Zwei Wochen nach ihren Westschweizer Kollegen hat sich eine Gruppe Bauern aus der Deutschschweiz mit Vertretern des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) getroffen. Jürg Haas bezeichnet das Gespräch als «sehr gut und konstruktiv». Während 2,5 Stunden sei aber auch intensiv und bisweilen emotional diskutiert worden. «Die Themen brennen den Bauern unter den Nägeln», weiss Haas.
Vier Schwerpunkte
Für ihr Treffen einigte sich die Gruppe auf vier Schwerpunkte:
- Vereinfachung der Produktionsbedingungen
- Einbruch der inländischen Produktion
- Einkommen der Bauernfamilien
- Abbau des administrativen Aufwands und Lenkungsabgaben
Ungleiche Personalstärke
«Wir haben aufgezeigt, wo die Schwierigkeiten liegen», schildert Jürg Haas. Das BLW habe das gut zur Kenntnis genommen und seinerseits erklärt, was Probleme bereitet. «Beim BLW wurde in den letzten Jahren 1–2 Prozent mehr Personal angestellt, während es im Bundesamt für Umwelt (Bafu) 25 Prozent mehr Leute waren», gibt der Landwirt aus Messen (Solothurn) ein Beispiel. Gleichzeitig gebe es sehr viele Bereiche, zu denen das BLW Stellung beziehen müsse – vom Gewässerschutz über die Raumplanung, Deklaration und Energiefragen bis hin zum Grenzschutz. Im Verhältnis habe das BLW demnach zu wenig Ressourcen, schlussfolgert Haas. «Das hatten wir so nicht auf dem Schirm.»
Ein ETH-Doktor am anderen
Es müsste mehr Austausch geben, fährt der Landwirt fort: Zwischen der bäuerlichen Basis und dem BLW genauso wie unter den Ämtern. «Die Bauern müssen viel mehr miteinbezogen werden, um die Produktion von Lebensmitteln anzukurbeln», findet Jürg Haas. Wichtig sei, nicht nur Verbandsspitzen anzuhören, sondern auch «die Bauern draussen». In der Beratenden Kommission für Landwirtschaft (Beko) reihe sich aber ein ETH-Doktor an den anderen – damit sei das Gremium zu weit weg von dem, was auf den Feldern und in den Ställen tagtäglich laufe. Die Beko hat zwar keine Entscheidungskompetenz, aber die Aufgabe, die verschiedenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen in die Vorbereitung agrarpolitischer Massnahmen einzubringen.
Besser kommunizieren
Jürg Haas kann etliche Beispiele nennen, wo seiner Meinung nach arrogante und egoistische Forderungen von Umweltverbänden durchschlagen. «Bei den Zuckerrüben ist es wahnsinnig: Weil man die Gaucho-Beizung verboten hat, müssen wir mehrfach Insektizid spritzen – mit dem Risiko von Abschwemmung oder Abdrift», so der Solothurner. Seit dem Verbot von Gaucho hätten sich die Zuckererträge pro ha praktisch halbiert, fährt er fort. «Mittlerweile müssen die Produzenten mit einem Einzelkulturbeitrag bei Laune gehalten werden, was jährlich etwa 35 Millionen Franken Direktzahlungen kostet.» Dies, während der Gaucho-Wirkstoff weiterhin in Flohhalsbändern für Heimtiere eingesetzt werde.
Solche Missstände müssten auch durch das BLW klarer zum Ausdruck und via Publikumsmedien der breiten Öffentlichkeit dargelegt werden, findet die Deutschschweizer Bauerngruppe. «Die Amtsvertreter haben uns gezeigt, dass sie sich für uns einsetzen», stellt Jürg Haas klar. In Verhandlungen mit anderen Bundesämtern sei das BLW jeweils dasjenige, das bremse oder abschwäche. «Es ist gut, was sie tun. Aber es reicht einfach nicht.»
