen, wie es zu diesem Entscheid kam. All unsere Argumente wurden in den Wind geschlagen», sagt Präsident Markus Ritter auf Anfrage der BauernZeitung.

«Das Problem ist, dass der Bundesrat die aktuellen Umstände komplett ausser Acht lässt», moniert der Mitte-Nationalrat. Es sei nicht angebracht, die Produktion in der Schweiz zurückzufahren und sich noch stärker auf Importe abzustützen, «wenn wir einen Selbstversorgungsgrad von unter 60 Prozent haben und weltweit eine grosse Hungerkrise droht».

«Bestes Ackerland geht verloren»

«Wir verlieren tausende Hektaren bestes Ackerland für die Lebensmittelproduktion», sagt Ritter zu den 3,5% Biodiversitätsförderfläche auf offener Ackerfläche.[IMG 2]

Aus der Basis höre man von «grossem Unverständnis». Positive Punkte seien, dass das GMF-Programm bestehen bleibe, die proteinreduzierte Fütterung nicht eingeführt und auf den Humusrechner verzichtet werde.

IP-Suisse ist erstaunt 

«Grundsätzlich begrüssen wir ein Massnahmepaket, dass ertragsmässig die nachhaltige Produktion von Nahrungsmittel fördert und gleichzeitig freiwillige Anstrengungen in den Bereichen Biodiversität, Tierwohl, Ressourcenschutz mit Direktzahlungen unterstützen», sagt derweil IP-Suisse-Geschäftsführer Fritz Rothen. Er zeigt sich aber erstaunt, dass der Bundesrat die «guten Verbesserungsvorschläge» nicht oder kaum berücksichtigt habe. 

«Auf wackeligen Füssen»

Die Unterstützung bei der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und die Streichung der 10% Toleranz bei der Nährstoffbilanz würden die IP-Suisse-Betriebe besonders betreffen. «Der vorgesehene Beitrag für herbizidloses Getreide ist zu tief. Die Unterstützung einer schrittweisen Einführung für den Verzicht von chemischen Pflanzenschutzmassnahmen (via Parzelle, Sorten, Klassen) wurde abgelehnt», sagt Fritz Rothen weiter.

Die Streichung der 10 %-Toleranz bei der Nährstoffbilanz stehe «wissenschaftlich auf wackeligen Füssen». Der Forschungsbereich «Nährstoff» müsse dringend gemeinsam vertieft, angepasst und ausgebaut werden.   

«So lösen wir das Problem nicht»

«Es ist sicher richtig Ammoniak- und Phosphorverluste stetig zu reduzieren. Dies kann aus unseren Erfahrungen am besten mit finanziellen Anreizen für möglichst viele freiwillige Reduktionsmassnahmen erfolgen», so Rothen weiter. IP-Suisse wolle die Verluste senken, «aber nicht mit Massnahmen, die unsere inländische Nahrungsmittelproduktion um zusätzlich 20 % ins Ausland verlagern».

Mit einer Fixierung der Biodiversitätsflächen auf 3,5 % im offenen Ackerland «lösen wir das Problem nicht», hält der IP-Suisse-Geschäftsführer fest. Zur Stimmung in der Basis sagt er: «Unsere Produzenten machen sich grosse Sorgen, wie sie weiterhin möglichst viele qualitativ hochwertige IP-Suisse-Produkte nachhaltig in unserem Land produzieren können.»

Kantone unzufrieden

Die Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren findet das Päckli «kontraproduktiv» und ist der Meinung, alle kantonalen Anliegen seien ignoriert worden.

Die Agrarallianz spricht von «einer grossen Chance und grossen Herausforderung». Derweil sind Kleinbauern, Vision Landwirtschaft und die Umweltverbände (teilweise) zufrieden.