Ständerätin Maya Graf läutet als Tagespräsidentin die Glocke. Sie begrüsst die Teilnehmerinnen – und dann bricht Jubel aus. Rundum lachende Gesichter, Klatschen, Johlen.

So viel Begeisterung erlebt der Nationalratssaal zu Beginn einer Session sonst nie. Doch es war auch keine reguläre Session, sondern Frauensession, die zweite in 30 Jahren. Rund 1400 Frauen hatten sich dafür beworben, 246 von ihnen waren gewählt worden.

Frauensession zeigt Vielfalt

«Die Frauensession zeigt eine Vielfalt, die wir im Parlament so nicht haben», sagte Maya Graf am Pressetermin vor Sessionsbeginn. «Von der Aktivistin bis zur Bäuerin.» Ein Gegensatz? Maya Graf, selbst Bäuerin, winkt ab. «Für mich nicht. Doch im Aussen werden Bäuerinnen kaum wegen ihrer feministischen Aktivitäten wahrgenommen.»

Diana Siegrist, Bäuerin aus Menziken, hatte sich spontan für die Frauensession beworben. Sie hatte in der BauernZeitung gelesen, dass noch Frauen aus der Landwirtschaft gesucht würden. «Dann vergass ich die Bewerbung wieder und war überrascht, als ich gewählt wurde.»

Als Bäuerin und Bauerntochter war für Diana Siegrist klar, dass sie in die Landwirtschaftskommission wollte. Vor allem das Thema soziale Absicherung interessiert sie. «Das wird auch von jungen Bäuerinnen noch viel zu wenig ernst genommen.» Etwas enttäuscht war sie über die wenigen Zuhörerinnen im Saal, als die Kommission ihre Forderungen vortrug. «Das schien mir typisch bei Landwirtschaftsthemen.»

Teils utopische Forderungen

«Die geballte Ladung Frauenpower», antwortete Kathrin Bieri, Geschäftsführerin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbandes (SBLV), auf die Frage, was sie an der Frauensession am meisten beeindruckt hat. «Der Anlass machte bewusst und zeigte auf, dass es in vielen Bereichen noch Baustellen gibt, nicht nur bei den Bäuerinnen.»

Insgesamt 23 Forderungen der Frauensession wurden in Form einer Petition dem Parlament überreicht. Was aber tatsächlich in die politische Diskussion Eingang findet, bleibt offen. «Viele Parlamentarierinnen waren vor Ort und haben gut hingehört.Zuversichtlich bin ich für dieThemen der Kommission für Landwirtschaft, da wir konkrete Forderungen gestellt haben.»

Viel Lobby-Arbeit

Bis sich in der Kommission alle einige waren, brauchte es aber viel Vorarbeit. «Auch zu unserer Motion gab es aus dem Frauenparlament utopische Forderungen», sagt Sandra Stadler aus Güttingen. Etwa, dass alle Bäuerinnen im Rahmen der Direktzahlungen einen Minimallohn erhalten sollten. «Das geht in der Praxis nicht, und das wollen die Bäuerinnen auch nicht.»

Sandra Stadler vertrat als eine der Kommissionssprecherinnen die Motion zur sozialen Absicherung. Für diese Motion betrieb sie Lobbyarbeit, führte über 20 Gespräche, erklärte Hintergründe. «Sonst wäre unsere Forderung ein Papiertiger geblieben.»

Frische Einblicke

Rund die Hälfte der Mitglieder der Kommission Landwirtschaft kamen nicht aus der Branche. «Das war eine Bereicherung», sagt Jeanette Zürcher-Egloff, SBLV-Vizepräsidentin. Dadurch kamen unterschiedliche Ideen auf den Tisch.

Und weil jede der Kommissionsfrauen in Bern wieder jemand anderen kannte, wurden die Landwirtschaftsthemen breit gestreut. Dazu kam: «Wir vermittelten ein anders Bild der Bäuerinnen und Landwirtinnen. Wir zeigten, dass man uns unseren Beruf nicht ansieht.»

Landwirtschaft vor dem Bundeshaus

Am Samstag, als die Kommission für Landwirtschaft ihre Anträge vortragen konnte, kam Anne Challandes schon früh zum Bundeshaus. Es war noch dunkel, die Marktfahrenden bauten eben erst ihre Stände auf.

Die SBLV-Präsidentin machte spontan ein Foto mit dem Handy. «Landwirtschaft vor dem Bundeshaus: Das ist für mich so typisch für die Schweiz», sagte sie später im Nationalratssaal dazu. «Wie ein Symbolbild: Demokratie und Landwirtschaft, drinnen wird über Politik diskutiert. Und direkt davor stellt die Landwirtschaft die Versorgung sicher.»

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Bäuerinnen als Pionierinnen

«Wenn wir uns an diese Pionierinnen erinnern, dürfen wir die Landwirtschaft und die Rolle Bäuerinnen nicht vergessen», erklärte Christine Bulliard-Marbach am Rednerinnenpult, als sie die Landwirtschaftskommission vorstellte. Die Nationalrätin leitet einen Landwirtschaftsbetrieb und amtete als Vizepräsidentin der Kommission.

Denn vor 90 Jahren wurdedie erste schweizweite Landfrauenvereinigung gegründet. Die Bäuerinnen waren damit Pionierinnen. «Sie erkannten schon 40 Jahre vor dem Frauenstimmrecht, dass sie gemeinsam mehr erreichen als Einzelkämpferinnen.»

Herausforderungen angehen

Auch in der Landwirtschaft gebe es Missstände, etwa bei der sozialen Absicherung. Mit diesen Herausforderungen hatte sich die Kommission auseinandergesetzt. Und auch wenn beim Vorlesen der Anträge nur wenige Frauen zuhörten, bei den Abstimmungen waren fast alle im Saal. Die Anträge der Kommission wurden alle angenommen.

Als Maya Graf am Samstagmittag mit einem Bimmeln der Parlamentsglocke die Frauensession beendete, gab es wieder viel Applaus von den Teilnehmerinnen. Diana Sigrist war berührt: «Ein unvergessliches Ereignis. Ich hatte Tränen in den Augen.»

Diese Forderungen der Kommission Landwirtschaft wurden als Petitionen dem Parlament übergeben:

Mit einer Revision des Eherechts sollen die negativen Folgen bei einer Ehescheidung oder der Auflösungen der eingetragenen Partnerschaften auf Landwirtschaftsbetrieben abgefedert werden. So soll das bäuerliche Bodenrecht das Güterrecht nicht mehr gänzlich überlagern (225 zu 0 bei 0 Enthaltungen).
Zudem soll die soziale Absicherung der Partnerin oder des Partners verbessert werden, die oder der in einem landwirtschaftlichen Betrieb mitarbeitet (218 zu 0 bei 8 Enthaltungen).
Weiter soll der Bundesrat dafür sorgen, dass alle Frauen Zugang zu einer Mutterschaftsversicherung erhalten (222 zu 0 bei 4 Enthaltungen).
Und schliesslich wird der Bundesrat mit einer Interpellation beauftragt, die Frage zuklären, ob es eine geschlechtsspezifische Diskriminierung bei der Übertragung von landwirtschaftlichen Betrieben gibt. Derzeit sind 94 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebein männlicher Hand (208 zu9 bei 6 Enthaltungen).