Dem SVP-Präsidenten Albert Rösti liegt die Landwirtschaft sehr am Herzen. Mit der BauernZeitung spricht der Bauernbub aus Kandersteg im Interview über seine Herkunft, warum er nicht Nachfolger von Bernard Lehmann beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) werden will und wie Bauern und Bäuerinnen mit negativen Berichten gegen den ganzen Berufsstand in der Tagespresse umgehen können.

Albert Rösti, Sie sind Bauernsohn, Nationalrat, SVP-Präsident und Gemeindepräsident. Was von dem, was Sie heute sind und was Ihre Persönlichkeit ausmacht, ist auf Ihre Kindheit in Kandersteg zurückzuführen?

Albert Rösti: Eigentlich fast alles. Aber am ehesten der SVP-Präsident. Mein Vater hat aus Zeitgründen nie selbst politisiert, aber Politik war immer ein wichtiges Thema. Meine Eltern waren Verfechter der bürgerlich-liberal-konservativen Politik. Das hat mich geprägt fürs Leben. Und natürlich das Leben auf dem Bauernbetrieb. Bis 25 Jahre habe ich regelmässig auf dem Berg mitgeholfen. Mit einem älteren Bruder war aber früh klar, dass mein Weg in der Landwirtschaft ausserhalb des elterlichen Betriebs sein würde.

Sie werden hartnäckig als Nachfolger von Bernard ­Lehmann als BLW-Direktor gehandelt. Wie erklären Sie sich das?

Ich werde nicht Direktor, kann ich vorausschicken. Ich bringe Grundlagen als Bauernsohn und Agronom sowie weitere Erfahrungen mit. Es ehrt mich zwar, aber der Zeitpunkt muss passen. Und der passt nicht. Ich präsidiere die SVP und nehme sicher nicht drei Monate vor den Wahlen einen anderen Job an. Zudem bin ich der Meinung, dass ich mich als Nationalrat innerhalb der Fraktion und überparteilich stärker für die Landwirtschaft einsetzen kann, als das als BLW-Direktor der Fall wäre. Es passt daher so für mich, wie es ist. 

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Aber gereizt hätte Sie diese Aufgabe schon?

Für einen Ingenieur-Agronom ist das eine sehr fordernde und tolle Funktion. Ich glaube, wenn die Chance vor acht Jahren da gewesen wäre, bevor ich Nationalrat wurde, wäre die Entscheidung anders ausgefallen. Aber im Interesse einer produzierenden bäuerlichen Landwirtschaft bleibe ich besser bei meiner jetzigen Funktion.

Haben Sie das Gefühl, Sie als BLW-Direktor wäre kein guter Schritt für die Landwirtschaft, wenn Sie «im Interesse der Landwirtschaft» verzichten?

Das BLW kann nicht nur pure Landwirtschaftsinteressenpolitik betreiben. Es muss sich auch an übergeordnete Entscheide halten, die vielleicht mal gegen die Bauern sind. Es braucht eine Kraft, die gegen überbordende Bürokratie und Zunahme von Vorschriften einerseits und die für die Bauern existenzbedrohenden Liberalisierungsbestrebungen andererseits auftritt – und das ist die SVP, wo ich mich als Präsident unverblümt einbringe.

Der Zeitpunkt jetzt fürs BLW sei nicht der Richtige. Sehen Sie sich zu einem späteren Zeitpunkt eher als Nachfolger von Bundesrat Ueli Maurer?

Das ist kein Thema. Ueli Maurer ist noch lange Bundesrat.

Als SVP-Präsident stellt man sich gemeinhin einen «Polteri» vor. Ihnen scheint Poltern fremd zu sein. Wieso haben Sie es trotzdem an die SVP-Spitze geschafft?

Auch da muss der Zeitpunkt stimmen. Die SVP ist innerhalb von 20 Jahren massiv gewachsen. Beim Aufbau brauchte es wohl etwas lautere Stimmen als jetzt. Daher passt die jetzige Zeit auch gut zu mir. Wie es im Herbst rauskommt, wissen wir nicht. Es ist eine Riesen-Herausforderung den hohen Wähleranteil zu halten. Eine Partei mit fast 30 Prozent kann im schweizerischen System nicht noch erwarten, zu wachsen, wenn sie dies nicht auf Kosten des klaren Parteiprogramms tun will, ein Parteiprogramm für eine unabhängige und sichere Schweiz, wobei die Unabhängigkeit gerade für die eigenständige Agrarpolitik sehr wichtig ist.

Der richtige Zeitpunkt spielt offenbar eine wichtige Rolle in Ihrem Leben …

Wenn man im Leben etwas erreichen will, muss man es sich vornehmen, damit man dann auch parat ist. Aber am Schluss gilt: zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das heisst aber nicht, dass alles einfach Zufall ist.

In den sozialen Medien gehen SVP-Anhänger teils massiv gegen links-grüne vor. Sei dies, was Klimapolitik und auch fremde Nationen anbelangt. Hat Ihre Partei ein Rassismusproblem?

