Im Marketing sind wir stark. Die Wissenschaft weiss viel. Der Handel ist bemüht. Die Jungen ticken anders. Der Bundesrat sieht das Problem bei der Wegwerfgesellschaft, und der Bauernverband will möglichst wenig ändern. Das ist das Fazit, das die Besucherinnen und Besucher aus der zehnten Durchführung von Brennpunkt Nahrung diese Woche in Luzern ziehen könnten.
Mehrheit für Eigenverantwortung
Auf dem Programm stand eine geballte Ladung. Hochkarätige Referenten am Laufmeter – zu sagen hatten sie viel, wobei wenig Neues kam. Klar ist: Alle sind bemüht, dass es besser wird. Nachhaltigkeit wird dabei ganz gross geschrieben, und alle wissen, dass es einen gemeinsamen Weg braucht.
«Eigenverantwortlich handeln – Ernährungssystem stärken» war der Titel der Tagung. Eine Umfrage unter den Konferenzteilnehmenden, gleich zu Beginn der Veranstaltung, zeigte: Für 75 Prozent steht fest, dass Nachhaltigkeitsziele nur durch Eigenverantwortung und nicht durch staatliche Regulierung erreicht werden sollten. Nur 25 Prozent sind der Meinung, dass es mehr Staat braucht. Für den ehemaligen BLW-Direktor Manfred Bötsch ist klar: «Mehr Eigenverantwortung bedeutet auch, dass man permanent in der Pflicht ist, sich weiterzuentwickeln.»
Frühstück fällt weg
Nur was heisst das? Zum einen sind da die kommenden Generationen. Sie denken und handeln entsprechend anders. Drei Studierende der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Zollikofen BE zeigten in ihrer Präsentation in Luzern auf, dass Werte wie Freiheit, Selbstbestimmung, aber auch Gerechtigkeit das Denken dieser Generation stark prägen. Das heisst auch, dass sie sich anders ernährt. Das Frühstück fällt bei den meisten Jungen weg, stattdessen isst man nach dem Lustprinzip, will informierte Kaufentscheidungen treffen – fragt also die Kolleginnen und Kollegen – und will auf Lebensmittel mit zusätzlichem Nutzen setzen. Dabei soll das Essen gesund sein und zur eigenen Lebensweise passen (siehe Kasten).
Zusatznutzen? Nachhaltigkeit! Jérôme Meyer, CEO von Aldi Suisse, erklärte, was seiner Meinung nach der Detailhandel dazu beitragen kann. «Unsere Grundüberzeugung ist, dass die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten steigt, wenn diese erschwinglich sind. Durch enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern und unser Engagement für Bio- und Regionalprodukte können wir langfristig ein Umdenken bei den Konsumentinnen und Konsumenten bewirken und damit einen wesentlichen Beitrag zu einem nachhaltigeren Detailhandel leisten.»
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Den Ansatz, dass es nur einen gemeinsamen Weg gibt, bestritt am Dienstag niemand. Dass da aber doch Gräben sind, kam sehr deutlich zum Vorschein. So denken die einen, es brauche sehr wohl und auch viel Veränderung, und zwar insbesondere im Bereich des ökologischen Fussabdrucks mit der klaren Forderung nach weniger Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs. Zumindest Bauernverbandspräsident Markus Ritter fand, die Schweiz habe in den letzten Jahrzehnten genug ökologisiert. Er sieht die Ressourceneffizienz und Reduktion des Umweltfussabdrucks «im Rahmen des Möglichen und Finanzierbaren». Auch eher verhalten, wenn es um Veränderungen in diesem Bereich geht, zeigte sich Umweltminister Albert Rösti. Er will parteikonform wenig Einschränkung der Freiheit und sieht das grösste Veränderungspotenzial bei der Vermeidung von Food Waste.
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Welche Erwartungen hat die Generation Z an die Landwirtschaft?
Die Generation Z umfasst alle, die zwischen etwa 1997 und 2012 geboren wurden. Diese Generation ist stark von der digitalen Welt geprägt, da sie von Kindesbeinen an mit dem Internet, sozialen Medien und Smartphones aufgewachsen ist.In wenigen Begriffen lässt sich die «Gen Z» als digital vernetzt, sozial engagiert, wandelbereit und vielfältig beschreiben. Sie ist bekannt für ihre Offenheit gegenüber neuen Ideen und ihren Wunsch nach sozialem und ökologischem Wandel. Anpassungsfähigkeit und ein ausgeprägtes Bewusstsein für mentale Gesundheit zeichnen viele in dieser Generation ebenfalls aus.
