«Ich möchte zeigen, dass Biodiversität sehr viel mit Freude und einem guten Einkommen zu tun hat.» So begrüsste Thomas Baumann Medienschaffende auf seinem Biohof Galegge in Suhr AG. Eingeladen hatte die Agrarallianz, um ausdrücklich «abseits des Debattenlärms» der bevorstehenden Abstimmung die Biodiversität zu thematisieren.
Einträglichster Betriebszweig
Für ihn sei die Biodiversität neben Ziegen, deren Milch auf dem Hof verkäst wird, Ackerbau und Direktvermarktung einer von vier Betriebszweigen, erklärte Thomas Baumann. Der Biobauer weist diese «Landschaftspflege» in der Buchhaltung einzeln aus. «Dieser Betriebszweig ist seit Jahren der einträglichste», bemerkte er.
Baumann sieht sich durchaus als Unternehmer. Die Pflege von BFF müsse möglichst effizient gehalten werden, da sich die Beiträge nicht nach dem effektiven Arbeitsaufwand bemessen – das sei kein «Blüemlipuur-Zügs». «Ich habe da aber ein wenig ideologisches Verständnis», meinte der Aargauer. «Es ist mir egal, ob ich einen Vertrag für den Verkauf von Blaukohl an die Fenaco habe oder via Direktzahlungen einen Vertrag mit dem Bund.» Wirtschaftlich gesehen sei Letzteres sogar besser. Denn geliefertes Gemüse könne jederzeit wegen Mängeln zurückgewiesen werden, während eine Verpflichtung für eine BFF während Jahren die entsprechenden Beiträge sichere. «Das ist ein klarer Vorteil und es gibt Sicherheit in der Betriebsplanung, dass ein Teil des Einkommens konstant ist.» Neben ihm biete die Galegge zwei Frauen in einer Art Betriebsgemeinschaft ein Auskommen.
«Ich will grosse, gut bewirtschaftbare Ackerflächen.»
Thomas Baumann arbeitet auf 1 bis 1,5 ha grossen Rechtecken.
Keine Parole, aber fünf Punkte
Die Agrarallianz fasst keine Parole zur Biodiversitäts-Initiative. Das Thema sei aber «zu wichtig, um einem emotional geführten Abstimmungskampf zum Opfer zu fallen». Daher stelle man fünf Punkte jenseits von Ja und Nein klar:
1. Der Handlungsbedarf sei unbestritten.
2. Ohne Biodiversität keine Landwirtschaft.
3. Biodiversitätsförderung und Produktion von Nahrungsmitteln gehen Hand in Hand.
4. Beratung als Schlüssel zum Erfolg.
5. Biodiversitätsförderung gehe alle Sektoren an.
Die Pressefahrt Mitte August führte ausser auf den Hof Galegge auch auf den Haldenhof. Demeter-Landwirt Kurt Brunner setzt in Hallwil AG auf konsequente Direktvermarktung, breite Verarbeitung auf dem Hof, Diversifizierung und Tiere aus eigener Nachzucht (auch Hühner).
Felder rechteckig angelegt
Einerseits akzeptiert Thomas Baumann Mehraufwände zugunsten der Biodiversität. Wie etwa der gekieste Hofplatz, der sich nicht mit einem Palettrolli befahren lässt, oder die riesige Platane, die «eigentlich im Weg steht», aber als Schattenspender zur Lebensqualität beitrage. Andererseits teilt der ETH-Agronom seine Ackerflächen konsequent rechteckig in Schläge zu 1 bis 1,5 ha auf. «Ich will grosse, gut bewirtschaftbare Felder», stellt er klar. Die Restflächen dazwischen widmet er der Biodiversität. Da stehen etwa eine Hecke, eine Buntbrache, ein Steinhaufen. Einen positiven Effekt punkto Schädlingsregulation auf benachbarten Äckern stellt der Agronom zwar nicht fest, es seien aber z. B. Goldammer und Neuntöter zurückgekehrt. «Das sind Wirkungen, die ich sehe – und es ist für einen Bauer eine Freude, neben der Produktion diesen Tieren eine Heimat zu geben.»
