Abstimmungssonntag Die Biodiversitäts-Initiative ist gescheitert Sunday, 22. September 2024 Rund 100 ha LN, 130 Kühe, intensive Milchproduktion – der Grundhof, den Sabrina Schlegel bis Ende 2023 geführt hat, ist kein typisches Beispiel für einen Betrieb mit starkem Fokus auf die Biodiversität. «Während meines Agronomie-Studiums an der ETH war die Biodiversität kein Thema», bemerkt die Ostschweizerin, die mittlerweile einen Hof im bernischen Oberaargau führt. Ihre Freude an der biologischen Vielfalt habe ein Betriebsrundgang mit einem Berater in ihr geweckt, erzählte Schlegel vor Medienvertretenden und Wissenschaftler(innen) am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick AG.

Begeisterung statt Zwang

Das FiBL hatte nach dem Nein zur Biodiversitäts-Initiative eingeladen, um «Wege in die Zukunft der Biodiversitätsförderung» aufzuzeigen. Sabrina Schlegel machte als Praktikerin und konventionelle Milchproduzentin Vorschläge zu diesem Thema. «Es braucht nicht Zwang, sondern gegenseitige Begeisterung», ist sie überzeugt. Schlegel lobte das Biodiversitätsförderungs-Programm Labiola des Kantons Aargau. Darin würden auf den Betrieb passende Massnahmen nämlich gemeinsam und wertschätzend mit Fachleuten erarbeitet.

Flexibilität und Autonomie waren laut Umfragen die wichtigsten Beweggründe für Landwirt(innen), am Ressourcenprojekt «zielorientierte Biodiversitätsförderung» (Zibif) teilzunehmen. «Bei Zibif gibt es Direktzahlungen nicht für die Umsetzung von Massnahmen, sondern die vorhandene Qualität der Fläche», erklärte Rebekka Frick, die das Projekt vom FiBL aus wissenschaftlich begleitet. Die 29 beteiligten Zürcher Betriebe hätten so verschiedene Möglichkeiten ausloten können, ihre Produktion und die Biodiversität optimal zu verbinden. «Es wird geschätzt, dass man etwas Neues ausprobieren kann», so Frick. Gleichzeitig erlaube Zibif den Landwirt(innen), ihr Wissen über ihre Flächen einzubringen – während die Beratung aber ebenfalls auf Anklang gestossen sei.

Artenärmere Flächen aufwerten

Sabrina Schlegel hatte konkrete Ansätze für eine flexiblere Biodiversitätsberatung im Gepäck. «Dass Hecken geschützt sind und nicht entfernt oder versetzt werden dürfen, hält Landwirte vom Pflanzen ab», gab sie zu bedenken. Daher sei der generelle Heckenschutz aufzuheben. Weiter würde sich die Betriebsleiterin wünschen, Flächen, auf denen lagebedingt keine grosse Pflanzenartenvielfalt erreichbar ist, mit Kleinstrukturen aufwerten zu können. «Heute wird die Qualität von der Anzahl Pflanzenarten abhängig gemacht», so Schlegel. Beispielsweise auf schattigen Parzellen könnten ihrer Meinung nach aber Ast- oder Steinhaufen den Mangel kompensieren und eine höhere Entschädigung rechtfertigen. Dass das Ganze finanziell irgendwie aufgehen muss, sieht auch Laura Spring ein. Erhalt und Pflege von Biodiversitätselementen gerieten oft zur Freiwilligenarbeit, schilderte die Politikverantwortliche bei Bio Suisse.

«Erfreuliche Wirkungen»

«Die vielen konkreten Massnahmen von Kantonen, Gemeinden, Organisationen, Landwirten, Firmen, Förstern, Gärtnern und Privaten zeigen vielerorts erfreuliche Wirkungen», hielt Daniela Pauli, BirdLife Schweiz, fest. Dank dem sei die Situation nicht schlimmer. «Aber: Die grossen Negativtreiber übersteuern die Bemühungen bei Weitem.» Insgesamt halte so der Rückgang der Biodiversität an. Es sei, als würde man aus einem sinkenden Schiff beständig Wasser schöpfen, nicht jedoch das Leck flicken. Daher brauche es jetzt einen soliden zweiten Aktionsplan zur Strategie Biodiversität (siehe Artikel unten), aber auch Verbesserungen in Bildung und Beratung sowie punktuell die Umleitung von Fördergeldern. «Ich träume manchmal von einem Biodiversitätsreflex», sagte Pauli: Sobald man etwas Raumgreifendes tue, sollte die Förderung der Biodiversität mitgedacht werden – egal in welchem Sektor, ob von Unternehmen oder Privaten.

FiBL-Forscher Lukas Pfiffner betonte den Wert der funktionellen Biodiversität – etwa in Form natürlicher Schädlingsbekämpfung und Bestäubung oder des Bodenlebens – für die landwirtschaftliche Produktion. «Von vielen Arten und Gruppen wissen wir aber gar nicht, welche Rolle sie im Ökosystem spielen», ergänzte Daniela Pauli. Daher sieht sie den Erhalt einer möglichst grossen Vielfalt als Versicherung für die Zukunft. Zumal mit dem Klimawandel künftig andere Arten als heute wichtig werden könnten.