Noch im Frühling zeigte man sich beim Schweizer Bauernverband (SBV) zuversichtlich, was die Revision des Raumplanungsgesetzes angeht. Als Gegenvorschlag zur in der Folge zurückgezogenen Landschafts-Initiative soll diese dafür sorgen, dass die Überbauung und Zersiedelung der Landschaft eingedämmt wird. Nachdem nun die Verordnung zum Gesetz in Vernehmlassung gegangen ist, hat die Stimmung beim Bauernverband aber gekehrt. «Unbrauchbar» und «Zurück an den Absender» heisst es in dazu in einer Mitteilung des Verbandes.
Bundesamt mit strengem Entwurf
«Anfang Jahr berichteten wir über das Gesetz, mit dem wir zufrieden waren», sagt dazu Beat Röösli, beim SBV Leiter des Departements Wirtschaft, Bildung & Internationales. «Dabei gingen wir natürlich davon aus, dass das Gesetz in der Verordnung im Sinne der Diskussion im Parlament umgesetzt wird und dass wir bei der Erarbeitung einbezogen werden», fügt er an. Was das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) nun im Entwurf zur Verordnung vorlege, hätte aber schwerwiegende Folgen insbesondere für die Landwirtschaft in den Mittellandkantonen, warnt Röösli.
Der Plafond wäre schnell erreicht
Einer der wichtigsten Streitpunkte ist das Bauen ausserhalb der Bauzone. Mit einer Abbruchprämie soll gemäss dem neuen Gesetz das Wachstum des Gebäudebestandes trotz Bautätigkeit gedrosselt werden. «Die Idee der Abbruchprämie ist, dass alte Gebäude freiwillig abgebrochen werden», führt Beat Röösli aus.
Das ARE hat daraus nun etwas anderes gemacht. Im Entwurf wird als Stabilisierungsziel ein Plafond von 101 % festgelegt. Erfüllt ein Kanton dieses Ziel nicht, tritt eine Strafbestimmung in Kraft. «Diese sieht vor, dass die Bauherrschaft jedes neue Gebäude und dessen Fläche durch den Abbruch anderer Gebäude kompensiert», erklärt Röösli. Bei einem starren Plafond sei diese Situation sehr schnell erreicht.
Wer in dieser Situation ein zeitgemässes Stallprojekt verwirklichen wolle, müsste dann für viel Geld alte Gebäude ersteigern, um sie abbrechen zu können. Damit werde am Ende weniger abgebrochen. «Die alten Gebäude erhalten damit einen Wert», erklärt Röösli. «Und damit wird niemand mehr freiwillig ein Gebäude abbrechen.»
Ungenaue Datengrundlage
«Die Landwirtschaft ist bereit, die Bautätigkeit innerhalb eines realistischen Spielraums zu stabilisieren. Dieser Übergang muss jedoch mit Augenmass und pragmatisch erfolgen. Im aktuellen Projekt ist dies überhaupt nicht der Fall», sagt Marion Zufferey. Sie ist beim SBV Fachverantwortliche Raumplanung, Berglandwirtschaft, ländlicher Raum. Sie kritisiert vor allem die Plafonierung. Das im Projekt festgelegte Stabilisierungsziel erlaube eine Steigerung um 1 % gegenüber den Werten vom 29. September 2023. «Allerdings ist die Anzahl der Gebäude ausserhalb der Bauzone zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.»
Zur Grösse der versiegelten Fläche wisse man noch weniger. Gemäss den Daten des ARE wurden von 2018 bis 2022 durchschnittlich 5,7 Neubauten pro Jahr ausserhalb der Bauzone errichtet. Das entspreche einem durchschnittlichen Wachstum von 0,95 % pro Jahr, gibt Zufferey zu bedenken. «Damit wäre das Stabilisierungsziel in etwas mehr als einem Jahr bereits erreicht.» In seinem Bericht spreche das ARE aber von nur 500 Gebäuden pro Jahr. Diese Schätzung sei definitiv zu niedrig.
In Ermangelung einer soliden Datengrundlage brauche es da eine flexiblere Lösung, erklärt Marion Zufferey die Position des SBV. Ausserdem müsse der Zielwert – der SBV schlägt statt 101 102 % des Werts von 2023 vor – regelmässig überprüft und wenn nötig auch angepasst werden können.
Vorbildliche Kantone würden bestraft
Auf diese Weise könnten auch die kantonalen Besonderheiten besser berücksichtigt werden. Diesen werde in der aktuellen Vorlage überhaupt nicht Rechnung getragen, bemängelt Marion Zufferey. Das führe zu Ungerechtigkeiten – bestraft würden jene Kantone, die sich in der Vergangenheit vorbildlich verhalten hätten. «Wer bei der Erteilung von Baugenehmigungen strikt vorging und ungenutzte Gebäude abriss, wird bestraft, während diejenigen profitieren, die alles an Ort und Stelle gelassen haben.» Auch zwischen den einzelnen Betrieben drohe eine Ungleichbehandlung. «Betriebe mit vielen Gebäuden profitieren von einem grösseren Handlungsspielraum.»
Die Landwirtschaftskammer (Laka) fordert vom ARE eine grundlegende Überarbeitung. «Dabei gilt es, sowohl den Parlamentswillen als auch die Volksentscheide der letzten Jahre zu respektieren», heisst es in einer Mitteilung dazu. Letztere hätten gezeigt, dass die Bevölkerung die Hauptaufgabe der Schweizer Landwirtschaft in der nachhaltigen und tierfreundlichen Lebensmittelproduktion sehe. Das bedinge, dass sich die Landwirtschaftsbetriebe entsprechend anpassen könnten.
Parlamentswille ins Gegenteil verkehrt
Das habe auch das Parlament verstanden. Dieses habe nämlich weder eine Plafonierung noch Zwangsmassnahmen verlangt, sondern eine an die kantonalen Voraussetzungen angepasste Stabilisierung. Immerhin sei mit der Revision auch die Vorrangstellung der Landwirtschaft in der Landwirtschaftszone vorgesehen worden. «Die Vorlage verkehrt diesen Vorrang nun ins Gegenteil, indem sie die strengstmögliche Vollzugspraxis zementiert und damit jeglichen Spielraum verunmöglicht», so die Kritik der Laka.
Was es brauche, seien günstige Rahmenbedingungen für Investitionen in moderne Produktionssysteme, führt Marion Zufferey aus. Dazu gehöre auch, dass die Landwirtschaft vor Beschwerden wegen Geruchs- und Lärmemissionen geschützt werde, wenn die Bauzone näher an die Betriebe rücke. Auch der Ausbreitung von Freizeitnutzungen wie Fun Parks oder Golfplätzen müsse ein Riegel geschoben werden – sie sollen beim Bauen ausserhalb der Bauzone nicht berücksichtigt werden.