Auf keine Art und Weise. Dass sich Leute in relativer Anonymität in einer Weise äussern, die ich nicht unterstützen kann, geschieht von Links- wie auch Rechtsextremen. Das ist leider ein Phänomen der untersten Schublade in sozialen Medien. Wir dulden keinen Extremismus in unseren Reihen. Vor einigen Monaten zeigte sich ein SVP-ler mit Hakenkreuz. Einen Tag später war er nicht mehr Mitglied der Partei. Es ist wichtig, dass man Extreme bekämpft. Es gibt aktuell Forderungen von links-grüner Seite, wie die Trinkwasser oder Pestizid-Initiative sowie neue Steuern und Abgaben, die kontraproduktiv sind und die Wettbewerbsfähigkeit, gerade für die Landwirtschaft, gefährden. Und dies geschah im Nationalrat in einem Tonfall, der mich richtiggehend wütend gemacht hat. Entsprechend habe ich im Rat auch resolut reagiert.

Gab es im Rat Reaktionen auf diese Rede, die danach in diversen Medien kursierte?

Nein, nicht direkt. Die Ratskollegen haben aber aufmerksam zugehört und die Botschaft schon verstanden.

Sie waren von 2007 bis 2013 Direktor der Schweizer Milchproduzenten (SMP). Unter Ihrer Führung hat der Milchpreis nicht gewonnen. Im Gegenteil. Nun stehen Sie an der SVP-Spitze, der Partei, die bei den kantonalen Wahlen an Wählerstimmen eingebüsst hat. Trotzdem geniessen Sie, gerade bei den Bauern, weiterhin hohe Glaubwürdigkeit. Woran liegt das?

Ich hoffe, dass das so ist (lacht kurz).

Mit der Situation der Milchproduzenten war ich selbst überhaupt nicht zufrieden. Die Milchwirtschaft hat mit vier grossen Milchverarbeitern, die zirka 20 000 Milchproduzenten gegenüberstehen, strukturelle Nachteile zulasten der Milchproduzenten. Ich habe damals alles gegeben, um das Angebot zusammenzuschliessen und damit eine stärkere Position für die Produzenten zu gewinnen. ­Leider wurde schliesslich im Parlament die notwendige Allgemeinverbindlichkeit, um auch Trittbrettfahrer einzubinden, nicht gewährt. ­Immerhin haben sich in der Zwischenzeit diverse Produzentenorganisationen zusammengeschlossen oder sie ­erarbeiten und investieren in eigene Verarbeitungs- und Absatz-kanäle, was ihre Position am Markt stärken wird.

Wie haben Sie diese Zeit aus persönlicher Sicht erlebt?

Es war ein harter, aber konsequenter Schritt. Und der Einzige, um zu zeigen, dass ich mit den damaligen politischen Entscheiden nicht einverstanden war. Ich fragte mich auch, welche Fehler ich gemacht habe, das nagte an mir. Ich sah aber, dass ich mich zu sehr hätte verbiegen müssen.

Haben die Bauern erkannt, dass sie sich nicht verbiegen wollten, oder sahen die es eher als Verlassen des sinkenden Schiffes an?

Da gab es von beiden Seiten etwas. Aber ich habe den Eindruck, dass diejenigen, die der Meinung waren, der hat alles probiert, was möglich war, in der Mehrheit waren.

In letzter Zeit gab es vermehrt eine Schlammschlacht in den Medien gegen die Bauern. Die sind teilweise stark ver-unsichert. Was raten Sie den Landwirten und Bäuerinnen, wie sie auf solche Medien-berichte reagieren sollen?

Der beste Tipp ist, den ich selbst auch als Psychohygiene anwende: Daran denken, dass es nichts Älteres gibt als die gestrige Zeitung. Die meisten haben morgen vergessen, was heute in der Zeitung stand. Das ist eine kleine Hilfe, Solches nicht zu ernst zu nehmen. Ganz wichtig ist aber das Gespräch, etwa mit nichtbäuerlichen Nachbarn, in denen aufgezeigt wird: Hey, schau mal wie ökologisch und tierfreundlich wir Bauernfamilien heute produzieren. Die Bedeutung der Öffentlichkeitsarbeit der Landwirtschaft nimmt immer mehr zu. Früher hatte jede Person noch mindestens einen Onkel in der Landwirtschaft, das fehlt heute zunehmend.

Was ist Ihr persönliches Ziel für die nächsten zehn bis 15 Jahre, was wollen Sie noch erreichen?

Mein politischer Horizont: Ich hoffe, wiedergewählt zu werden, um in dieser Funktion weiter tätig zu sein. Ein grosses Ziel ist, mit beizutragen, dass wir keinen Rahmenvertrag mit der EU abschliessen werden, der eine automatische Übernahme von EU-Recht beinhaltet. Dieser Rahmenvertrag käme für mich einem EU-Beitritt gleich, was auch mit Blick auf die Landwirtschaft sehr schlecht wäre. Daneben sind es die menschlichen Ziele oder Hoffnung, gesund zu bleiben und dass es auch der Familie gut geht.

Ich habe mir sagen lassen, dass Sie ein guter Tänzer sind. Bei all den Verpflichtungen, die Sie haben, kommen Sie noch zum Tanzen?

Schon eher selten. Zuletzt im April, als ich mit meiner Frau weg war, haben wir getanzt. Für die Familie bleibt wenig Zeit. Da ist es umso wichtiger, sich ab und zu bewusst Zeit zu nehmen. Und wenn es da Musik hat, bin ich meistens auf der Tanzfläche.