Im September habe man Digiflux mit verschiedenen Testnutzern «auf Herz und Nieren» geprüft, schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). «Schlussendlich mache ich das, was von uns verlangt wird», sagt Hanspeter Egli, Vizepräsident der Schweizer Milchproduzenten in einem Video des BLW. Er nahm an den Testläufen teil und fand Digiflux «sehr gut», wie er sagt. Er sei eigentlich sehr schnell mit dem Programm zurechtgekommen.
«Geht in den Keller»
Ab 2026 wird der Handel gemäss heutigem Fahrplan des BLW via Digiflux deklarieren, an wen er Dünger abgibt und Landwirt(innen) müssen die Lieferung bestätigen (oder ablehnen). Das bringt mehr Transparenz zu den Nährstoffflüssen – eines der Ziele des Absenkpfads Nährstoffe, der eine Mitteilungspflicht für Kraftfutter- und Düngerlieferungen vorschreibt. Damit soll es möglich werden, nationale und regionale Bilanzen zu Nährstoffüberschüssen zu erstellen.
Trotz Statements wie jenem von Hanspeter Egli und aller Beteuerungen des BLW sehen viele Landwirt(innen) Digiflux in erster Linie als aufwändige Schikane. Es gibt aber neben dem befürchteten Mehraufwand auch andere Bedenken. Nämlich, dass bei schweizweiter Erfassung – und Kontrolle – aller eingesetzten Dünger die Erträge einbrechen oder die geforderte Qualität nicht mehr erreicht werden kann. «Wir müssen Digiflux so heftig bekämpfen, weil es nicht praxistauglich ist», sagte ein Landwirt im Publikum einer agrarpolitischen Veranstaltung Ende letzten Jahres. «Wenn wir alles ausweisen müssen, was eingesetzt wird, bräuchte es mehr Fläche oder der Selbstversorgungsgrad geht in den Keller.» Was ist dran an diesem Szenario?
Motion Kolly abgeändert
Per Motion will der Freiburger SVP-Nationalrat Nicolas Kolly für Landwirtschaftsbetriebe «die Pflicht aufheben, die digitale Plattform Digiflux zu verwenden.» Die Grosse Kammer hat dem zugestimmt. Die vorberatende Kommission des Ständerats (WAK-S) beantragt hingegen einstimmig, eine abgeänderte Version anzunehmen.
Um «zu einer Beruhigung des Klimas in der Landwirtschaft beizutragen» soll der Bundesrat die rechtlichen Grundlagen schaffen, um die vereinfachte Meldungspflicht dauerhaft weiterführen zu können (keine obligatorische parzellenspezische Erfassung). Datenschutz und -hoheit der meldenden Akteure sollen stets gewährleistet sein.
Suisse-Bilanz und GRUD
Um diese Frage anzugehen, muss man unten anfangen: Wie viel Dünger auf Betriebsebene eingesetzt werden darf, regelt heute die Suisse-Bilanz. Die Suisse-Bilanz ihrerseits basiert teilweise auf den Grundlagen für die Düngung (GRUD), die Agroscope im Auftrag des BLW erarbeitet; und die GRUD enthält Angaben zum Nährstoffbedarf der Kulturen.
Seit letztem Jahr gibt es keine 10-Prozent-Toleranzgrenze mehr bei der Berechnung der Suisse-Bilanz, u.a. beim Mineraldünger gilt aber die Selbstdeklaration der Mengen. Und sie fordert nicht die standortangepasste Düngebedarfsermittlung nach guter Düngepraxis ein, weshalb sie deshalb nicht als Planungsinstrument für den standortangepassten Düngebedarf angesehen werden kann. Sie berechnet – ihrem Namen entsprechend – eine Bilanz: Sie stellt Nährstoffanfall (Dünger) und -bedarf (der Kulturen) einander gegenüber.
Zusammengefasst kann man also sagen, das Korsett wird enger geschnürt. Einerseits hinsichtlich der Berechnung der Suisse-Bilanz und andererseits, was die Begutachtung der Nährstoffflüsse angeht. Wenn gemäss GRUD gedüngt werde, bestehe aber kein generelles Risiko für Ertragsreduktionen im Ackerbau, hält Frank Liebisch fest, der bei Agroscope die Forschungsgruppe Gewässerschutz und Stoffflüsse leitet. «Es braucht allerdings eine differenzierte Betrachtung.»
