Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor grosse Herausforderungen. Einerseits hat sie sich als Mitverursacherin zu verantworten, andererseits ist sie Leidtragende. Dürre, Unwetter oder milde Winter verbunden mit frühem Vegetationsbeginn sind nur einige Folgen, mit denen die Landwirtschaft zu kämpfen hat. Die Zeichen deuten darauf hin, dass sich diese Wetterereignisse in naher Zukunft noch verschärfen werden. Naheliegend istdaher, dass die angehenden Berufsfachleute effektiv darauf vorbereitet werden sollten.

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Ein Informationsanlass mitanschliessendem Podium, der vergangene Woche in Liestal stattfand, war diesem Thema gewidmet. Fachleute, unter ihnen Lukas Kilcher, Leiter Ebenrain, Zentrum für Landwirtschaft, Naur und Ernährung in Sissach BL, diskutierten kontrovers zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald und die Natur und wie die Berufsbildung in verschiedenen Berufen damit umgeht.

Welche Rolle spielt die Klimaproblematik im aktuellen Bildungsplan zum/r Landwirt/in EFZ?

Lukas Kilcher: Explizit wird die Klimaproblematik bisher kaum erwähnt. Der Bildungsplan beinhaltet aber verschiedene Kompetenzbereiche, die mit dem Klimawandel zusammenhängen. So steht in den Lernzielen, dass die angehenden Landwirtinnen und Landwirte wichtige Massnahmen zur Förderung des Humusanteils kennen. Das ist relevant für die Anpassung an den Klimawandel, weil ein höherer Humusanteil die Speicherfähigkeit der Böden für Wasser und Nährstoffe erhöht. Gleichzeitig kann dabei CO2 im Boden gespeichert und somit ein Beitrag zur Lösung des Klimaproblems geleistet werden. Weiter ist in den Lernzielen enthalten, dass Landwirtinnen und Landwirte Schutzmassnahmen gegen Trockenheit und Erosion sowie Mas-snahmen zur Sicherung der Nachhaltigkeit auf Landwirtschafts-betrieben kennen. Es liegt dann im Ermessen der Lehrkräfte, wie sie diese und viele weiteren Themen im Unterricht einplanen und umsetzen.

Welche Rolle wird die Klimaproblematik nach der Bildungsrevision einnehmen – erhält sie dann einen festen Platz?

Der Prozess ist noch im Gange. Selber bin ich nicht direkt involviert, finde es aber wichtig, dass der Klimawandel und seine Herausforderungen für die Landwirtschaft umfassend einbezogen werden, von der Nutztierhaltung und Bodenbearbeitung über die Mechanisierung, bis hin zur Vermarktung der Nahrungsmittel und Betriebswirtschaft.

Wie wichtig ist diese Thematik für die künftigen Bäuerinnen und Bauern – was kommt da auf sie zu?

Der Weltklimarat bezeichnet Klimawandel in seinem jüngsten Bericht vom Februar 2022 als Bedrohung für die Welternährung wegen zu erwartender Verluste in der Nahrungsmittelproduktion. Diese Einschätzung zeigt uns, wie wichtig das Thema bereits heute ist und sich weiter akzentuieren wird. Bäuerinnen und Bauern können auf ihren Betrieben viel dazu beitragen, den Ausstoss an Klimagasen zu redu-zieren, sich an den Wandel anzupassen und mit konkreten Lösungen beizutragen. Dafür braucht es entsprechendes Wissen und Technik, zum Beispiel im Umgang mit Trockenheit. Allerdings kann ein Bauernhof nur einen Teil direkt beeinflussen, die Zucht zum Beispiel liegt in anderen Händen. Zudem braucht es die Zusammenarbeit mit der gesamten Kette. Die Konsumentinnen und Konsumenten bestimmen letztlich mit ihrem Einkauf, was und wie in der Landwirtschaft produziert wird.

Wie gross ist das aktuelle Interesse am Thema Klima?