Besonders auffällig ist die Lösung des Aargauers für eine mühsame Fläche an einem Uferweg. Diesen Weg hat Thomas Baumann zusammen mit der Gemeinde versetzen lassen und auf 50 a mit mehreren Teichen einen Lebensraum für Kreuzkröten geschaffen. «Diese Kröten hüpfen nicht, sie brauchen daher tiefe Vegetation», erläuterte er. Dafür sorgen drei Schweine, die sich in den Teichen suhlen, ihren Wühltrieb ausleben und mit losem Material ihre Schlafplätze polstern. «Am ersten Tag hatten die Ferkel einen Sonnenbrand», erinnert sich Baumann. «Am zweiten haben sie gelernt, sich mit Suhlen zu schützen.» Trotz der extensiven Fütterung (einmal pro Tag mit Molke und Resten aus einer Bäckerei) nahmen die Schweine schnell zu. Baumann hofft, dass die Spaziergänger als Konsumenten mehr Wertschätzung für Fleisch zeigen, wenn sie Tiere aufwachsen sehen. Gleichzeitig bewirtschaftet er so eine Naturschutzfläche. «Ich finde es legitim, mit einer Fläche möglichst viele Beiträge zu generieren», sagt Baumann. Es gehe um Leistungen für die Allgemeinheit, die so abgegolten werden.
Eine Art Lebensversicherung
Dass Thomas Baumann BFF als Leistung für die Allgemeinheit versteht, trägt zu seiner Freude daran bei. Er sehe es gern, wenn Leute durch die von ihm bewusst gestaltete Landschaft spazieren, einmal Halt machen oder im naturnah gehaltenen Karpfenteich baden. «Hier hat man nicht das Gefühl, im grössten Agglomerationsbrei zu sein», findet der Agronom. Das stärke bei der Bevölkerung die Identifikation mit der Landschaft – inklusive Landwirtschaftsflächen. Baumann führt es auch auf dieses Gefühl der Zugehörigkeit zurück, dass an einer Gemeindeversammlung eine zusätzliche Umzonung in Bauland keine Mehrheit fand. Obwohl das sicherlich weitere Steuerzahler an-gelockt hätte. Der Bevölkerung die Landwirtschaft näherzubringen, sieht der Aargauer daher als eine Art Lebensversicherung für die Betriebe.
«Für mich ist es eine grosse Befriedigung, dank Direktzahlungen und Beiträgen so etwas anbieten zu können», sagt Baumann zum Naherholungsgebiet, zu dem er sein Land geformt hat. 60 % seiner LN seien BFF, «möglichst alles Q II». In der Ebene ist sein Fokus aber die Produktion von Lebensmitteln für die direkte menschliche Ernährung, die auf 80 bis 90 % der geraden Flächen stattfindet. 10 bis 20 % dienen explizit der Biodiversität. «An steileren Lagen in den Hügeln ist es umgekehrt», so der Agronom. Dort weiden die Ziegen der Galegge.
«Man kann wählen»
«Es wird immer über das agrarpolitische System geflucht. Aber man kann wählen, voll zu produzieren oder BFF und Produktion zu kombinieren», gibt Thomas Baumann zu bedenken. Zentral für eine erfolgreiche Biodiversitätsförderung sei eine gute Beratung. «Angesichts der wissenschaftlichen Fakten zum Rückgang der Biodiversität ist es wichtig, die Möglichkeiten des Bundes zu nutzen und sie unideologisch umzusetzen», findet er.
Betriebsspiegel Hof Galegge
LN: 39 ha, davon 11 ha Ackerbau
Kulturen: Saison- und Lagergemüse, Weizen, Dinkel, Futterhafer, Speisehirse, Schnittblumen
Tierbestand: 20 Milchziegen, 3 Schweine, Karpfen im 3000 m2 grossen Teich
Vermarktung: Teilweise direkt via Hofladen und Markt (Gemüse, Brot, Ziegenkäse)
Arbeitskräfte: Thomas Baumann (Ziegen, Ackerbau, Biodiversität), Susanne Klemenz (Käse), Annelies Keller (Gemüse, Brot, Direktvermarktung), Praktikantin, saisonale Helfer