Es sind keine besonderen Dekorationen, die den Blick durch dieses Schaufenster anziehen, sondern die vielen riesigen Glasbehälter im Innern des Ladens mit den unterschiedlichsten Inhalten: Da gibt es Flocken, Körner und Nüsse zu sehen, gleich daneben ein breites Angebot an Gewürzen. "Bare Ware" heisst dieser Laden in der Winterthurer Altstadt, wo man die Verpackung am besten selbst mitnimmt und sie mit dem gewünschten Inhalt füllt.
"Dahinter steckt die Idee, möglichst auf Verpackungsmaterial zu verzichten. Dabei ist vor allem Plastik ein grosses Problem. Es gefährdet Tiere, die es verschlucken, wie auch Menschen, die es beim Konsumieren in den Körper aufnehmen", stellt die Co-Gründerin Adriana Puente fest. "Dazu kommt, dass die Verpackung elf Prozent des CO2-Ausstosses eines Produkts ausmacht."
Da nicht jeder Kunde ein geeignetes Gefäss dabei hat, gibt es Gläser für ein Depot von vier Franken, so Puente. Auch kann man Baumwollbeutel kaufen. Beliebt seien auch die wiederverwendbaren Bienenwachstücher aus Schweizer Produktion, welche dazu dienen, Lebensmittel, wie etwa Sandwiches, aufzubewahren. Verzichtet wird dagegen auf Papierbeutel, mit Ausnahme von ein paar bereits verwendeten, die in einem Korb neben der Kasse bereitliegen.
Das Unverpackt-Konzept ist preisgekrönt
Doch bei "Bare Ware" geht es nicht nur um die Verpackung, sondern auch um den Inhalt: "Uns ist wichtig, dass die Produkte nachhaltig, fair und möglichst regional produziert werden. Zudem möchten wir den Direkthandel fördern. Kommt ein Produkt von weit her, achten wir darauf, dass die Transporte CO2-neutral sind."
Im Angebot stehen ausserdem saisonale Früchte und Gemüse, Getreide, Öl, alkoholische Getränke, Kolonialwaren sowie auch einige Non-Food-Artikel. "Unser Sortiment umfasst fast alles, was man im Alltag braucht", sagt Adriana Puente. Bestseller seien die verschiedenen Müesliflocken aus dem Inland, Trockenfrüchte sowie das Olivenöl aus Griechenland. Beliebt ist ebenfalls ein festes Shampoo, welches besonders hautfreundlich ist und im Kanton Appenzell hergestellt wird.
Adriana Puente kommt aus Mexiko, wo sie Kommunikation studiert und später einen Master in Umweltwissenschaften angehängt hat. Sie kaufe schon seit vielen Jahren Bioprodukte, doch sie habe sich immer daran gestört, dass auch bei ökologischen Produkten viel Plastik verwendet wird. Als sie vor ein paar Jahren einen Schweizer heiratete und nach Winterthur zog, suchte sie eine Aufgabe im Umweltbereich. In Frankreich sah sie erstmals einen Laden, der Produkte unverpackt verkauft. In Zürich nahm Puente an einem WWF-Projekt teil, wo sie dieses Konzept vorstellte und damit auf Interesse stiess. In diesem Umfeld lernte sie Iris Huber kennen, eine Winterthurer Umweltnaturwissenschaftlerin, welche ebenfalls die Idee eines Unverpackt-Ladens in Winterthur hatte.
Wachsendes Interesse an abfallarmem Einkaufen
Die beiden Frauen taten sich zusammen und nahmen im Juni 2016 an der Klimalandsgemeinde in Winterthur teil, wo ihr Projekt vom Publikum zum Sieger gekürt wurde. Es wurde immer konkreter: Ein Online-Crowdfunding wurde zum Riesenerfolg, und im März 2017 war der Laden an der Winterthurer Steinberggasse bereit zur Eröffnung. Doch am Abend vor dem grossen Eröffnungsfest gab es einen Wasserschaden in einem oberen Stockwerk, das Ladenlokal wurde mit einem Schlag renovationsbedürftig.