Die meisten Landwirtschaftsbetriebe sind heute schon in einer Form vom Klimawandel betroffen, sei es durch Frostschäden nach zu frühem Vegetationsstart, sei es durch Trockenheit, Hitze oder Starkregen. Das Interesse am Thema Klima und wie darauf erfolgreich zu reagieren, müsste daher gross sein. Dennoch befürchte ich, dass noch lange nicht alle den Ernst der Lage erkannt haben. Das ist leider durch alle Branchen in der gesamten Gesellschaft so; dies entweder, weil der Mensch sich ob den Megaveränderungen ohnmächtig fühlt, oder weil ihm das Wissen zum Handeln fehlt oder weil der Mensch konsequentes Handeln ganz gerne anderen überlässt.

Wie kann das Interesse gefördert werden?

Kaum eine andere Branche ist derart gefordert vom Klimawandel wie die Landwirtschaft. Die meisten Bauernbetriebe erleben bereits konkrete Auswirkungen und sind sensibilisiert. Die Bildung und Beratung muss aufzeigen, wo der Handlungsspielraum für konkrete Anpassungen und Lösungen liegt, anhand von praktischen Beispielen wie zum Beispiel der Umgang mit Trockenheit. Wir müssen aufzeigen, wie diese Techniken erfolgreich auf dem Betrieb umgesetzt werden können.

Die Anpassungen an aktuelle Entwicklungen und Ereignisse sind im Bildungswesen aber sehr träge. Wie gut gelingt es dennoch, solche Themen im Unterricht aufzunehmen?

Die Anpassung an sich schnell entwickelnde Veränderungen, wie den Klimawandel, zwingt die Praxis zum Handeln. Bildungspläne sind meist träge Kompromisse und kommen mit den Veränderungen häufig nicht im selben Tempo mit wie die Praxis. Zudem sind sie auf einer recht allgemeinen Ebene. Darum ist es wichtig, dass die Lehrkräfte ihren Handlungsspielraum nutzen, aktuellen Themen wie dem Klima genug Gewicht zu geben.

Wie gebunden und wie frei sind die Schulen heute oder nach der Bildungsrevision in Zukunft, wenn es um die Ausgestaltung der einzelnen Fächer geht?

Es gibt viele Freiheiten und konkrete Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des Lehrplans. Unsere Schule ermuntert die Lehrkräfte immer wieder, sich die Freiheiten herauszunehmen. Manchmal fehlt etwas der Mut. Viele Lehrpersonen halten sich stark ans Lehrmittel und setzen sich unter Druck, alles nach Plan zu behandeln und zu vermitteln. Angesicht der stark befrachteten Lehrpläne und Lehrmittel ist das eine Überforderung.

Sie erwähnen immer wieder, dass die Kommunikation intensiviert werden sollte. Wie sollten die jungen Berufsleute Ihrer Meinung nach darin gestärkt werden?

Lehrpläne sind zu umfassend und zu allgemein für die Kommunikation. Gut eignen sich Projekte mit spezifischen Zielen wie unser Projekt «Klimaschutz durch Humusaufbau». Wir zeigen konkret, wie Betriebe ihre Böden vorbereiten können für zunehmende ungünstig verteilte Niederschläge. Junge Landwirtinnen und Landwirte sprechen aufdiese Themen an. Auf grossesInteresse stossen z. B. auch smarte und ressourcensparende Technologien.

Themen wie der Klimawandel deuten darauf hin, dass dieser Beruf künftig noch deutlich höhere Anforderungen stellt. Wie ist das alles ausbildungstechnisch zu meistern?

Es gibt neu ein freiwilliges viertes Lehrjahr, in dem eine zusätzliche Spezialrichtung gewählt werden kann. Das vierte Lehrjahr wurde gefordert, weil die Kompetenzen im Berufsfeld Landwirtin/Landwirt sehr breit sind und die Anzahl Schullektionen schon im bisherigen System einer vierjährigen Lehre entsprechen. Wir gehen davon aus, dass recht wenige das zusätzliche Lehrjahr absolvieren werden, da der Nutzen im Verhältnis zum Aufwand nur wenige überzeugt. Zudem wissen junge Landwirtinnen und Landwirte, dass sie ihre Kompetenzen im Berufsleben mit permanenter Weiterbildung ausbauen und vertiefen können.

