Die Massentierhaltungs-Initiative findet auch innerhalb der Landwirtschaft sowohl Gegener als auch Befürworter. Alfred Schädeli und Fabienne Wyder legen ihre Pro- bzw. Kontra-Argumente dar.
«Wir essen zu viele tierische Produkte»
[IMG 2]Als Schweizer Bäuerinnen und Bauern dürfen wir stolz sein auf die gesunden und schmackhaften pflanzlichen und tierischen Lebensmittel, die wir erzeugen; im Idealfall in einem geschlossenen Stoffkreislauf und auf dem eigenen Boden. Doch selbst auf unserem biologisch-dynamischen Betrieb ist nicht alles so ideal. Aus wirtschaftlichen Gründen haben wir den Kreislauf hier und dort aufgebrochen. Wir produzieren zum Beispiel Schweizer Eier aus Importfutter. Darauf bin ich weniger stolz.
Andernorts fehlen die Feldfrüchte für Menschen
Auf 40 % der offenen Ackerfläche in der Schweiz bauen wir Futtergetreide und Silomais an. Das reicht jedoch noch lange nicht. Wir halten heute in unserem Land so viele Tiere, dass wir sie ohne Importe nicht zu füttern vermögen. Mehr als eine Million Tonnen Kraftfutter kaufen wir jedes Jahr im Ausland ein, um die Hühner und Schweine in unseren Ställen versorgen zu können. Das sind 60 % des gesamten Kraftfutterverbrauchs; Getreide und Hülsenfrüchte, die andernorts für die menschliche Ernährung fehlen. Darauf können wir nicht stolz sein.
Mir ist sehr wohl klar, dass das ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, welches nicht von der Landwirtschaft allein gelöst werden kann. Der Bundesrat hat Recht, wenn er in seiner neuen strategischen Ausrichtung das gesamte Ernährungssystem in den Blick nehmen und die Nachhaltigkeit von der Produktion bis zum Konsum fördern will.
Das überhitzte System abkühlen
Unsere Essgewohnheiten sind auf Abwege geraten. In unserem Wohlstand essen wir viel zu viele tierische Produkte, insbesondere zu viele Eier und zu viel Schweine- und Pouletfleisch. Darunter leiden die Umwelt, das Klima, die Tiere und die Menschen. Da müssen wir dringend Abhilfe leisten. Die MTI kann dazu einen Beitrag leisten und das überhitzte Ernährungssystem ein wenig abkühlen. Ich esse gerne mal ein Spiegelei mit Speck. Doch wir müssen zum Gleichgewicht zurückfinden zwischen unserer Ernährung und dem, was unser Boden hergibt: zu einer bodenbasierten Landwirtschaft. Würde uns das gelingen, wäre ich stolz.
«Wir würden am Markt vorbei produzieren»
Die MTI stellt meinen Betrieb – meine wirtschaftliche Existenz – in Frage. Zusammen mit meinem Mann führe ich einen kleinen Betrieb von 16 ha. Davon leben können wir nur, weil wir uns auf die Schweine-Kernzucht spezialisiert haben und ohne Angestellte auskommen. Wir halten 56 Muttersauen und gesamthaft 700 Schweine.[IMG 3]
Anders als im Ausland
Das Tierwohl ist uns wichtig. Dieses beginnt mit gesunden Tieren und gutem Futter, das wir teilweise selber produzieren. In der Fütterung verwenden wir Käserei-Nebenprodukte und helfen so, Food Waste zu reduzieren. Verglichen mit dem Ausland sind wir ein Kleinstbetrieb. Als weltweit einziges Land kennen wir zudem eine Obergrenze für die Anzahl Tiere pro Betrieb, so dürfen wir maximal 250 Mutterschweine oder 1500 Mastschweine halten.
Fast alle müssten komplett umbauen
Unsere Muttertiere können sich mit ihren Jungen frei bewegen und die Ferkel haben einen Rückzugsort. Doch nicht einmal wir erfüllen die Auflagen der MTI. Denn diese verlangt Bio-Suisse-Standard. Konkret bräuchte es viel mehr Stallfläche, Auslauf auch während der Säugezeit, Weide- und Wühlbereiche. 95 % der Betriebe mit Zuchtsauen müssten komplett umbauen. Oft ist das unmöglich, weil die örtlichen Verhältnisse es nicht zulassen oder das arrondierte Land fehlt. Die Kosten für das Schweinefleisch würden explodieren.
Der Marktanteil liegt bei 2 Prozent
Noch ein Wort zu den 25 Jahren Übergangszeit. Das mag nach viel klingen, aber effektiv greift das am Tag nach der Abstimmung, sobald ich an meinem Stall Erneuerungen machen muss. Denn solch hohe Investitionen haben eine Abschreibungsdauer von 25 Jahren. Mit der Initiative hätten wir 100% Bio-Schweinefleisch, dieses hat heute aber einen Marktanteil von 2%. Wir würden komplett am Markt vorbei produzieren. Heute schon produzieren wir doppelt so viel Label-Schweinefleisch, als wir als solches verkaufen können. Es sind also nicht wir, welche auf der Bremse stehen! Und doch zielt die MTI nur auf uns Tierhaltende. Das stimmt mich sehr nachdenklich. Damit unsere Existenz in der Schweiz nicht zerstört wird, hoffe ich auf ein klares Nein.