In Luzern haben am Dienstag drei Angehörige dieser Generation dem Publikum Einblick in ihre Wertehaltung, ihre Weltanschauung und ihr Denken gegeben. Die BauernZeitung hat die drei im Anschluss an die Tagung mit der Frage konfrontiert: «Welche Ansprüche haben Sie an die Schweizer Landwirtschaft?»
Klimawandel und Umwelt
Lea Götz sagt: «Als Person der Generation Z und Studentin der Lebensmittelwissenschaften im dritten Jahr an der HAFL sehe ich den Klimawandel und die Umweltbelastungen als eine der grössten Herausforderungen in der Landwirtschaft an. Für eine stabile, ertragssichere und konkurrenzfähige Lebensmittelproduktion sind in meinen Augen Innovation und Offenheit in Bezug auf nachhaltige Lösungen notwendig. Dabei ist gemeinsames Handeln von allen Akteuren in der Wertschöpfungskette Lebensmittel gefragt.»
Effizienz und Nachhaltigkeit
Paula Moser sagt: «Für mich persönlich, als eine Person der Generation Z, die auf dem Land aufgewachsen ist, ist es wichtig, dass sich jede Person bewusst ist, dass man nie ausgelernt hat und somit offen ist für neue, innovative, nicht traditionelle Wege, Dinge zu sehen und zu machen. Zudem sollte sich die Landwirtschaft wie auch andere Branchen auf eine effiziente und nachhaltige Ressourcen-Nutzung fokussieren. Wichtig für dies ist die Zusammenarbeit und damit auch das Zuhören, was das Gegenüber zu sagen hat, eine faktenbasierte Diskussion, das Denken an langfristige Ziele und neuen Dingen nicht nur kritisch gegenüberzutreten, sondern auch mit Neugier.»
Transparente Kommunikation
Sandro Meier sagt: «Die älteren Generationen bringen viel Wissen und Kompetenzen mit, wir können viel von ihnen lernen. Die Generation Z ist eine interessierte Generation und bietet neuen Schwung und Innovationsgeist. Ich wünsche mir Offenheit gegenüber neuen Ideen und unkonventionellen Wegen. Meiner Meinung nach sind für eine erfolgreiche Zukunft nachhaltiges und gemeinsames Handeln und eine offene und transparente Kommunikation das Wichtigste.»
Und wo sind die Bauern?
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Kommentar von Simone Barth
Brennpunkt Nahrung kann mittlerweile als einer der wichtigsten Anlässe bezeichnet werden, wenn es um die Vernetzung in der Schweizer Landwirtschaft geht. Hier wird diskutiert, kennengelernt, hinterfragt und offenbar gehandelt. Doch etwas fehlt: die Bauern.
Die Wissenschaft liefert Erkenntnisse. Der Handel sucht seine Rolle, zeigt sich innovativ und will Konsumenten wie Produzenten gewinnen. Der Bund spricht von guten Rahmenbedingungen – und das seit Jahren. Die Produzenten jedoch, jene, die täglich in Stall und auf Feld für die Nahrungsmittel sorgen, fehlten am Anlass. Sie sind damit beschäftigt, die Milchkühe zu versorgen und die letzten Felder zu bestellen. Dabei verpassten sie am Dienstag die Aussage von Emmi-Chefin Ricarda Demarmels, die von «kostendeckenden Preisen» sprach. Bei einem Stundenlohn von 17 Franken wirkt eine solche Aussage fast zynisch. So trafen die Bauern auch nicht auf Matthias Wunderlin, den Leiter der Migros-Industrie mit einem Beschaffungsvolumen von über 4 Milliarden Franken, und auch nicht auf die Chefs von Aldi Suisse und Coop oder den Direktor des Bundesamts.
Eine entscheidende Diskussion blieb am Brennpunkt Nahrung aus: Über Eigenverantwortung und nachhaltigen Konsum zu sprechen, ohne die Bauern direkt miteinzubeziehen, geht an der Realität vorbei. Wenn wir nicht einmal die Konsumenten im eigenen Land zum nachhaltigen Konsum bewegen können, wie sollen wir dann Einfluss auf ausländische Produzenten nehmen, wenn uns die Schweizer Bauern ausgehen? Die inländische Milchproduktion steht auf der Kippe. Wer den drei jungen Rednern der Generation Z zuhörte, merkte schnell, dass hier eine neue Lebenshaltung Einzug hält.
Letztlich bleibt die Frage: Wollen wir wirklich eine Landwirtschaft ohne die Stimme der Bauern gestalten? Wenn nicht, braucht es ehrlichen Dialog – und auch die Zeit dafür. s.barth@bauernzeitung.ch