In der Politik kommt es öfter zu einer seltsamen Situation: Gegner und Befürworter eines Vorstosses sagen genau das Gegenteil des jeweils anderen. Diese Lage präsentiert sich in Sachen Digiflux: Die einen sehen darin einen veritablen Bauernschreck, ein Bürokratiemonster, ein Misstrauensvotum. Es ist die Rede vom «gläsernen Bauer». Die anderen erhoffen sich eine administrative Vereinfachung und effektive Massnahmen, um bestehende Probleme z. B. im Gewässerschutz anzugehen. Wer hat recht?
Solange die Meldepflicht via Digiflux noch nicht fertig ausgestaltet ist, lässt sich diese Frage nicht beantworten. Um die Absichten und den Zweck von Digiflux nachzuvollziehen – die vom Parlament gesetzlich festgelegt sind – lohnt sich aber ein Blick auf dessen Entstehung.
Zur Zeit der Pflanzenschutz-Initiativen
Am Anfang steht ein Gedankengang, den die Ständeratskommission (WAK-S) so formuliert hat: «Der Politik ist es in der Vergangenheit nicht gelungen, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Herausforderungen im Bereich Gewässerschutz von politischer Seite ernst genommen und mit der nötigen Sorgfalt angegangen werden.» Das war vor vier Jahren, als mit der Pestizidverbots- und der Trinkwasserinitiative zwei in Landwirtschaftskreisen gefürchtete Vorlagen auf dem Tisch lagen.
Wie die Initianten wolle man die Umweltbelastungen durch PSM reduzieren, schrieb die WAK-S. «Die Kommission hält indes weder einen ausschliesslichen Fokus auf die Landwirtschaftspraxis noch ein generelles Verbot synthetischer oder nichtsynthetischer Pestizide für zielführend.» Dem dürften Landwirtschaftsvertreter zustimmen.
Dieser Rahmen zeigt, dass Digiflux nicht als Schikane für Bauern konzipiert worden ist. Die von der WAK-S beschriebene Meldepflicht kam denn auch mit deutlichen Mehrheiten im Rahmen der Parlamentarischen Initiative «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» durch die Räte.
Was ist beschlossen worden?
Zum Kern der Sache: Die WAK-S hat beschrieben, was aufgezeichnet werden soll und wozu. «Erfasst werden soll, welche Wirkstoffe in welcher Menge zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort oder Flächen und auf welchen Objekten oder Pflanzen ausgebracht werden.» Diese Informationen sollten in einem System des Bundes erfasst werden – Digiflux. Das Ziel des Ganzen war, die Datengrundlage zum PSM-Einsatz zu verbessern, da bisher nur Verkaufszahlen schweizweit verfügbar sind. Mit diesen Werten wird jährlich das aktuelle Risiko durch den PSM-Einsatz berechnet. Unklar bleibt dabei, in welchen Bereichen die Wirkstoffe eingesetzt worden sind (z. B. in Biozidprodukten zum Schutz von Holz oder in Desinfektionsmitteln).
Der Bundesrat sieht vor, dass ab 2027 neben der Landwirtschaft auch z. B. Gartenbaufirmen, Gemeinden, der Strassen- und Schienenunterhalt oder Golfplätze ihren PSM-Einsatz via Digiflux dokumentieren müssen. Dies während einer dreijährigen Einführungsphase nicht zwingend parzellenspezifisch, sondern nur den Verbrauch pro Jahr und Betrieb. Das würde Vergleichszahlen liefern: Wie viel Herbizid nutzt man, um Schienen vegetationsfrei zu halten – oder den Golfrasen makellos ohne Unkraut?
Mögliche Chancen gibt es einige
Für Landwirte soll Digiflux in dem Sinn eine Vereinfachung sein, als dass das System an die bisherigen Aufzeichnungspflichten angeglichen wird. Bereits vorhandene Daten aus den kantonalen Systemen sollen zur Verfügung stehen. Wird die Aufzeichnungspflicht dereinst vollumfänglich im Sinne der WAK-S umgesetzt (was, wie viel, wann, wo, worauf), könnte das die Chance bieten, Bemühungen der Landwirtschaft zum schonenden Einsatz von PSM sichtbarer zu machen. Gleichzeitig zeigten sich Problembereiche in den Zahlen – wo braucht es besonders viel Pflanzenschutz? Die Anschlussfrage ist jene nach den passenden Massnahmen, die nicht nur in der Produktion ansetzen müssen. Die Daten könnten auch Argumente liefern, weshalb der Handel z. B. robuste Sorten akzeptieren sollte, oder einen allzu sorglosen Umgang mit PSM ausserhalb der Landwirtschaft entlarven.
Zur Befürchtung des «gläsernen Bauern» lässt sich festhalten, dass gemäss Gesetz Bund und Kantone nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Dritte nur mit Zustimmung des Landwirts Zugriff auf die Daten erhielten. Offene Fragen zum Datenschutz will der Bundesrat jetzt angehen, er nimmt sich für Digiflux ein Jahr mehr Zeit. Das Ziel der administrativen Vereinfachung ist ebenfalls gesetzt und das Bundesamt für Landwirtschaft arbeitet in der Entwicklung von Digiflux «in enger Absprache mit den künftigen Nutzer(innen)». Das sind gute Voraussetzungen.
Die eigenen Beschlüsse über den Haufen werfen
Nun macht das Parlament Anstalten, die Landwirtschaft von Digiflux auszuklammern – der Nationalrat hat einer entsprechenden Motion bereits zugestimmt. Damit würden die Räte einen Teil ihrer eigenen Beschlüsse über den Haufen werfen, was weder zu ihrer eigenen, noch zur Glaubwürdigkeit der Landwirtschaft beitrüge. Man kann sich auch fragen, ob Zeit und Kraft nicht besser ins Mitgestalten statt ins Ablehnen investiert wären. Denn die Arbeiten an Digiflux laufen weiter und irgendwann müssen Versprechen auch eingelöst werden. Sonst ist es nur eine Frage der Zeit, bis ein nächster Vorstoss eine bestechend einfache, aber radikale Lösung präsentiert – und weiteren Versprechen nicht mehr geglaubt wird.


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