Die zahlreichen neuen Vorschriften und Änderungen bei der Direktzahlungsverordnung und den Label-Programmen sind komplex und bewegen auch die Gemüseproduzenten. Entsprechend gut besucht ist am Dienstag  31. Januar 2023 im Seeländer Dorf Ins zu ebendiesem Thema die Wintertagung sowie die Jahresversammlung des Beratungsrings Gemüse. Geschäftsführer Martin Keller erklärt: «Ich sah noch nie ein solch schlecht aufgegleistes Verordnungspaket.» Noch vergangene Woche habe es Änderungen gegeben und noch immer sei nicht alles geregelt.[IMG 2]

Das Thema Sonderbewilligungen

Ein viel diskutiertes Thema in der Branche ist, dass der Einsatz vieler Pflanzenschutzmittel (PSM) eine Sonderbewilligung nötig macht. So dürfen PSM mit einem erhöhten Risikopotenzial für Oberflächengewässer und Grundwasser grundsätzlich nicht angewendet werden. Darunter fallen unter anderem Wirkstoffe und Mittel wie:

  • Metazachlor, enthalten in Bredola, Butisan S, Devrinol Plus und weiteren
  • Deltamethrin in Aligator, Decis Protech, Deltaphar
  • S-Metolachlor in Dual Gold, Gardo Gold und anderen

Streng und locker zugleich passt nicht zusammen

Es gibt im Gemüsebau aber Ausnahmen, bei denen diese Mittel ohne Sonderbewilligung einsetzbar sind. Der Beratungsring hat eine entsprechende Liste mit Kulturen und Schaderregern erstellt. So etwa bei Schädlingsbefall in Kohlarten mit geflecktem Kohltriebrüssler, Kohlgallenrüssler, Minierfliege, Rapsstängelrüssler sowie bei Unkräutern. «Wir haben besonders bei den Kohlarten grossen Spielraum erhalten», betont Martin Keller. Hingegen gebe es bei Salaten keine Möglichkeit, Pyretroide ohne Sonderbewilligung einzusetzen. «Das ist die Kehrseite der Medaille.»

Eine Sonderbewilligung werde erteilt, wenn:

  • Bekämpfungsschwelle überschritten ist oder
  • Monitoringdaten von Kantonen (Feldkontrollen des Beratungsrings gelten auch) oder Agroscope eine Gefährdung anzeigen oder
  • Antragsteller Schädlinge oder Schadsymptome mit Foto nachweist und
  • kein gleichwertiger Ersatz vorhanden ist.

Die Sonderbewilligung wird pro Parzelle/Bewirtschaftungseinheit, Kultur und Schädling für die gesamte Dauer der Kultur erteilt. Das bedeutet, dass die Bewilligung auch für alle weiteren Sätze Salat gilt, die auf derselben Parzelle bis Saisonende gepflanzt werden. Der Geschäftsführer bemängelt: «Auf der einen Seite überraschend streng, aber locker auf der anderen Seite. Das passt irgendwie nicht zusammen.» Und weiter fordert er die Produzenten auf: «Beantragt Sonderbewilligungen. Wir müssen zeigen, dass es nötig ist, diese Mittel einsetzen zu können.» Das Beste, was passieren könnte, sei, wenn der Kanton mit Sonderbewilligungsanträgen überhäuft werde. Werden hingegen Mittel unerlaubt und hinterrücks eingesetzt, mache das gegen aussen den Anschein, dass ja doch die Produktion auch ohne Einsätze solcher PSM machbar sei. Und auch auf die Konsequenzen bei einem Vergehen macht Martin Keller aufmerksam. Zwar sei bei einem ersten Vergehen der Abzug beim Versorgungssicherheitsbeitrag noch moderat. «Danach geht es ins Geld», warnt er.

Drift und Abschwemmung einhalten, auch wenn keine Kontrolle droht

Ab 2023 gilt in der Direktzahlungsverordnung neu, dass je ein Punkt gegen Drift und Abschwemmung erfüllt sein muss. Die Massnahmen würden heuer jedoch noch nicht kontrolliert. Trotzdem müssen diese Massnahmen eingehalten werden. «Bei einem Vorfall mit Abschwemmung, welcher Folgen wie ein Fischsterben hat, haftet ihr!», warnt Martin Keller erneut. Viel zu reden geben auch Anpassungen bei weiteren Programmen der Direktzahlungsverordnung sowie bei IP-Suisse. Am Ende der Tagung meint ein junger Gemüseproduzent ermattet: «Das erliest eim ds Hirni.»