Im Gegensatz zum steigenden Geflügelfleischverbrauch ist der Schweinemarkt in Deutschland stark unter Druck. Die weiterhin düsteren Aussichten und den Wandel in Deutschlands Nutztierhaltung schilderte der deutsche Schweinehalter Paul Hegemann aus Saerbeck, Nordrhein-Westfalen, auf Einladung der Landwirtschaftskommission von Die Mitte Kanton Luzern.
Paul Hegemann führt einen Betrieb mit 300 Zuchtsauen und 1200 Mastschweinen und bewirtschaftet zudem 125 Hektaren Ackerland.
Branche schwächelt
Der agrarische Strukturwandel in Deutschland war enorm: 1950 ernährte ein Landwirt umgerechnet noch zehn Konsumenten, aktuell sind es gemäss Hegemann rund 135. Besonders stark geschrumpft in den vergangenen zehn Jahren sei die Schweinehaltung, die Anzahl Betrieb wie der Schweinebestand mit einem jährlichen Rückgang von fünf Prozent. Besonders zu schaffen machen aktuell die behördlichen Auflagen. Die Schweinehaltung sei auch deshalb nicht mehr wirtschaftlich. Und sozusagen das Damoklesschwert sei die Bedrohung durch die Afrikanische Schweinepest.
Hoffen auf neue Regierung
Die fachlich fundierte Tierhaltungsstrategie mit praxisnahen Entwicklungen zu besserem Tierwohl gemäss dem früheren Agrarminister Jochen Borchert sei leider nur teilweise umgesetzt worden. Wie Paul Hegemann sagte, finden einige relevante Themen anscheinend aber bei der neuen Ampelregierung und dem grünen Agrarminister Cem Özdemir gewisse Resonanz, was zu wünschen sei.
Bei den Konsumenten habe das Schweinefleisch leider verbreitet ein sehr schlechtes Image. Ernährungsphysiologische Argumente und Umweltbelastungen seien öffentlich im Schussfeld, weshalb der Konsum spürbar sinke. Demgegenüber steige der Hühnerfleischabsatz, der Rindfleischkonsum stagniere. Zudem sei im Jahr 2020 der Milch- und Milchproduktekonsum mit umgerechnet mit 120 Litern pro Kopf wieder auf das Niveau von vor zehn Jahren gestiegen.
Leider sei die Wertschätzung der Bauern in Deutschland spürbar gesunken, obwohl die Kosten für Lebensmittel europaweit am tiefsten seien. Eine verhaltene Hoffnung äusserte der Referent zu ersten proklamierten Vermarktungskonzepten von grossen Detailhändlern wie Aldi, um eine bessere Tierwohlpraxis durch höhere Preisen am Ladentisch den Produzenten abgelten zu können.
Sorge um die Ernährung
Angesichts der unsicheren Ernährungssituation als Folge des dramatischen Ukrainekrieges wies Nationalrat Leo Müller auf mögliche mittelfristige Engpässe und vor allem auf politischen und agronomischen Handlungsbedarf hin. Die rund 50 Anwesenden verabschiedeten mit Applaus eine von der Mitte-Landwirtschaftskommission vorgeschlagene Resolution an den Bundesrat. Gefordert wird in Kürze eine breitabgestützte Task-Force «Lebensmittelversorgung» auf Bundesebene. Sie soll sich mit vermehrtem Anbau im Inland, mit der internationalen Beschaffung von Futtermitteln sowie von Saatgut, Düngern und Treibstoff befassen.