Es ist ein Ohrwurm – und zwar ein richtiger. Der Song ist nicht neu und wird in verschiedenen Landessprachen gesungen. Am wohl bekanntesten ist er in Englisch: «I need more of you.» In Deutsch heisst er: «Ich will mehr von dir.» Natürlich handelt es sich um ein klassisches Liebeslied, zumindest der Titel kann aber auch in einem ganz anderen Kontext verwendet werden, und zwar im Bereich der Ansprüche.
Tierschutz auf höchsten Niveau
Holen wir etwas aus. Die Schweiz rühmt sich im Zusammenhang mit der tierischen Produktion schier bei jeder Gelegenheit ihres hohen Niveaus beim Tierschutzgesetz. Das ist legitim, ist es auch sinnvoll? Die Grundlagen des Gesetzes basieren auf einem Dokument, das in seinen groben Zügen 2005 in Kraft trat. Natürlich gab es dieses auch schon vorher, entsprechende Anpassungen daran wurden aber laufend vorgenommen, so auch in den letzten 18 Jahren.
Die Landwirtschaft spürt deutlich: Die Ansprüche der Konsumgesellschaft haben sich verändert. Der Wohlstand und die Art, wie wir das Tier heute gerne als fast gleichberechtigte Spezies in unseren Haushaltungen beherbergen, haben dazu beigetragen, dass nicht nur über den Schutz der Tiere, sondern auch über deren Rechte diskutiert wird. Man kann das falsch finden, an der Diskussion ändert sich aber nichts.
Unterschiede beim Tierwohl werden immer kleiner
Neben diesen hohen Ansprüchen von Herrn und Frau Schweizer, deren Leben im Fall von 97 % der Bevölkerung weit ab vom Bauernhof stattfindet, schläft auch das Ausland nicht. Die Unterschiede in Sachen Tierhaltung werden immer kleiner. Die Schweiz hebt sich hier immer weniger von anderen europäischen Ländern ab.
So verbietet Deutschland die Anbindehaltung. Weiter debattiert die EU über Verbote von Manipulation. Noch wird über Schwanzkupieren und Kastrieren gesprochen, im gleichen Atemzug wird aber auch gefordert, das Enthornen zu verbieten. Ein weiteres Beispiel: Kälber dürfen in der Schweiz bis zur 13. Lebenswoche in Einzelhaltung leben. In der EU ist das nur bis zu einem Alter von 8 Wochen möglich. Der Hintergrund ist klar: Wissenschaftliche Studien würden zeigen, dass es Jungtieren in Gruppen besser geht.
Landwirtschaft übt Kritik am System
Während sich dieses Rad kontinuierlich weiterdreht, übt sich die Schweizer Landwirtschaft im «Kritisieren». Mehr Forderungen von Bundesbern, eine Flut von Kontrollen, Auflagen und Aufzeichnungen, eine immer undurchsichtigere AP wird bemängelt. Auch im Label-Bereich wird kritisiert. Die Anforderungen an die Bio-produzenten seien zu hoch. Weiter sind die Preise ein Kritikpunkt. Der Käfer (IP-Suisse) werde zu günstig abgegeben, heisst es. In einem scheint man sich einig: Wir müssen die Landwirtschaft den Konsumenten zeigen und erklären. Und das neben einem 14-Stunden-Alltag, der sich in Spitzenzeiten gut und gerne 7-mal wöchentlich wiederholt.
Erklären alleine wird aber nicht reichen. Wir müssen über Strukturen nachdenken und neue Vorteile unserer inländischen Produktion suchen, erkennen und transportieren. Dabei scheinen Regionalität, verbunden mit kurzen Transportwegen, und Familienbetriebe als Verkaufsvorteil daherzukommen. Aber diese Regionalität wird zu wenig sichtbar und damit zu wenig wahrgenommen. Noch schwieriger ist es beim Familienbetrieb. Dort arbeiten gerne bis zu sieben Personen mit und das Auskommen hat meist einer: der Bauer.
Strukturen dringend überdenken
Solche Strukturen sind zu überdenken und zu überarbeiten, wollen wir dereinst die regionale Produktion nicht mit südamerikanischer Ware ersetzen. Wir müssen über Strukturen und Strukturwandel sprechen – auch wenn es uns schwerfällt. Und hier sind in erster Linie nicht die Bauernfamilien gefordert. Direktoren, Geschäftsführer und CEOs haben nicht nur die Ausbildung und den Lohn dafür, sie stehen auch Ansprüchen gegenüber. Derzeit kann man in der Branche aber eigentlich hinschauen, wo man will: sie, meistens alles Herren, stehen alle im Schatten ihrer Präsidenten, die im Normalfall Bauern sind. Hier darf mehr erwartet werden.
Und die Erwartungen sind zu kommunizieren. Was bringen die Bauernverbände, was die Labelorganisationen, was die Zuchtverbände, was die NGOs? Bis am Sonntag darf die Politik durch die Wahlen im Zentrum stehen. Aber danach dürfen die Obersten dieser Organisationen, analog ihren Präsidenten, sich noch etwas mehr ins Zeug legen. Schuhe binden, meine Herren: Ich erwarte mehr von euch. Und damit bin ich nicht alleine.