"Das Fest fand dennoch statt, die Gäste durften sich von den bereits vorhandenen Produkten bedienen. Den Rest haben wir ebenfalls verschenkt", erzählt Adriana Puente. Glück im Unglück: Das Ereignis habe sich schnell herumgesprochen, bei der Eröffnung zwei Monate später sei "Bare Ware" bereits weitherum bekannt gewesen. Seither sind zweieinhalb Jahre vergangen. Die Umweltwissenschaftlerin zeigt sich sehr zufrieden mit dem Geschäftsverlauf: "Es kommen immer mehr Leute. Wir stellen ein wachsendes Bedürfnis fest, abfallarm und nachhaltig zu konsumieren." Viele Kunden sind im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Eine Mehrheit kauft bewusst nachhaltig ein.
Aufwendige Recherchen zu Inhaltsstoffen
Eine Besonderheit bei "Bare Ware" ist auch, dass der Käufer selbst abfüllen und abwägen darf. Wer sich mit dem Ladenkonzept nicht auskennt, wird gerne beraten. Das Team, das nebst den beiden Gründerinnen aus mehr als 12 Teilzeitmitarbeiterinnen besteht, ist gut informiert. "Wir wollen verkaufen, was wir versprechen. Daher tragen wir eine grosse Verantwortung gegenüber der Kundschaft", sagt Adriana Puente. "Mein Wunsch ist es, dass man entspannt nachhaltig einkaufen kann, ohne zuerst die Etikette genau studieren zu müssen."
Bevor ein Produkt ins Sortiment aufgenommen wird, so Puente, prüft das Ladenteam, woher es stammt und was darin enthalten ist. Dies kann zu aufwendigen Recherchen führen. So sind einige Inhaltsstoffe wie etwa Palmöl manchmal verdeckt aufgeführt, beispielsweise als Glycerin, das sonst gemeinhin als Erdölprodukt gilt. "Doch Palmöl an sich muss nicht problematisch sein, es kommt auch drauf an, ob es nachhaltig produziert ist. Dann hat es unter Umständen eine bessere Ökobilanz als Sonnenblumenöl, welches weniger ertragreich ist", erklärt Puente. Was im Endeffekt nachhaltig ist, sei häufig nur in sehr komplexen Zusammenhängen zu verstehen, sie lerne selbst laufend hinzu, gibt sie zu bedenken. Es habe auch schon Produkte gegeben, die ausgewechselt wurden, weil man zwischenzeitlich besser Bescheid wusste. Im Laden hat es eine Tafel, auf welche die Kunden Produktwünsche schreiben können. Wird eines mehrmals genannt, kann es gut sein, dass es ins Angebot aufgenommen wird. "Doch inzwischen ist unser Sortiment derart gewachsen, dass wir in unserem kleinen Ladenlokal an Grenzen stossen", sagt die Pionierin lachend.
Viele Produkte stammen von Kleinbetrieben
Auch in der Beziehung zu den Produzenten ist Vertrauen wichtig: Wenn möglich, stehe man in persönlichem Kontakt. Gemüse, Eier und Milchprodukte beispielsweise stammen von drei Biohöfen in Winterthur, Rheinau und Stein am Rhein. "Bare Ware" bezieht eine Vielzahl der Produkte direkt bei den Produzenten, die zudem auch flexibler auf das Unverpackt-Konzept reagieren als Grosshändler. "Ein Kleinbetrieb schafft es leichter, einen 10-Kilogramm-Sack bereitzustellen, statt verkaufsfertige Packungen in grossen Mengen zu liefern. Bei vielen funktioniert es sogar mit Mehrweggebinden", stellt Puente fest.
Vernetzt sind die Frauen von "Bare Ware" mit weiteren Läden in der Schweiz, welche dasselbe Konzept haben. Puente: "Wir tauschen uns regelmässig aus und geben gegenseitig Ratschläge. Das Schöne ist, dass wir uns nicht als Konkurrenz betrachten, sondern dieselben nachhaltigen Ideen vertreten und verbreiten wollen."
Weitere Informationen: Leseabend der Landfrauen Bezirk Winterthur, 5. November, 19 Uhr im Speisesaal, Strickhof Wülflingen: Adriana Puente erzählt von "Bare Ware" und verrät einige Tipps, um Abfälle zu vermindern.www.bareware.ch