Das Bundesbüchlein zur Abstimmung ist meistens nicht grad die knackigste Lektüre. Im Hinblick auf den Urnengang über das Klimaschutz-Gesetz (KSG) vom 18. Juni lohnt sich aber ein Blick in die eher trockene Materie. Auf Seite 25 wird kurz und knapp zusammengefasst, was Sache ist.

  • Die Schweiz ist als Alpenland vom Klimawandel besonders betroffen.
  • Starkniederschläge haben deutlich zugenommen und sind häufiger geworden.
  • Es gibt im Tal halb so viele Schneetage wie 1970.
  • Die Nullgradgrenze ist seit 1961 um 300 bis 400 Meter gestiegen.
  • Die Gletscher haben seit 1850 rund 60 Prozent ihres Volumens verloren.
  • Es gibt heute je nach Region zwei bis viermal so viele Hitzetage wie 1960.

Fazit: «Massnahmen gegen die Klimaerwärmung sind deshalb von grosser Bedeutung».

Landwirtschaft überdimensional betroffen

Die letzte Feststellung aus der trockenen Bundesbroschüre dürfte vermutlich wenig umstritten sein. Ebenso klar ist, dass die Landwirtschaft als naturnahe Branche überdimensional stark von den Auswirkungen betroffen ist. Die grosse und umstrittene Frage ist aber auch im Primärsektor, wie man die Probleme angehen will. Die Landwirtschaftskammer, das Parlament des SBV, hat unlängst die Ja-Parole zum KSG beschlossen, während die SVP es bekämpft.

Kein Verbot fossiler Brennstoffe

Wie üblich bei solchen Abstimmungskämpfen, wird mit Zahlen, politischen Nebelpetarden und relativ harten Bandagen gekämpft. Wir versuchen hier, ein paar weitere Fakten aufzulisten. Werden die fossilen Brennstoffe tatsächlich verboten, so wie das in Inseraten der Nein-Kampagne steht? Hier muss man etwas ausholen. Das KSG ist der indirekte Vorschlag zur Gletscher-Initiative. Diese wollte die fossilen Brennstoffe per 2050 verbieten.

Das KSG dagegen bleibt unverbindlicher. Die Schweiz muss demnach bis 2050 klimaneutral werden. Deshalb strebt das KSG nicht ein Verbot von fossilen Brennstoffen an, sondern eine möglichst grosse Reduktion. In Sachen fossile Brennstoffe gilt es gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass sie im Laufe des aktuellen Jahrhunderts ohnehin ausgehen werden. Ersatz muss also sowieso her.

Energiekosten steigen um 20 Prozent

Zweiter grosser Diskussionspunkt sind die Kosten. In Inseraten sprechen die Gegner(innen) von einer Verdreifachung der Energiekosten aufgrund des KSG. Sie berufen sich dabei auf eine Studie des Lausanner ETH-Professors Andreas Züttel. Dieser hielt gegenüber dem «Echo der Zeit» von Radio SRF fest, dass sich die Zunahme um 6600 Franken pro Person und Jahr auf ein Szenario beziehe, bei dem Benzin und Diesel durch synthetische Treibstoffe ersetzt würden.

Doch dieser Weg wird gar nicht mehr verfolgt. Vielmehr wollen Bundesrat und Parlamentsmehrheit im Rahmen des KSG bestehende Energie- und Stromfresser wie Öl-, Gas- und Elektroheizungen ersetzen und den Verkehr gleichzeitig elektrifizieren. Die Kostenzunahme betrage hier lediglich 20 Prozent, so Züttel.

Es braucht 300 Quadratkilometer Solarpanels

Um diesen Weg zu beschreiten, braucht es aber einen starken Ausbau der Solar- und Windenergie-Infrastruktur. Und hier kommen wir zum dritten umstrittenen Punkt, nämlich der von den Gegner(innen) befürchteten «Verschandelung» des Landes durch die nötigen Panels und Turbinen auf Dächern sowie in der Landschaft. Gemäss Experten reichen die vorhandenen Dachflächen nicht aus, um den nötigen Solarstrom zu produzieren. Es brauche eine zusätzliche Fläche von 300 Quadratkilometern, das entspricht der 1,5 fachen Fläche des Neuenburgersees.

Zweifelsohne werden wir uns an neue Elemente in der Landschaft gewöhnen müssen, auch weniger schöne. Nur, wie sah die Schweiz vor hundert Jahren aus? Die Zeitreise eines damaligen Erdenbewohners würde wahrscheinlich einen Schock auslösen. Autobahnen sind wichtige Lebensadern der modernen Gesellschaft, Gewerbebauten sind deren Herzkammern und die Hochsilos der Landwirtschaft die unerlässlichen Nährstoff-Reserven.

Landwirtschaft in idealer Position

So werden wir uns daran gewöhnen müssen, dass sich unser Landschaftsbild, die Mobilität und die Heizungstechnik unabhängig vom Abstimmungsausgang vom 18. Juni weiter verändern werden. Ein Ja zum KSG wird diesen Prozess nicht dramatisch beschleunigen, aber ordnen und staatlich stützen. Daran müsste eigentlich auch die Landwirtschaft ein ureigenes Interesse haben. Als Lieferantin von umweltfreundlichen Energieträgern wie Holz und Biogas, als Eigentümerin von Flächen für Solarpanels und als Standorte für Windparks, um nur einige Elemente zu nennen, hat sie beste Voraussetzungen, um in diesem gigantischen Umbauprozess zu den Gewinnerinnen zu gehören.