«Das Bundesverwaltungsgericht verkennt die Entwicklung der Wolfspopulation und fährt die betroffene Landwirtschaft und Bevölkerung an die Wand.» So lautet die Überschrift des ausführlichen Briefes, den der Verein «Schweiz zum Schutz der ländlichen Lebensräume vor Grossraubtieren» (VSLvGRT) an das Bundesverwaltungsgericht schreib.

«Mit grossem Unverständnis» habe der Verein den Entscheid der aufschiebenden Wirkung bei der Wolfsregulation in den Kantonen Graubünden und Wallis zur Kenntnis genommen, schreibt die Organisation.

Der Verein nimmt daher zu den folgenden drei Punkte Stellung, welche Umweltschutzverbände generell und teilweise auch in der Beschwerde eingebracht haben:

1. Der Abschuss von Wölfen schaffe eine irreversible Situation.
2. Die Umweltschutzverbände würden die gemäss Jagdgesetz legitime Wolfsregulation als Massaker bezeichnen.
3. Die Schutzmassnahmen für Nutztiere seien unzureichend.

Eine irreversible Situation schaffen?

Die Argumentation zu Punkt eins, dass der Abschuss von Wölfen eine irreversible Situation schaffe, betrachtet der Verein die Argumentation als «sehr fragwürdig», wie er schreibt. Der Wolfsbestand ist gemäss offiziellen Angaben der Bundesverwaltung von 15 Wolfsrudeln Ende 2021 auf 34 Wolfsrudel Ende 2023 angewachsen. «Diese massive Zunahme hat dazu geführt, dass die traditionelle Landwirtschaft mit der Nutzung der Frühjahrs- und Herbstweiden sowie der Alpwirtschaft während der Sommermonate in ihren Grundwerten erschüttert wird.»

Die Folge: Die Zunahme von nicht mehr genutzten Alpweiden und Wiesen aufgrund der Wolfsdichte nehme jährlich zu. Mit der Aufgabe dieser landwirtschaftlichen Nutzflächen wird zusätzlich auch der Biodiversität grosser Schaden zugefügt.

Ein «Massaker» an den Wölfen?

Zum zweiten Punkt, dass die gemäss Jagdgesetz legitime Wolfsregulation als Massaker bezeichnen werde, schreibt der Verein, das sei «reiner Populismus».  Aufgrund der Schäden an der Nutztierhaltung und den zunehmenden Ängsten in der Bevölkerung sind die vom Bundesamt für Umwelt erteilten (BAFU) Abschussverfügungen an die Kantone ein sehr wegweisender Entscheid.

Die vom BAFU bewilligten Abschussverfügungen sah vor, elf Wolfsrudel bis zum 31. Januar 2024 zu eliminieren. Damit verbleiben immer noch 23 Wolfsrudel in der Schweiz, so der Verein. Beziehen man sich auf das exponentielle Wachstum der Wölfe der letzten Jahre, könne davon ausgegangen werden, dass trotz Regulierung sich Ende Jahr 2024 wieder mindestens 30 Rudel in der Schweiz leben würden.

«Diese Zahlen verdeutlichen, dass die vom BAFU erteilten Abschussverfügungen nicht, wie von den Umweltorganisationen behauptet, ein Massaker an der Wolfspopulation, sondern vielmehr eine absolut notwendige Regulation darstellen», heisst es im Schreiben.

Unzureichender Herdenschutz?

Zum Punkt drei, dass die Schutzmassnahmen für Nutztiere unzureichend seien, verweist der Verein auf die grossen finanziellen und personellen Anstrengungen, die schweizweit unternommen worden seien. «Die betroffene Landwirtschaft ist nicht weiter bereit, noch mehr Aufwand in den Herdenschutz zu investieren.» Er weist weiter darauf hin, dass es viele Alp-, Frühjahrs- und Herbstweiden gebe, die aufgrund ihrer topografischen Lage nicht schützbar seien. Für den Verein ist «der vom BAFU aufgezwungene Herdenschutz gescheitert.»

Hohe Kosten pro Wolf

Der Verein hält in seinem Schreiben fest, dass der Bund und die Kantone im Jahr 2023 allein 13,5 Millionen Franken für Herdenschutzmassnahmen gesprochen haben. «Diese 13,5 Millionen Franken Bundesgelder für die Herdenschutzmassnahmen ergeben mit 300 Wölfen einen Kostenaufwand von Franken 45000 Franken pro Wolf und Jahr für den Herdenschutz.» Die unzähligen Stunden Mehrarbeit und weitere finanzielle Aufwendungen der Landwirtschaft seien in diesem Kostenaufwand noch nicht eingerechnet. Die Umweltschutzverbände würden Herdenschutzmassnahmen fordern, die die Haltung der Nutztierarten so weit einzuschränken, dass sie im Widerspruch zum Tierwohl und der Tiergesundheit stehe.

Weniger Schafe auf den Alpen

Laut Wolfsschutzorganisationen sind die Wolfsangriffe auf Nutztiere im Jahr 2023 im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangen, dank den verbesserten Herdenschutzmassnahmen zurückgegangen. Dem hält der Verein entgegen, dass gemäss Statistiken in den Kantone Wallis und Graubünden seit der Rückkehr des Wolfes einen Rückgang der gesömmerten Schafe um elf beziehungsweise zwölf Prozent verzeichnet. «Der Hauptgrund dieses Rückganges liegt darin, dass rund 20 Prozent der Schafalpen in diesen beiden Kantonen nach Wolfsangriffen abgealpt oder nicht mehr bestossen wurden.»

Mit dieser Entwicklung würde der Verbuschung und Vergandung Tür und Tor geöffnet. Zudem nehme das Risiko von Murgängen, Lawinen, Erdrutschen und weiteren Naturereignissen in den nächsten Jahren massiv zu. Auch würde ein Teil der Kulturlandschaft und der geschützten Nutztierrassen verschwinden. «Dem Landschaftsbild und damit auch der touristischen Entwicklung wird grosser Schaden zugeführt und die einheimische Produktion und Versorgungssicherheit wird weiter geschwächt.»

Den vollständigen Brief können Sie hier lesen.