Wald wird es in der Schweiz trotz Klimawandel weiterhin geben, unbekannt ist, wie er aussehen wird

Das Klima in der Schweiz verändert sich. Seit den Neunzigerjahren ist eine konstante Erwärmung messbar. «Und das wird nicht besser», sagt Matthias Arend vom Departement Umweltwissenschaften an der Uni Basel. Der ursprünglich gelernte Forstwart zeigte vor einer Woche in Liesthal BL Bilder eines nahe gelegenen Waldgebiets (Hölstein BL). An eben diesem Wald wird der Klimawandel für eine breite Bevölkerungsgruppe sichtbar. Buchen und Fichten leiden unter der Trockenheit. Vertrocknung und Borkenkäfer führen schliesslich zum Absterben dieser Bäume. [IMG 3]

«Waldsterben 2.0», titeln diverse Zeitungen. Doch Matthias Arend schätzt diesen Ausdruck nicht. «Das verhindert den korrekten Blick auf das Problem», ist er der Meinung. Denn solche Waldschäden seien auch schon viel früher aufgetreten. Dürren – mit entsprechenden Folgen für den Wald – seien auch im vorletzten Jahrtausend bereits dokumentiert worden. «Das ist nicht neu. Es tritt zwar selten auf, aber es tritt auf», weiss Arend. Das Schlimme an der aktuellen Situation sei, dass diese Erwärmung konstant ist. Das heisst, es wird schlimmer. Arend sagt, dass es auch künftig noch Wald geben wird, dass man aber (noch) nicht weiss, wie er aussehen wird.

Bekannt ist, ältere Bäume leiden mehr unter Trockenheit als junge Bäume. Sie haben deutlich mehr Wasserstress. «Schäden an den Wasserleitsystemen, verursacht durch Trockenheit, können sehr lange bestehen bleiben», erinnert Matthias Arend. Das ist auch der Grund, weshalb die Buchen immer noch so schlecht aussehen, obschon das vergangene Jahr zumindest regentechnisch eine Erholung für den Wald hätte darstellen müssen. Bekannt ist auch, dass gepflegte Wälder weniger leiden. Der Grund dafür sei naheliegend: Mehr Bäume verbrauchen mehr Wasser. «Welche Handlungsempfehlungen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen?», fragt Matthias Arend. Die Antwort darauf sei Förstern bereits heute bestens bekannt. Ohne Pflege leidet der Wald.Das gelte auch beim Klima-wandel. Erschwerend wirke hier der Umstand einer zunehmenden Romantisierung des Waldes in weiten Teilen der Bevölkerung.

Das kennt auch Daniel Wenk von der Bürgergemeinde Liesthal, der am Anlass ebenfalls anwesend war. Das durch den Klimawandel hervorgerufene Absterben der Wälder hat beim Waldbesitzer (1000 ha) ein Abräumen mehrerer Hektaren Wald nach sich gezogen. «Das führte unweigerlich zu Reaktionen aus der Bevölkerung», so der Leiter der Bürgergemeinde. Dazu ist Wenks Credo klar: «Wir informieren sehr gerne, aber wir diskutieren nicht.» Denn Waldbewirtschaftung könne nicht diskutiert werden. «Wir leben in einer Zeit mit einer extremen Mitwirkungslust», fasst Wenk zusammen. «Jeder, der ein Anliegen hat, bekommt von mir persönlich eine Antwort, aber wir beantworten keine Interpellationen mit sieben Punkten», sagt er. Das Fällen der Bäume passiere nur mit entsprechender Bewilligung, das gelte es auch zu kommunizieren.

Am Wald wird der Klimawandel bis jetzt am besten sichtbar. Betroffen sind aber alle. Aus den Ausführungen der Anwesenden in Liesthal wurde klar: Es kann im Bildungsbereich mit der Sensibilisierung um die Klimaerwärmung nicht zugewartet werden, bis alle Bildungspläne umgeschrieben sind.