Der öffentliche Streit über den Insektizid-Wirkstoff Acetamiprid in Frankreich hat auch die Schweiz erreicht. Mehrere Medien berichten über den Fall, in dem das französische Parlament Acetamiprid zuerst wieder zulassen wollte und Präsident Emanuel Macron später durch den Druck der Strasse und einer viel beachteten Petition die Wiedereinführung verhinderte. Im Fokus stand der Zuckerrübenanbau: Die Wiederzulassung sollte die Landwirte in Frankreich konkurrenzfähiger machen, indem sie ihre Kulturen besser vor Blattläusen und damit der virösen Vergilbung schützen könnten.

Per Notfallzulassung

Acetamiprid gehört zur Gruppe der Neonicotinoide – wie auch Gaucho, das als Beizmittel für Zuckerrüben wegen Bedenken um die Gesundheit von Bienen verboten worden ist. Der Verband Schweizer Zuckerrübenpflanzer (SZV) hat klargemacht, dass eine Wiederzulassung von Gaucho kein Thema mehr sei (wir berichteten). Acetamiprid hingegen hat hierzulande für den Einsatz in Zuckerrüben zur Blattlaus-Bekämpfung eine befristete Notfallzulassung bis zum 30. September 2025. Es darf allerdings nur mit einer kantonalen Sonderbewilligung verwendet werden.

Die Toxizität von Acetamiprid für Bienen sei wissenschaftlich belegt, halten der Imker-Dachverband Apisuisse, der SZV und die Schweizer Zucker AG in einer gemeinsamen Mitteilung fest. Ebenso gebe es Hinweise auf Risiken für die menschliche Gesundheit. «Apisuisse lehnt die Verwendung dieses Stoffes ab und fordert eine rasche Reduktion und schliesslichen Verzicht auf solche Pflanzenschutzmittel», heisst es in der Mitteilung weiter. Die aktuelle Zulassung in der Schweiz bedeute keineswegs eine Zustimmung von Apisuisse zum Einsatz von Acetamiprid.

Ausnahme Frankreich

Der Imkerverband und die Zuckerbranche haben sich zu Wort gemeldet, nachdem es durch einen Bericht im Westschweizer Radio zu «Verwirrung und Fehlinformationen» gekommen sei. Sie bekräftigen ihre gemeinsame Verpflichtung zu einer verantwortungsvollen Landwirtschaft. Gemeinsam wollen Imker, Rübenpflanzer und Zuckerfabrik demnach den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (PSM) im Zuckerrübenanbau stetig reduzieren, bienen- und umweltfreundliche Anbaumethoden fördern, Lösungen zum Schutz der Biodiversität entwickeln sowie die Kommunikation über Risiken und Massnahmen transparent und abgestimmt gestalten. Ziel sei ein konstruktiver Dialog.

Ein solcher scheint in Frankreich nicht gelungen zu sein. Die öffentliche Empörung über die Wiederzulassung von Acetampirird war gross, obwohl Frankreich mit seinem generellen Verbot in der EU eine Ausnahme ist. Tatsächlich hat die Europäische Union 2018 die Zulassung von Acetamiprid bis 2033 verlängert.

Das bedeutet aber nicht, dass die Verwendung von Acetamiprid im gewohnten Rahmen für die nächsten acht Jahre gesichert ist. So hat die EU Anfang Jahr zahlreiche Rückstands-Höchstgehalte für diesen Wirkstoff angepasst. Aufgrund gesundheitlicher Bedenken dürfen somit verschiedene Obst- und Gemüsekulturen im Sinne des Konsumentenschutzes weniger Rückstände dieses Wirkstoffs aufweisen. Die Schweiz hat die neuen Werte übernommen, sie treten mit einer Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2026 in Kraft.

Einschränkungen und Verbote

Die in den Zulassungen definierten Anwendungsbedingungen müssen dafür sorgen, dass Rückstands-Vorschriften beim vorschriftsgemässen Einsatz von PSM eingehalten werden. Entsprechend hat das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die zugelassenen Anwendungen von Acetamiprid Mitte Juli eingeschränkt. Die Schweizer Zulassungsstelle Pflanzenschutzmittel beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) überprüft derzeit ebenfalls die zugelassenen Acetamiprid-haltigen Pflanzenschutzmittel hinsichtlich ihrer Risiken für die Konsument(innen). Dies mit dem Ziel, dass bei der Anwendung dieser Mittel die neuen, strengeren Rückstandshöchstgehalte eingehalten werden. Je nach Resultat der Überprüfung würden Anpassungen in den Anwendungsbestimmungen vorgenommen, so das BLV. Die Anwendung von Acetamiprid-haltigen Mitteln könnte zum Schutz der Gesundheit für gewisse Indikationen auch gänzlich verboten werden.

Zuletzt geschah das im Fall von Lambda-Cyhalothrin-haltigen PSM: wegen einer Senkung der Rückstandshöchstgehalte für Lebensmittel dürfen diese Mittel seit Ende März nur noch in geringeren Mengen und seltener in bestimmten Kohl- und Salatsorten eigesetzt werden.

Ob es 2026 wieder eine Notfallzulassung für Acetamiprid in Zuckerrüben geben wird, ist noch unklar. Einen entsprechenden Antrag würden die zuständigen Bundesbehörden sorgfältig prüfen, erklärt das BLV.