Selten blieb es im Saal nach einem Referat so lange still wie bei Manfred Bötsch, der sich als Gastreferent bei den Kartoffelproduzenten nicht nur als Schnellredner, sondern auch als Schnelldenker vorstellte. «Seid ihr alle ein bisschen erschlagen?», fragte der Gastgeber und Präsident der Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten (VSKP) Ruedi Fischer nach dem Referat lachend in die Runde. Nach dem Rundumschlag von Bötsch erübrigten sich Fragen jedoch weitgehend.

Nicht auf Politik verlassen

[IMG 2]Der ehemalige Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) riet den Landwirten, sich nicht auf die Politik zu verlassen. Diese sei zu langsam im Erkennen von Problemen und dem Finden von mehrheitsfähigen Lösungen. So betonte Manfred Bötsch: «Das Direktzahlungssystem, wie wir es heute kennen, ist mit seinem Latein am Ende.» Die Fülle der neuen Massnahmen, die sogar ihn überforderten, zeigten dies. So richte man sich immer mehr nach einseitigen Forderungen einzelner Gruppen, die maximalen Tierschutz, maximalen Artenschutz, keine Nutztiere, keine Grossbetriebe, keine Pflanzenschutzmittel und keine Emissionen wollen. Frage man den Konsumenten, dann wolle dieser Produkte, die makellos, frisch, aus alten Sorten aus der Region und erst noch billig seien. «Diese radikalen Ideen kennen nur Gut und Böse, Schwarz und Weiss und lassen sich in den Medien gut vermarkten», gab Manfred Bötsch zu bedenken.

Ressourcen schonen

Während die Produktion Extremforderungen mit immer extremeren Massnahmen zu erfüllen versucht, ist das breite gesellschaftliche Bedürfnis ein anderes, und zwar Ressourcen- und Klimaschonung. Die immer strikteren Regeln für Bio führten nicht zum Ziel, betonte nun Manfred Bötsch: «Bei den Problematiken bezüglich Ressourcen und Klimaschonung ist die Antwort nicht der Biolandbau.» Die Antwort hätten wohl Wirtschaft und Innovationstreiber bereits gefunden, nämlich sogenannte Meta-Labels wie Eco-Score, Planet-Score oder M-Check. Diese setzen auf Ausgewogenheit und beziehen die gesamte Wertschöpfungskette mit ein. Vermutlich gehe es in Richtung Permakultur, Regenerative Landwirtschaft oder Vertical Farming.

Was einen Markt hat, kommt

Wer sich von der Agrarpolitik vor sich her treiben lasse, sei zu spät, um erfolgreich am Markt zu agieren. «Wenn die Konsumenten eine Kartoffelmilch trinken wollen, dann produziert diese», so Bötsch. «Alles, was einen Markt und eine Nachfrage hat, kommt. Wichtig ist, dass ihr es produziert und die Wertschöpfung bei euch ankommt», betonte er. Der Landwirt als reiner Rohstofflieferant sei überholt. «Ihr könnt viel mehr, seid Biodiversitätsförderer, CO2-Speicherunternehmen, Energiewirt, Re- und Upcycler, Sportgerätevermieter, Verarbeiter, Vermarkter und hoffentlich bald Idol und Influencer», so Bötsch. Die zunehmende Entfremdung der Gesellschaft vom Agrarischen habe mit sich gebracht, dass das Vertrauen fehle, Essen zur Ersatzreligion werde und die kulinarische Kompetenz sinke.

Vorschriften frustrieren

Innovationstreiber sei jeder Einzelne, der seinen Hof auf die Bedürfnisse der Gesellschaft ausrichte. Die Landwirtschaft müsse offensiv werden. «Lasst euch messen an Zielen, die ihr erreicht», betonte Bötsch, dabei gehe es um Ziele für Unternehmer und nicht um Massnahmen für Bürokraten. Wo Unternehmer am Werk seien, da gebe es nicht nur eine Lösung. Ziele würden zu Leistungen und Kreativität anspornen, während Vorschriften nur frustrierten. Die Aufgabe der Politik sieht er darin, dass sie die Leitplanken definiert und nicht Möglichkeiten mit Vorschriften verbaut. Der Fortschritt entstehe bei innovativen, agilen Köpfen, die mit Inspiration, Geschick, Passion, Offenheit und Führungsqualitäten der Zeit voraus seien. Während die Agrarpolitik von aufwendigen politischen Prozessen und «Beharrungstätern» geprägt sei. So erinnerte Manfred Bötsch an die Anfänge der künstlichen Besamung, als sich deren Verfechter noch gegen religiöse Kreise durchsetzen mussten.

Grenzen der Label

Das System sei dynamisch. So warnte er vor wohlklingenden, aber marketinggetriebenen Labels: «Diese liefern nicht, was suggeriert wird», betonte er. Es mache keinen Sinn, mit subventionierten Krediten Strukturen zu zementieren oder Überkapazitäten zu schaffen. Die Wertschöpfung liege nicht im Beton, sondern im coolen Produkt oder im Erlebnis, im Vertrauen des Konsumenten.

 

Zwei neue im Vorstand
Die Vereinigung Schweizerischer Kartoffelproduzenten (VKSP) musste mit Daniel Erb aus Schlatt TG und Christoph Frei aus Aesch ZH zwei langjährige Vorstandsmitglieder verabschieden. Beide haben als Schwergewichte der Kartoffelbranche in der Kommis­sion Markt manche Preisverhandlung geführt. Erb war seit 2005 im Vorstand und seit 2014 amtete er als Vizepräsident. Frei war seit 2011 im Vorstand. Als ihre Nachfolger wählte die Mitgliederversammlung am Dienstag Thomas Keller aus Hüttwilen TG sowie Albert Meier aus Eglisau ZH