Die Europäische Union möchte die Entwaldung bekämpfen. Sie tut es – wie immer – mit dem Erlass einer Regulierung, der sogenannten «European deforestation regulation». Die Unternehmen «spuren» nun, um diese zu erfüllen. Ab dem 31. Dezember 2024 sollen dann keine Produkte mehr auf den europäischen Markt gelangen, welche von einer abgeholzten Fläche stammen. Als abgeholzt gilt, was nach dem 31. Dezember 2020 legal oder illegal gerodet wurde. Wer den Urwald vor diesem Datum gefällt und mit Palmölplantagen, Sojafeldern oder weidenden Rinderherden «beglückte», bleibt verschont.

Den Handel in die Pflicht nehmen

Ein Teil des in die EU importierten Sojas stammt aus dem brasilianischen Amazonasgebiet. (Bild rrubra/Pixabay) Brasilien Studie: Soja und Fleisch von illegal gerodeten Flächen in Brasilien nach Europa exportiert Friday, 17. July 2020 Ich musste beim Lesen des Gesetzestextes etwas schmunzeln. Es ist gut, dass die EU endlich auf Gesetzesebene etwas gegen die Abholzung unternimmt. Sie geht dabei via Handel vor, weil das der einzige Weg ist, der auch greifen kann. Bei Verstössen drohen den Unternehmen saftige Bussen. Moderne Nachweismethoden wie die geografische Herkunftsüberprüfung mit Isotopen oder eine Flächenüberwachung mit Satelliten erschweren Betrügereien.

Geldscheine lösen häufig das Problem der «Legalität»

Gut ist es auch, dass auch Produkte aus «legal» abgeholzten Flächen von der Regulierung betroffen sind. Wer schon des Öfteren andere Länder bereiste, weiss nur zu gut, dass Fragen von Legalität häufig mit einer gewissen Anzahl an Geldscheinen «unbürokratisch» gelöst werden können.

Kommt jetzt das Palmöl zurück?

Die Zunahme von Plantagenflächen ist durch das 15-jährige Bestehen der RSPO kaum gedrosselt worden. (Bild pd) Palmöl: Plantagenflächen weiterhin zunehmend Monday, 4. September 2017 Schmunzeln musste ich natürlich beim ausgewählten Stichdatum. Den 31. Dezember 2020 empfinde ich als sehr «abholzungsfreundlich» gewählt. Die Tausenden von Quadratkilometern, welche vor dem Stichtag legal oder illegal abgeholzt wurden, erhalten so die Absolution. Bestimmt bekommen diese Produkte dann auch ein hübsches Zertifikat. Dieses wird legal bescheinigen, dass eben genau dieses Produkt von einer «nicht abgeholzten» Fläche stammt. Bürger in der EU und auch in der Schweiz können mit einem reinen Gewissen wieder konsumieren. Kommt so das Palmöl wieder aus seiner «Schmuddelecke» raus?

Abholzung wird wohl weitergehen

Stoppt das jetzt die Abholzung? Natürlich nicht. Ich bin da nicht blauäugig, meine Augen sind sowieso braun. Die globalen Lieferketten werden entsprechend reagieren. Bevölkerungsgiganten wie China und Indien werden in die Bresche springen und weiterhin Abnehmer für solche Produkte sein. Die Ernährung ihrer riesigen, hungrigen Bevölkerungen und der Erhalt des sozialen Friedens haben höhere Priorität als die Ökologie in fernen Ländern.

Schweizer Unternehmen werden mitziehen (müssen)

Und die Schweiz? Schweizer Unternehmen werden natürlich mitziehen, zu eng ist die wirtschaftliche Verzahnung mit der EU. Dazu käme das Risiko eines Imageverlustes, wenn ein Unternehmen mit der Abholzung in Verbindung gebracht würde.

Die Betriebe wachsen im Ausland weiter

Die Feuer vernichten im Amazonas wertvolle Waldfläche. (Bild Nasa) Wald Waldvernichtung in Brasilien in einem Jahr nahezu verdoppelt Monday, 9. September 2019 Bei den Begriffen Schweiz, EU und Regenwald fällt mir immer spontan der Dokumentarfilm «The Territory» ein. Der Film handelt vom Reservat des Amazonasvolkes der Uru-Eu-Wau-Wau. Dieses Reservat ist etwa halb so gross wie die Schweiz und liegt in Brasilien. Die Einwohner leben dort so, wie sie schon immer gelebt haben. Das heisst, sie jagen und fischen im Urwald und sind in Familien und Stämmen organisiert. Um dieses Reservat herum pulsiert hingegen die «Zivilisation». Strassen werden gebaut, Flächen werden gerodet und landwirtschaftlich genutzt. Dabei entstehen riesige Farmen. Über die Hälfte aller Landwirtschaftsbetriebe in Brasilien ist grösser als 500 ha. Die Besitzer, häufig Verwalter, leben in Grossstädten. Die Arbeit wird durch angestellte Landarbeiter erledigt. Bei Kauf und Verkauf ist es Usus, die Landarbeiter «mitzukaufen».

Die Schweiz als Regenwaldoase der Stabilität

Abo In Frankreich versuchen Landwirte, die Hauptstadt Paris von der Lebensmittelversorgung abzuschneiden. Bauernproteste «Wir halten solche Proteste wie in Frankreich nicht für zielführend» Friday, 2. February 2024 Nicht ganz so extrem, aber ähnlich ist es in der EU. Hier dominieren zunehmend Grossbetriebe, die als AG geführt werden. Freihandelsabkommen werden geschlossen und Waren von noch grösseren Betrieben im Ausland fluten den Markt. Die noch übrig gebliebenen EU-Landwirte spüren den Druck. Sie stehen darum auf der Strasse und demonstrieren gegen eine Politik, von der sie sich im Stich gelassen fühlen. Und die Schweiz? Sie kommt mir in Europa manchmal wie das Reservat der Uru-Eu-Wau-Wau vor. Es ist eine Insel der Stabilität. Unsere Politik wird oft als träge wahrgenommen, weil man mit allen redet und Schnellschüssen keinen Platz gibt. Die Landwirtschaft steht immer noch auf den Schultern der familiären Betriebe. Sie haben in der Schweiz immer noch ein starkes Standbein, in der Politik und der Bevölkerung. Hoffen wir also, dass das noch lange so bleibt.