Nachdem 2002 und 2012 das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) die Situation der Frauen in der Landwirtschaft untersuchen liess, wird 2022 erneut eine Befragung durchgeführt. Dies ermöglicht Einblick in Veränderungen und Entwicklungen. In diesen Tagen bekamen 1500 Frauen Post.
BauernZeitung: Esther Grossenbacher, wer bekam alles Post von BLW?
Esther Grossenbacher: Wir wählten aus dem Agis, dem Agrarinformationssystem des BLW, das dem Vollzug der Direktzahlungen dient, zufällig 1500 Landwirtschaftsbetriebe aus, die entweder von einer Frau geleitet werden oder auf denen ein weibliches Familienmitglied mitarbeitet. Die Bandbreite ist von Jung bis Alt, von grossen bis kleinen Betrieben.
Was wollen Sie von den Frauen wissen?
Wir möchten wissen, wer die Frauen sind, also Alter, Herkunft, Ausbildung. Uns interessiert ihre Rolle auf dem Betrieb, ihre Aufgaben und ihre rechtliche Stellung. Ausserdem fragen wir nach der Befindlichkeit, nach sozialen und finanziellen Vereinbarungen und dem Zusammenleben auf dem Betrieb.
Wir fragen sehr breit und umfassend. Einige Fragen wurden schon vor zehn oder 20 Jahren gestellt, sodass wir eine Entwicklung zu den Umfragen von 2002 und 2012 feststellen können. Einige Fragen sind aber auch neu, beispielsweise jene betreffend Digitalisierung.
In Zahlen
149'500 Personen sind insgesamt in einem schweizerischen Landwirtschaftsbetrieb beschäftigt (Quelle Agrarbericht 2021).
54'269 davon sind Frauen.
26'519 der Frauen arbeiten weniger als 50 % auf dem Betrieb mit.
15'382 Frauen arbeiten Teilzeit (50 % bis 75 %) auf dem Betrieb.
12'368 Frauen arbeiten Vollzeit (75 % und mehr) auf dem Betrieb.
6 Prozent aller Betriebe werden von einer Frau geleitet.
Mehr Informationen zum Thema «Frauen in der Landwirtschaft» finden Sie hier.
Wie genau geht die Befragung vonstatten?
Wir stellen über 50 Fragen. Diese kann man online beantworten. Wer möchte, kann aber auch einen Papierbogen verlangen. Die Fragen können einfach beantwortet werden, man muss nicht extra Zahlen nachschlagen. Wir rechnen, dass es zirka eine halbe Stunde dauert, bis alle Fragen beantwortet sind.
Zusätzlich wird es noch Gruppendiskussionen in Winterthur, Luzern, Yverdon-les-Baines und Biasca geben, da werden die Umfrage-Ergebnisse diskutiert und vertieft. Wir werden dafür erneut via Zufallsgenerator aus den Agis-Daten Frauen auswählen, die in einem gewissen Umkreis zu den Befragungsorten wohnen. Voraussichtlich finden die Gespräche Ende März bis anfangs April statt. Sie werden von der Agridea moderiert.
Was geschieht mit den Daten?
Das Befragungsinstitut GFS-Zürich führt die schriftliche Erhebung im Auftrag des BLW durch, wertet sie aus und zieht Vergleiche zu den Umfragen von 2002 und 2012. Alles ist absolut anonym und streng vertraulich. Es können keine Rückschlüsse auf Personen gemacht werden.
Welche Antworten soll die Umfrage liefern?
Wir möchten die aktuelle Situation der Frauen kennen sowie Entwicklungen und Veränderungen aufzeigen. Zwischen den Jahren 2002 und 2012 konnten wir zum Beispiel eine Zunahme der ausserbetrieblichen Arbeit ausmachen. Natürlich wollen wir nun wissen, ob dieser Trend anhält. Indirekt hat das ja Auswirkungen auf die Absicherung der Frauen, da sie über die externen Abeitgeber(innen) versichert sind.
Uns interessiert aber auch, wie viele Frauen für die betriebliche Arbeit heutzutage entlöhnt werden und wie es ihnen heute geht. Letztlich möchten wir die Frauen stärken. Die Daten sind auch Grundlage für die frauenspezifische Berichterstattung, national wie auch international.
Hat sich aufgrund von Erkenntnissen aus Umfragen der Vorjahre etwas für die Frauen verändert?
Das kann man so sagen. Auf Basis der Studie von 2012 wurde 2016 ein Bundesratsbericht erstellt. Darin stand, dass die soziale Absicherung der Bäuerin häufig unzureichend sei und sich viele Frauen dessen aber nicht bewusst seien. So kam es, dass in die Agrarpolitik 2022+ Massnahmen für eine bessere soziale Absicherung einflossen.
Es ging auch eine Sensibilisierungskampagne von Bäuerinnenverband, Bauernverband und Beratung hervor. Damit wurde gezielt versucht, falsche Annahmen richtigzustellen. So meinten viele der befragten Frauen, durch ihre finanzielle Mitbeteiligung automatisch Miteigentümerin des Betriebs zu sein. Doch Miteigentümerin ist nur, wer im Grundbuch entsprechend eingetragen ist.
Weshalb soll ich als Bäuerin oder Landwirtin bei derUmfrage mitmachen?
Jede Stimme ist bedeutsam. Je mehr Frauen mitmachen, desto aussagekräftiger sind die Resultate. Jede Frau soll sich einfach frei fühlen, die gestellten Fragen offen und aus ihrer ganz persönlichen Sicht zu beantworten.
Zur Person
Esther Grossenbacher ist Agronomin ETH und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim BLW. Sie ist Projektleiterin der Frauen-in-der-Landwirtschaft-Studie 2022. [IMG 2]
