Stellen Sie sich vor, ein links denkender Städter in Zürich bestellt eine «vegane Kalbshaxe» – und meint das ernst. Das klingt schräg? Genau das findet man auch in Brüssel. Die EU will künftig verhindern, dass pflanzliche Produkte mit traditionellen Fleischbegriffen werben. Und ja, auch wenn die Schweiz nicht Mitglied der EU ist: Diese Debatte geht auch uns etwas an.
Nur noch tierisch
Egal, ob Metzger, Direktvermarkterin oder Label-Partner: Wer mit tierischen Produkten zu tun hat – oder mit pflanzlichen –, muss sich künftig auf neue Regeln einstellen. Denn was in der EU beschlossen wird, beeinflusst oft auch den Schweizer Markt, unsere Exportchancen und die Kennzeichnungspflichten. Worum geht es denn nun genau? Mitte Juli hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Reform der sogenannten Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) vorgelegt. Wie dem Internetportal European Vegetarian Union (EVU) zu entnehmen ist, handelt es sich um eine Liste mit 29 Begriffen, die künftig nur noch für tierische Produkte verwendet werden dürfen – darunter Begriffe wie Haxe, Speck, Rippen und Filet.
Das Ziel laut Kommission: «Verbraucherschutz und Transparenz». Denn Begriffe wie Schinken oder Kalbsbraten hätten kulturelle und historische Bedeutung und dürften nicht durch vegane Imitate verwässert werden. Auch auf die eigene Agrarpolitik zielt der Vorschlag: Laut der Kommission sei die europäische Tierhaltung besonders anfällig für Schocks und verdiene mehr Rückhalt und Schutz.
Erlaubt bleiben Begriffe wie Burger, Steak oder Schnitzel, solange sie als pflanzlich gekennzeichnet sind. Aber vegane Lende oder Tofu-Speck wären in der EU künftig verboten. Und das ist kein Einzelfall: Frankreich hatte 2022 bereits ein nationales Verbot eingeführt – das aber vom französischen Staatsrat 2025 wieder gekippt wurde, weil es EU-rechtswidrig sei. Noch deutlicher wurde der Europäische Gerichtshof im Oktober 2024: Solange pflanzliche Produkte klar als solche deklariert sind, dürfen sie auch Begriffe wie Wurst oder Burger tragen.
Der Vorschlag der Kommission muss noch vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten diskutiert und verabschiedet werden. Die Debatte dürfte hitzig werden – zwischen Landwirtschaftslobby, Lebensmittelindustrie und Konsumentenschutz.
Proviande zufrieden
Und was sagt die Schweiz dazu? «Proviande spricht sich für klare und kohärente Regelungen aus», sagt Direktor Donat Schneider auf Anfrage der BauernZeitung. Pflanzliche Produkte sollten sich über ihre eigene Identität definieren und nicht über Assoziationen zur Tierhaltung vermarktet werden. Das schaffe Vertrauen, schütze traditionelle Begriffe und diene dem Konsumentenschutz.
«Wir begrüssen daher die Stossrichtung der EU-Kommission, bestimmte fleischtypische Begriffe künftig exklusiv für Produkte tierischen Ursprungs zu reservieren. Begriffe wie Speck, Haxe, Lende oder Rippen sind mehr als technische Beschreibungen – sie tragen kulturelle, handwerkliche und sensorische Bedeutung und sollten nicht zur Vermarktung völlig andersartiger Produkte verwendet werden», so Schneider.
Proviande anerkenne die bisherigen Bemühungen des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, welche u. a. zum grundsätzlichen Urteil des Bundesgerichts vom Mai 2025 geführt hätten. «Wir ermutigen die Behörden, unsere Gesetzgebung konsequent weiter zu entwickeln. Wenn drin ist, was draufsteht, hilft das vor allem den Konsumentinnen und Konsumenten», schliesst Donat Schneider.