«Amtlich tolerierte Umweltverschmutzung. Die Gülle des sehr hohen Tierbestandes schädigt Seen, den Wald und die Menschen. Die Behörden vollziehen die Umweltgesetze nicht.» So die Schlagzeilen im Begleitbericht zur «Dok»-TV-Sendung «Unser täglich Fleisch – von Gülle, Jobs und Umweltschäden», ausgestrahlt auf SRF 1. Begleitet wurde das Thema in einem Beitrag gleichentags im «10 vor 10».

Berichtet wird in der «Dok»-Sendung über das kurze Leben von Ferkel Nummer 6003 von Schweinezüchter Arthur Röösli aus Hohenrain LU. Nach rund vier Monaten ist Schluss, die beiden Schweinehälften hängen in der Metzgerei, bereit für den Fleischkonsum. Das Luzerner «Schweinevalley» generiere mit Bauernhöfen, Futtermühlen, Tier- und Gülletransporteuren und Schlachthöfen einen Umsatz von einer Milliarde Franken.

Gesetz nicht eingehalten

Die Umwelt zahle einen Preis: Der Baldeggersee sei überdüngt, werde seit 40 Jahren künstlich belüftet. Dasselbe Schicksal würden Sempacher- und Hallwilersee teilen. In der Dokumentation auf der SRF-News-App wird dann ausführlich aufgezeigt, wie die Seen durch Gülleaustrag verschmutzt werden, wie Phosphor zum Algenwachstum beiträgt und dass beim Abbau dieser Algen viel Sauerstoff benötigt wird und dieser dem See wieder künstlich zugeführt werden muss. Und das Ammoniak aus der Gülle schädige die Luft, bilde Feinstaub und schädige die Wälder. Und zu viel Gülle-Stickstoff im Boden bilde Nitrat, das könne das Trinkwasser verunreinigen. Viele Millionen Steuerfranken habe die Sanierung der Seen bisher gekostet, erreicht worden sei wenig. Die Umweltziele würden seit vielen Jahren verpasst. Der Kanton Luzern missachte seit Jahrzehnten das Gewässerschutzgesetz. Bei geforderten Massnahmen würden Beamte und Bauern bremsen. Der Bund setze nun auf weniger Fleischkonsum, dieser soll laut Agroscope um 70 Prozent sinken.

SBV interveniert

Die Sendung hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst, in den sozialen Medien viele kritische gegen die Landwirtschaft. Und bei vielen Bauern viel Wut und Unverständnis.

«Wir sind entsetzt über die «Dok»-Sendung und den Auszug im ‹10 vor 10›», betont Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband (SBV). Der Beitrag entspreche nicht den Vorgaben von SRF an journalistische Ausgewogenheit, die eine eigene Meinungsbildung zulasse. Der Beitrag sei nur negativ, die positiven Entwicklungen der Landwirtschaft für Tierwohl und Emissionen würden nicht aufgezeigt. Man gewinne den Eindruck, dass die Journalistin eine im Vorhinein feststehende Geschichte im Kopf gehabt und umgesetzt habe.

Bezüglich «Dok»-Sendung plane der SBV eine offizielle Beanstandung bei SRG, mit Bezug auf das nicht eingehaltene «Sachgerechtigkeitsgebot». Die Zuschauer seien völlig einseitig informiert worden. Der SBV fordert von SRF zudem ein Gespräch auf Führungsebene, zumal die erwähnten Sendungen nicht die einzigen seien, wo SRF tendenziös berichtet habe.

SRF wies im «20 Minuten» die Kritik des SBV zurück, der «Dok»- und der «10 vor 10»-Beitrag würden die Ambivalenz der Fleischproduktion aufzeigen. Und die Beiträge entsprächen den publizistischen Leitlinien von SRF.

LBV will informieren

Seit Tagen sehr viele Reaktionen erhalten hat Markus Kretz, Präsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbandes (LBV), «von entsetzten Bauern, die nun Erwartungen an den LBV haben». In einer sofortigen Chat-Information an die Gemeindeverantwortlichen wurden die Bauern gebeten, den Ball flach zu halten und Diskussionen sachlich und nicht emotional zu führen. Der Verband werde kurzfristig ein Argumentarium mit Fakten zu dieser Thematik erstellen, zumal eben die TV-Berichte auch mehrfach Falschinformationen enthielten.

Fakten unterschlagen

Kretz weist auf die rückläufigen Tierbestände hin, ausser bei Geflügel. Die vorhandene Tierdichte um die Mittellandseen habe mit der Seeproblematik nichts zu tun. Er weist auf die Import-Export-Bilanz hin, welche die Bauern rechnen müssen, und dass bei Bedarf Hofdünger vom Betrieb wegzuführen sei in Regionen mit einem Manko, was Kunstdünger spare. Schon heute dürfe in den Seegebieten weniger als die Norm gedüngt werden. Der Phosphorgehalt sei in den vergangenen Jahrzehnten markant gesunken, liege heute auch beim Baldeggersee nahe beim Zielbereich.

Das Problem in den Seen sei der fehlende Sauerstoff, wegen Altlasten wie Sedimentschichten, welche die Gesellschaft zu verantworten habe. Falsch seien auch Behauptungen zum Vorkommen von Burgunderblutalgen, welche nicht nährstoffreiche, sondern nährstoffärmere Gewässer bevorzugen. Kaum ein Thema sei auch die nicht zu unterschätzende noch heutige Entlastung von Siedlungsabwässern in die Seen bei Starkregen wegen fehlenden Trennsystemen. Die Landwirtschaft sei nur eines von vielen Puzzlesteinen zur Lösung der Seeproblematik.

Kommentar von Josef Scherer
 
News-Konsum

Unsere tägliche Desinformation gib uns heute. Wen wunderts, wenn immer mehr Leute fordern, der SRG müssten die Mittel gekürzt werden. Seit der Ausstrahlung der TV-Sendung «Dok» über Gülle und Fleischproduktion dürften es auch einige Bauern mehr sein, die so denken. Die heutige Informationsvermittlung wird problematischer, da muss sich allerdings jeder News-Konsument selber an der Nase nehmen. Gefragt sind Kurzmeldungen, Schwarz-Weiss-Haltungen ohne Hintergründe, die der Komplexität heutiger Probleme keineswegs gerecht werden. So bleibt Objektivität oft auf der Strecke. Social Media tragen dazu bei. Was ist Wahrheit, was sind Fake News?[IMG 2]

Der Dok-Bericht und die Recherchen dazu sind populär gemacht, auf Medienkonsumenten mit beschränktem landwirtschaftlichem Fachwissen ausgerichtet. So werden nur wenige Leute die «Fakten» hinterfragen, unterliegen dem suggerierten Bild der umweltzerstörenden Landwirtschaft. Und über die kommenden Festtage wird munter der gewissenlosen Konsumvöllerei gefrönt. Mit Rindsfilet in Aktion aus Uruguay und eingeflogenen Tropenfrüchten. Frohe Weihnachten und ein hoffentlich gewissenhafteres neues Jahr!