Der komplexe Absenkpfad für die Schweizer Landwirtschaft sorgt in der Branche für grosse Verstimmung. Wie letzte Woche berichtet, herrscht auf vielen Betrieben Unklarheit über den Umgang mit den neuen Programmen. «Die Unruhe ist gross», sagt Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands (SBV), «es braucht dringend Korrekturen».

Angekommen beim BLW

Diese Unruhe ist auch im Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) angekommen. Dies zeigt das Interview mit BLW-Direktor Christian Hofer in der BauernZeitung vom 30. September 2022. Hofer macht gleichzeitig klar, dass die Ziele, welche zu den umfangreichen Anpassungen bei den Direktzahlungen führen, von Bundesrat und Parlament gesteckt wurden.

Diese Institutionen scheinen nun auch einzuräumen, dass es gewisse Anpassungen braucht, um die Wogen in der Landwirtschaft zu glätten. Dies hat auch Martin Rufer festgestellt. Er erwähnt die jüngsten Entscheide des Parlaments und die angekündigten Konzessionen von Bundesrat und Agrarminister Guy Parmelin.

Der Ständerat legt vor

Einen ersten wichtigen Entscheid hat am 21. September der Ständerat gefasst. Mit 30 zu 15 Stimmen hiess er eine Motion des Walliser Mitte-Vertreters Beat Rieder gut. Diese verlangt die Streichung der höchst umstrittenen 3,5 Prozent Biodiversitätsförderfläche (BFF) auf dem offenen Ackerland. Diese Massnahme soll ab 2024 Bestandteil des Ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) werden. Ebenfalls zugestimmt hat der Ständerat am selben Tag der Motion von Johanna Gapany (FDP/FR) und zwar mit 25 zu 18 Stimmen. Diese verlangt, das Ziel zur Verringerung von Nährstoffverlusten aus der parlamentarischen Initiative (Pa.Iv.) 19.475 zu senken.

Das Reduktionsziel ist einer der umstrittensten Punkte im Verordnungspaket «für sauberes Trinkwasser», das die Massnahmen aus der Pa. Iv. zusammenfasst. Der Bundesrat hat dieses Ziel auf 20 Prozent bis 2030 festgelegt. Die Motion Gapany enthält keine genaue Zahl für die Reduktion des Ziels. SBV-Direktor Rufer hofft, dass man auf die ursprünglich geplanten 10 Prozent Reduktion von Stickstoff und Phosphor zurückkehren kann.

Was macht der Nationalrat?

Ob den beiden umstrittenen Massnahmen definitiv die Zähne gezogen werden, hängt nun vom Verdikt des Nationalrats ab. Dabei kann man davon ausgehen, dass die unlängst beschlossene Allianz zwischen dem SBV und den grossen Wirtschaftsverbänden eine gewisse Wirkung zeigen wird. Diese Zusammenarbeit war während der Bekämpfung der Massentierhaltungs-Initiative erstmals erfolgreich. Auch im Ständerat dürfte die Allianz gewirkt haben. «Die Zusammenarbeit funktioniert», so Rufer mit Blick auf die klaren Resultate in den Abstimmungen.

Ein wichtiges Signal sandte, wie erwähnt, auch Guy Parmelin aus. Er habe den Branchenvertretern im Parlament versprochen, dass der Bundesrat in Sachen Versorgungssicherheitsbeiträge (VSB) noch einmal über die Bücher gehen werde. Der Bundesrat beabsichtigt hier – ebenfalls im Rahmen des Verordnungspakets zur Pa. Iv. – bereits für 2023 eine Senkung von 900 auf 600 Franken/ha.Gegen dieses Vorhaben hatten der Aargauer SVP-Ständerat Hansjörg Knecht und die SVP-Fraktion im Nationalrat zwei identische Motionen eingereicht. Diese verlangten eine Erhöhung der VSB von 900 auf 1000 Franken/ha. Sie wurden unterdessen beide zurückgezogen. Dies aufgrund des Versprechens von Parmelin, die Beiträge wenn nicht zu erhöhen, so doch weniger stark zu senken. Rufer geht von einem Betrag von 700 Franken/ha aus.

Verpflichtungsdauer kürzer

Zugesagt hat Guy Parmelin offenbar auch eine Konzession bei der umstrittenen Verpflichtungsdauer von vier Jahren in neuen Produktionssystembeiträgen für den Bodenschutz. Diese sollen auf nurmehr ein Jahr gesenkt werden.

 

Ein Bauer hat die Nase voll
«Mir reichts!» lautete kurz und knapp der Titel von Sepp Sennhausers Meinungsbeitrag in der Regionalausgabe Ostschweiz und Zürich der BauernZeitung vom 29. Juli. In der Rubrik «Arena» rechnete der Biobauer aus Rossrüti SG mit den geplanten Änderungen im Direktzahlungssystem ab. Nach der Sistierung von AP 22+ habe der Bundesrat «über die Hintertür eines Verordnungspakets neue Beiträge eingeführt, um seine ursprünglich geplanten Vorschriften der AP doch noch durchzusetzen», schrieb Sennhauser unter anderem. Wer die Massnahmen lese, merke rasch, dass hier eine noch nie da gewesene Vollzugs- und Kontrollbürokratie beschäftigt werden soll.

Sein Beitrag habe riesiges Echo ausgelöst, so Sennhauser. Offenbar habe er damit bei vielen Praktikern einen Nerv getroffen. «Mein Ziel ist, auf breiter Ebene Gegensteuer zu geben und für die Zukunft besser aufgestellt zu sein», sagt er. Dazu brauche es u. a. runde Tische und Demonstrationen. Einiges sei bereits aufgegleist. Darunter eine Resolution, die er gemeinsam mit der Berner Oberländer Bäuerin Katharina Allenbach verfasst hat und hier unterzeichnet werden kann.