Ein Grossteil der Schweizer Hochspannungsleitungen muss in den nächsten Jahren erneuert werden. Um den Um- und Ausbau der Stromnetze zu beschleunigen, hat der Bundesrat im Mai eine Revision des Elektrizitätsgesetzes verabschiedet. Viele Leitungen seien über 50 Jahre alt, die technische Lebensdauer liege bei 80 Jahren, heisst es in einer Medienmitteilung der Regierung. Dazu komme der erhöhte Strombedarf durch Elektrifizierung und Dekarbonisierung vieler Lebensbereiche. Langjährige Bewilligungsverfahren für Leitungsprojekte könnten da Engpässe im Netz verursachen, so die Befürchtung.

Ursprünglich sah der Bundesrat deshalb vor, ein Freileitungsprinzip im revidierten Gesetz zu verankern. Demnach hätte der Bau von über Masten geführten, überirdischen Leitungen Priorität gehabt. Kritisiert worden war dies unter anderem vom Schweizer Bauernverband (SBV), der dadurch Nachteile für die Besitzer von betroffenem Kulturland befürchtete. Nach der Vernehmlassung hat der Bundesrat auf das Freileitungsprinzip verzichtet.

Kulturland unter Druck

Für die Landwirtschaft sei das positiv, sagt SBV-Sprecherin Sandra Helfenstein. «Erdkabel tragen dazu bei, das Landschaftsbild zu schonen und negative Auswirkungen auf landwirtschaftliche Flächen zu minimieren», argumentiert sie. Ausserdem hätte das Freileitungsprinzip Innovationen bei Technologien verhindert, die eine Reduktion des Flächenverbrauchs ermöglichen. Die Wahl zwischen Freileitung oder Erdkabel müsse stets auf einer sorgfältigen Interessenabwägung basieren, bei der die landwirtschaftliche Nutzung als öffentliches Interesse berücksichtigt werde, erläutert sie die Position des SBV.

Trotz des Entgegenkommens des Bundesrates beim Freileitungsprinzip bestehe aber nach wie vor die Gefahr, dass das Kulturland durch die Beschleunigung der Verfahren verstärkt unter Druck komme, so Helfenstein. «Aus Sicht des SBV muss der Erhalt der LN ein zentrales Anliegen bleiben – auch bei dringlichen Infrastrukturprojekten.»

Insgesamt gehe die Revision des Elektrizitätsgesetzes aber in die richtige Richtung, so die Einschätzung des Bauernverbandes. «Umwelt- und Raumplanungsaspekte werden besser gewichtet», so die Einschätzung. Und die Koordination mit anderen Bewilligungsverfahren werde verbessert. Bedenken habe der SBV nach wie vor im Hinblick auf den Schutz des Kulturlandes und die frühzeitige Einbindung der betroffenen Landwirte in die Planung.

Betriebe entscheiden

Eine Umstellung bringt für die Landwirtschaft auch das Stromabkommen mit der Europäischen Union, dessen Eckwerte der Bundesrat ebenfalls im Mai festgesetzt hat. Dieses sieht im Wesentlichen eine Öffnung des Schweizer Strommarkts und damit eine teilweise Liberalisierung vor. Dabei können Privathaushalte und Betriebe mit einem Verbrauch von weniger als 50 Megawattstunden pro Jahr aber wie bisher in der Grundversorgung bleiben. Der durchschnittliche Verbrauch von landwirtschaftlichen Betrieben liege unter diesem Schwellenwert, sagt Sandra Helfenstein. Diese Betriebe könnten damit selbst entscheiden, ob sie in der Grundversorgung bleiben oder sich am freien Markt eindecken wollten.

Neue Risiken dürfte das Stromabkommen aber für die Produzenten bringen. Es bestehe die Gefahr, dass die Preise für ins Netz eingespeisten Strom sehr instabil werden könnten, warnt Sandra Helfenstein. Im Solarbereich könnten die ab 2026 garantierten Minimalvergütungen wegfallen. Dies führe das Risiko negativer Preise mit sich.