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Variablen berücksichtigen
Die Düngebedarfsberechnung für Ackerkulturen in der GRUD basiert auf Durchschnittswerten, die für die ganze Schweiz gelten. «Dieser Aspekt wird vor allem von Betrieben kritisiert, die auf Bestleistungen beim Ertrag und nicht auf durchschnittliche Produktion setzen», fährt Frank Liebisch fort. Würden aber die in der GRUD empfohlenen Korrekturvariablen der Stickstoffnorm berücksichtigt, werden die Erträge nicht einbrechen, ist er überzeugt. Einzurechnen gelte es demnach etwa das Ertragspotenzial, Parzelleneigenschaften, Hofdüngereinsatz, Wetter und Anbaubedingungen. Das steigere die Effizienz der Düngung und trage zu einer ausgeglichenen Suisse-Bilanz bei. «Wichtig ist, dass möglichst aktuelle Daten für die Ertragserwartung und Korrekturvariablen in der Düngebedarfsberechnung verwendet werden und die GRUD dementsprechend aktuell ist», so Liebisch. Ein Düngungsplan gemäss der Methode der korrigierten Normen oder der Nmin-Methode helfe im Weiteren, den betriebsspezifischen Anforderungen – ohne Ertragsverluste – gerecht zu werden.
Laut Agroscope fusst die GRUD auf «soliden, wissenschaftlichen Erkenntnissen und ist parzellen- oder standortbezogen». Die Empfehlungen werden derzeit aktualisiert, um z. B. auch beim Mais ertragskorrigierte Normen einzuführen oder bei Kartoffeln Sortenunterschiede besser zu berücksichtigen.
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Künftig Effizienz berechnen
Für den Absenkpfad ist die Suisse-Bilanz insofern nur bedingt nützlich, als dass aufgrund der Berechnungsart die tatsächlichen, nationalen Nährstoffüberschüsse heute nicht abgebildet werden. «Es ist eine Anfalls-Bedarfsbilanz, die den betrieblichen Nährstoffbedarf der Kulturen und das Nährstoffangebot gegenüberstellt. Verluste werden als nicht-verfügbarer N abgezogen», erklärt Frank Liebisch. In Zukunft gelte es, besser die Effizienz der Düngung zu berechnen – Verluste inklusive. «Das ist auch für die Landwirte interessanter.»
«Keine direkte Wirkung»
Zurück zur Rolle von Digiflux. Das System selbst hat keine direkte Wirkung auf den Umgang mit Nährstoffen (oder Pflanzenschutzmitteln), ist sich das BLW bewusst. «Die Informationen aus Digiflux können jedoch von Forschung, Beratung und Politik verwendet werden, um künftig Handlungsfelder festzulegen und mögliche Massnahmen einfacher zu definieren.» Zu diesem Zweck ist die Mitteilungspflicht vom Parlament als Teil des Absenkpfads beschlossen worden.
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Empfehlungen gehen international weit auseinander
Die Methode der korrigierten Normen in der GRUD ist nicht die einzige Möglichkeit, Düngungsempfehlungen abzugeben. Tatsächlich kommen in verschiedenen Ländern Europas unterschiedliche Verfahren zum Einsatz. Je nachdem resultieren Unterschiede von bis zu 100 kg N/ha, wie eine Studie mit Beteiligung von Agroscope ergeben hat.
Die Autoren verglichen die Empfehlungen von 10 Ländern (inklusive Schweiz), die auf insgesamt 16 Faktoren beruhten. Hierzulande nutzt die Düngebedarfsberechnung für Ackerkulturen nach GRUD acht Variablen. Die komplexeste Methode im Ländervergleich verwendet 11 und die einfachste nur drei Variablen. So werde der Winterniederschlag nur in wenigen Ländern berücksichtigt, sei in der Schweiz angesichts grosser Regenmengen im Winter aber wichtig.
Berechtigt mineralisch
Dennoch, «alle Methoden können die Stickstoffeffizienz verbessern und Verluste gegenüber durchschnittlicher Düngung verringern», schreibt Agroscope. Wichtig sei, zuverlässige Korrekturfaktoren zu verwenden, die zu den lokalen Bedingungen passen. Mit der GRUD sollte das den Ausführungen von Frank Liebisch zufolge für die Schweiz weitgehend sichergestellt sein. «Die gute Düngerpraxis strebt eine bedarfsgerechte Versorgung an», ergänzt Liebisch. Daher hätten auch mineralische Dünger ihre Berechtigung – obwohl der Absenkpfad vom Bundesrat verlangt, sich am Ziel des Ersatzes importierter Kunst- durch einheimische Hofdünger und Biomasse zu orientieren. «Durch die Auswahl der richtigen Dünger und dem Ausgleich von Ungleichgewichten in der Nährstoffzusammensetzung – z. B. von Hofdüngern – kann man ebensolche verhindern», erklärt der Agroscope-Forscher. «Zumal nicht bei jeder Ackerkultur alle Gaben mit Hofdünger erfolgen können, sind hierfür insbesondere auch mineralische Dünger wichtig.»
Aus Inlandproduktion
Frank Liebisch gibt sich hoffnungsvoll, dass die Schweiz dank Recycling künftig Mineraldüngerprodukte aus eigener Produktion zur Verfügung hat.