Zeichen stehen auf Abschottung
Für den Landwirt steht daher fest, dass man nicht das BLW bekämpfen, sondern mit ihm zusammen an einer besseren Information und Kommunikation arbeiten müsse. Denn die Lage sei ernst, was einbrechende Erträge im Pflanzenbau zeigten. «Wir bringen es unter diesen Bedingungen und mit diesen Einschränkungen einfach nicht mehr hin», sagt Jürg Haas zu den schrumpfenden Erntemengen. Das bereitet ihm umso mehr Sorgen, als dass im Ausland immer mehr rechts gewählt wird – die Zeichen stehen auf Abschottung und Schliessung der Grenzen, wofür die Schweiz mit sinkender Produktion schlecht gerüstet sei. «Und niemand spricht das in der breiten Öffentlichkeit an», kritisiert er.
Besser als im Ausland
Insbesondere die Forderungen nach besserer Kommunikation und Deklaration hat das BLW laut Jürg Haas aufgenommen. Dabei sei allerdings auch betont worden, wie komplex Deklarationsfragen sind. «Es kann aber nicht sein, dass man hierzulande über ein Verbot von Glyphosat redet und gleichzeitig kanadischen Hartweizen für die Teigwarenproduktion importiert», findet der Landwirt. In der Schweiz werde Glyphosat in keiner Nahrungsmittelproduktion, sondern lediglich zur Unkrautbekämpfung vor einer Kultur verwendet. Daher gehe es um klare Informationen an die Endkonsumenten, wobei Haas ergänzt: «Wir wollen nicht gleich wie im Ausland arbeiten, sondern besser produzieren. Aber mit guter Entlöhnung.»
Weiterhin im Gespräch bleiben
Auch von Seiten der Deutschschweizer hat das BLW eine Frist bis Ende März erhalten, um konkret auf die Forderungen zu reagieren. Man sei nicht naiv und erwarte nicht, dass sich jetzt von einem Tag auf den anderen alles ändere, betont Jürg Haas. «Aber das BLW hat gut reagiert und wir haben angeboten, auch künftig im Gespräch zu bleiben.»
Er ist sich bewusst, dass politische Veränderungen nicht einfach sind. Aber die Lage der Schweizer Landwirtschaft mit vielen Betrieben, denen ein Nachfolger fehlt, wo die Maschinenparks und Infrastrukturen nicht mehr unterhalten werden, sei bedenklich. Jedes Jahr erreiche das Risiko bei der Produktion von Lebensmitteln neue Höhen. «Wir machen jeden Frühling all in», sagt der Landwirt: «Saatgut, Dünger, Pflanzenschutz – wir setzen all unsere Ressourcen ein und die Produktion beruht immer mehr auf dem Prinzip Hoffnung.» Heute stünden deutlich weniger Möglichkeiten zur Verfügung, um überhaupt noch Einfluss zu nehmen. «Wir brauchen die neuen Wirkstoffe, die im Ausland auf dem Markt sind, um unsere Pflanzen zu schützen.»
Es gelte, Landwirte EFZ als Fachpersonen anzuerkennen und unnötige Schikanen wie Sonderbewilligungen für zugelassene Pflanzenschutzmittel oder die Dokumentation von Medikamenten ohne Absetzfrist abzuschaffen. Permanent zugängliche Laufhöfe bräuchten kein Auslaufjournal. Das wären Massnahmen, die sofort umgesetzt werden könnten, betont Jürg Haas.
«In den Spiegel schauen»
«Gleichzeitig müssen wir aber auch in den Spiegel schauen: Gemäss BLW wurden viele der jetzigen Massnahmen von unseren Verbänden eingebracht oder sogar gefordert», ergänzt Jürg Haas. Diese Verbände müssten ebenfalls mehr mit ihren Produzenten kommunizieren.
Schlussendlich könne jeder Betrieb etwas zur Reduktion des administrativen Aufwands beitragen, in dem er Massnahmen genauer hinterfrage. «Manche Beiträge heben sich mit dem dafür nötigen Aufwand wieder auf.» Weniger Massnahmen und Kontrollen, weniger administrativer Aufwand und Beiträge wieder an Produktionsleistungen knüpfen – so fasst er seine Forderungen zusammen.