Die Frage ist nicht ob, sondern wann.» Diesen Satz hörte man oft von Experten, auch in der Landwirtschaft. Oft fiel er im Zusammenhang mit Schlagwörtern wie «Transition», «Netto-Null», «Dekarbonisierung», «Wertschöpfungskette.» Also mit dem Umbau der Landwirtschaft im Sinne einer globalen, grünen Agenda zur Rettung der – oder gar der Schaffung einer besseren – Welt. Konkret: Abkehr von Tierhaltung, Düngung und Pflanzenschutz, Produktion in der Fläche und Familienbetrieb. Widerstand schien zwecklos, wenn sogar schädlich. Die ständigen Abstimmungskämpfe gegen grüne Anliegen und das Zusammengehen mit Wirtschaftsverbänden und Bürgerlichen bereiteten manchen Sorgen: Wie klug mag es wohl sein, sich der Forderung nach einer nachhaltigen und klimagerechten Zukunft entgegenzustellen? Verschafft man sich damit nicht das Image, «rückwärtsgewandt» und «ewiggestrig» zu sein?
Zwei, drei, viele Trumps?
Seit dem 6. November 2024 sind das Fragen von gestern. Mit der Wahl von Donald J. Trump zum Präsidenten der USA ist der grüne Zug in Richtung schöner neuer Welt auf offener Strecke zum Stillstand gekommen – mit kreischenden Bremsen. Unter dem neuen Präsidenten wird sich die wichtigste Wirtschafts- und Militärmacht nicht mehr für globale Agenden zu Klima und Biodiversität interessieren. So wenig wie der Rest der Welt bisher. Neben Staaten wie Kanada oder Neuseeland fahren nur noch die grossen EU-Staaten auf dem grünen Gleis. Wie lange noch? Nicht einmal 24 Stunden waren vergangen, schon lag die deutsche Regierungskoalition aus Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen in Scherben. Was kommt als Nächstes? Zwei, drei, viele Trumps, in einem EU-Staat nach dem andern?
Die gesellschaftlichen Gegensätze gibt es auch hier
Die Folgen spüren würden zunächst weder das Klima noch die Biodiversität. Zu gering sind bisher die tatsächlichen Auswirkungen der teuren Umbauprogramme. Leidtragende wäre aber eine bestimmte gesellschaftliche Schicht. Denn die wichtigste Waffe im Arsenal der «Trumpisten» ist der wie eine Axt an den grünen Baum gelegte Sparhammer. Zehntausende von Stellen sind in den letzten Jahrzehnten rund um die staatlichen Weltverbesserungsprogramme entstanden. Sie sind das Habitat einer ganzen Generation vom Umwelt- und Sozialwissenschaftlern. Es ist das Milieu, in dem man mit Teilzeitarbeit Haushaltseinkommen von über 10 000 Franken erzielt, in verkehrsberuhigten und liebevoll aufgewerteten städtischen Altbauquartieren wohnt, Lastenvelo fährt und den Kindern «Reisen» mit Flugzeug und Miet-Van ermöglicht, damit sie lieben lernen, was es zu schützen gilt. Es ist ihre Existenz, ihr Lebensstil, die den Trumps dieser Welt als Erstes zu Opfer fallen wird.
Entsprechend angestrengt ist der Widerstand. Und genau das machte sich die Kampagne für Trump zu Nutzen. Je mehr dessen Gegner in den urbanen Zentren die Trump-Anhänger als «seltsame Leute», «Abfall» oder «Fanatiker» bezeichneten, desto mehr machte sich auf dem Land, bei Arbeitern, Handwerkern und Farmern, aber auch bei religiös eher konservativen Minderheiten das Gefühl breit, von einer abgehobenen Elite verachtet und betrogen zu werden. Dieses Gefühl ist auch hierzulande längst eingekehrt.
Ist das Ziel eine bessere Welt, gibt es kein «gut genug»
Trumps Sieg ist die Reaktion darauf. Er ist das Werk einer ungleichen Allianz, die weder eine Vision noch einen Plan hat, aber gemeinsam darauf besteht, dass es legitim ist, die eigenen Interessen zu vertreten, auch wenn sie dem Konsens zur Weltrettung widersprechen. Dahinter steht eine Enttäuschung, eine Abkehr von der Hoffnung, «Teil der Lösung» sein zu können, um nicht mehr als «Teil des Problems» gesehen zu werden. Es ist Teil der DNA der Linken, dass nicht genug getan ist, bis die Welt tatsächlich jener «bessere Ort für alle» ist, den sie sich wünscht. Deshalb folgt auf jeden noch so mühsam ausgehandelten Kompromiss immer die nächste, noch radikalere Forderung. Die ganze Bewegung verlöre sonst ihre politische Lebenskraft.
Verbündete suchen statt auf Wohlwollen hoffen
Genau das scheint die Führung des Schweizer Bauernverbands – gleichsam vor der Zeit – erkannt zu haben. Die Forderungen nach Abschaffung von Tierproduktion, Pflanzenschutz, Familienbetrieb – sie ist nichts weniger als die Forderung nach Abschaffung der Landwirtschaft, wie wir sie kennen. Sie wird wieder und wieder kommen, ganz egal, wie viele Anstrengungen die Bauern für Biodiversität, sauberes Wasser und gesunde Böden noch leisten. Die Landwirtschaft braucht deshalb Partner mit den gleichen Interessen, man könnte sagen, dem gleichen Gegner. Sie finden sich in Gewerbe und Industrie, beim Tourismus, bei den konservativen Teilen der Bevölkerung. In Zukunft vielleicht auch: Bei der migrantischen Bevölkerung, die nicht auf ihr Fleisch und ihr Auto verzichten will, oder bei jenen Teilen der grünen Bewegung, die zurück zur Natur und nicht vorwärts in eine solargetriebene Hightech-Utopie wollten.
Niemand sollte in einen Zug einsteigen, dessen Passagiere eigentlich nur weg wollen von ihm. Schon gar nicht, wenn dieser Zug gerade zum Stillstand gekommen ist. Auf offener Strecke. Mit kreischenden Bremsen.
1