Ist der Tisch im Wald zu reich gedeckt für das Wild? Und braucht es deshalb eine stärkere Regulierung des Wildes, damit der Wald seine Funktionen erfüllen und klimafitter getrimmt werden kann? Einig ist sich die Fachwelt, dass sich der Wildeinfluss auf den Wald in den letzten Jahren verstärkt hat.

Verbiss gefährdet Wuchs

Diskussionen gibt es, wenn Jäger und Wildhüter der Meinung sind, die Schalenwildbestände würden kein Problem für die Waldverjüngung darstellen, anderseits Forstfachleute aber zu grossen Verbiss vor allem an zukunftsfähigen Baumarten beklagen. Die Klimaveränderungen bedingen einen Umbau der Waldbestände, der werde durch zu viel Schalenwild aber behindert. Im Fokus stehen Rehe, Rothirsche und Gämsen, die eine Vorliebe hätten für förderungswürdige und trockenheitsresistente Baumarten wie Eiche, Kirsche, Ahorn und Tanne, wie aktuelle Studien der Forschungsanstalt Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zeigen.

Bestände nehmen zu

An einer unlängst stattgefundenen Veranstaltung von Luzerner Waldeigentümern wurde kritisiert, dass einige Jagdreviere die Regulation der Schalenwildbestände auf ein waldverträgliches Niveau nicht unterstützen, diese die vereinbarten Abschussziele qualitativ wie quantitativ nicht erfüllen. Es wurde gar befürchtet, dass die Jäger an möglichst grossen Beständen interessiert seien, der Einfluss auf den Wald für sie hingegen vernachlässigbar sei. Gemäss Aussagen von Fachleuten nehmen die Schalenwildbestände zu, Gämsen sind in Hügelgebieten – so im Napfgebiet – regelmässig in grösseren Gruppen bis 30 Tiere zu beobachten. Rotwild besiedelt kontinuierlich das Mittelland, was gemäss Kantonsstrategie gewollt sei, und die Rehwildbestände bewegen sich in den Tal- und mittleren Lagen auf hohem Niveau.

Mehr Verbissschäden

Dies seien Tendenzen, welche die Verbissschäden und damit den Druck in den Wäldern erhöhen. Laut den aktuellen Ergebnissen der provisorischen Jagdstatistik 2023 erreichte die Jagd beim Rotwild mit 197 Tieren das Regulationsziel (190), insbesondere auch qualitativ bezüglich Geschlechterverhältnis, gemäss Mitteilung der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa). Bei der Gämse hingegen wurden nur knapp 80 Prozent des Regulationszieles erreicht. Regional seien die Unterschiede in der Erfüllung des Abschussplans bei dieser Art gross, zum Teil auch bedingt durch die Gämsblindheit in den vergangenen Jahren. Das Thema Wild und Wald beschäftigt auch die Politik. Angenommen gegen den Willen des Bundesrates hat das Parlament letztes Jahr das Postulat des ehemaligen Schwyzer Ständerats Othmar Reichmuth mit dem Titel «Zukunftsfähige Wälder sind nur mit gesetzeskonformem Wildverbiss möglich». Vor allem im Alpenraum sei der Wildeinfluss zu gross und müsse reduziert werden, um die Verjüngung des Waldes zu gewährleisten.

Letzten Herbst wurden im Luzerner Kantonsrat gleich zwei Vorstösse eingereicht. So das Postulat von Ruedi Amrein für die «Prüfung von Massnahmen zur Reduktion des Wilddruckes zum Schutze einer nachhaltigen Waldentwicklung». Und in einer Anfrage will Guido Roos unter anderem wissen, wie sich die (illegale) Freizeitnutzung im Wald auf die Verbisssituation auswirke.

Waldverjüngung gefährdet

Die Antworten der Regierung liegen noch nicht vor, die Lawa weist aber darauf hin, dass die Waldverjüngung durch den Einfluss von Reh, Gams und Rotwild im Kanton Luzern teilweise gefährdet sei. Anderseits stünden auch die Lebensräume dieser Tiere unter Druck. Im Luzerner Massnahmenplan Klima und Energie ist die Senkung des Wildeinflusses auf den Wald vorgesehen.

Gemeinsame Lösungen

Deshalb starte noch in diesem Jahr 2024 ein Projekt mit Wald Luzern, Revierjagd Luzern, dem Verband der Luzerner Korporationen, Verband der Luzerner Gemeinden und Naturschutzorganisationen.

Dabei sollen Lösungen zur Senkung des Wildeinflusses auf den Wald erarbeitet werden. Dazu müssten allenfalls auch das Wald- und das Jagdgesetz angepasst werden. Die Projektgruppe werde jeweils nach den Workshops vom März und Juni 2024 informieren.

Auch bei Wald Schweiz sind Arbeitsgruppen an der Aufarbeitung der Thematik Wald und Jagd. Und für September ist ein nationaler Kongress über «Wald und Wild» vorgesehen.