29 Landwirtschaftsbetriebe machen mit beim zürcherischen Ressourcenprojekt Zibif. Betriebe, die am Projekt teilnehmen, sind freier in der Bewirtschaftung ihrer Biodiversitätsförderflächen (BFF), sie tragen jedoch auch mehr Verantwortung. Wir haben drei Landwirte zu Ihren Erfahrungen mit dem Projekt befragt:
«Intensive Produktion und hohe Biodiversität sind nebeneinander möglich»
Welche Auswirkungen hatte das Projekt Zibif auf den Betrieb?
[IMG 2]Wir starteten im Projekt als intensiver Ackerbaubetrieb mit einer Biodiversitätsförderfläche (BFF) von 7,0 Prozent. Vorrangiges Ziel des Zibif war auf unserem Betrieb, die Qualität unserer BFF-Flächen zu erhöhen.
Dazu mussten wir auch die Standorte unserer BFF überdenken. Wir haben diese, wie wahrscheinlich so manch ein Betrieb, vor Jahren auf dem restlichen, schlecht zu bewirtschaftenden Land angelegt. Für das Zibif haben wir zusätzliche BFF-Flächen auf ackerfähigem, aber nicht optimalem Land angelegt. Konkret wurden auf 50 Aren eine Frommentalwiese und auf drei Parzellen à jeweils 20 Aren Buntbrachen eingesät. Andererseits wird eine ehemals extensiv bewirtschaftete Parzelle ohne Qualität etwas intensiver genutzt. Dadurch umfasst die BFF aktuell 8,1 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
Wie beurteilen Sie die umgesetzten Massnahmen?
Wir waren erstaunt, wie gut die Massnahmen funktioniert haben. In der Frommentalwiese wuchs im ersten Jahr sehr viel Hirse. Diese wurde mit mehrmaligem Schneiden bekämpft. Im zweiten Standjahr präsentiert sie sich nun sehr schön mit Fromental, Goldhafer, Wiesensalbei, Witwenblume, Habermark, Wiesenpippau, Margeriten und vielem mehr. Für die Zukunft wird eine Heunutzung mit zwei Schnitten und einer Herbstweide angestrebt. Je nach Zustand und botanischer Zusammensetzung würden wir sie allenfalls mit einer leichten Mistgabe düngen.
Bei den Buntbrachen sind die Resultate unterschiedlich, von den drei angesäten ist eine nur noch Unkraut und Gras. Diese werden wir im nächsten Jahr aufheben.
Welche positiven Schlüsse ziehen Sie aus dem Zibif?
Das Zibif hat unseren Betrieb in zwei Punkten genützt. Einerseits wurde der Betrieb durch die umgesetzten Massnahmen IP-Suisse-tauglich. Dies war nicht beabsichtigt, es hat sich aber zufällig ergeben. Das Brotgetreide wurde bereits vor Zibif ohne den Einsatz von Herbiziden und Extenso angebaut. Mit den durchgeführten Zibif-Massnahmen können wir es jetzt unter dem Label der IP-Suisse als «pestizidfreies Getreide» vermarkten.
Andererseits schätzen wir nun, dass wir freier in unseren Entscheidungen sind. So sind wir zum Beispiel nicht mehr an den Schnittzeitpunkt vom 15. Juni gebunden und können eigenständiger und der Witterung entsprechend entscheiden, wann wir unsere Ökowiesen mähen. Es gilt aber immer das Ziel «Biodiversitätsförderung» vor Augen zu halten. 2023 haben wir unsere extensiv genutzten Wiesen ab dem 6. Juni gemäht.
Welche Herausforderungen sehen sie im Zibif?
Die vom Zibif geforderte Dokumentation ist anspruchsvoller und zeitaufwendiger als beim «klassischen» ÖLN. Ausserdem verlangt das Zibif vom Landwirt, dass er sich intensiver mit seinen BFF auseinandersetzt. Man muss zum Beispiel Bonituren durchführen und Weiterbildungsveranstaltungen besuchen. Die waren aber sehr interessant gemacht, und wir haben vom Austausch zwischen den Teilnehmern und den Fachleuten profitiert. Hier hat man es im «normalen» ÖLN und seiner fixen Daten- sowie Flächensetzung als Landwirt schon einfacher.
Samuel Herrmann bewirtschaftet zusammen mit seiner Familie den Landwirtschaftsbetrieb Forenhof in Altikon ZH. Auf einer Fläche von 55 ha werden in einer Fruchtfolgegemeinschaft Kartoffeln, Zuckerrüben, Silomais, Winterweizen, Wintergerste und Triticale angebaut. Für das Vieh wird eine zweijährige Kunstwiese angesät.
Neben dem Ackerbau betreibt Herrmann Munimast und hält eine kleine Mutterkuhherde zur Beweidung der nicht ackerfähigen Grünlandflächen.
«Ich bin frei in meiner Entscheidung, trage aber auch die volle Verantwortung»
Welche Auswirkungen hatte das Projekt Zibif auf den Betrieb?
[IMG 3]Ziel des Zibif auf unserem Betrieb war es, die Biodiversität im Rebberg und in den Ökowiesen zu erhalten. Die grösste Auswirkung für uns war die durch das Zibif «gewonnene» Freiheit. Ich konnte so zum Beispiel eine «fette» Ökowiese bereits am 20. Mai heuen. Durch den frühen Schnitt habe ich den Klappertopf zurückgedrängt. Auf derselben Wiese habe ich dann gegen Ende Sommer einen zweiten Schnitt durchgeführt. Diese Massnahme hat meiner Beobachtung nach der Artenvielfalt sogar genützt.
In den Reben ermöglicht mir das Zibif nun, meine eigene Mischung einzusetzen. In dieser hat es viele insektenfördernde Pflanzen wie zum Beispiel den wilden Fenchel, welcher vom Schwalbenschwanz, einer einheimischen Schmetterlingsart, sehr geschätzt wird. Wir säen die Mischung jährlich in den Zwischengassen an und lassen sie stehen, solange es geht.
Wie beurteilen Sie die umgesetzten Massnahmen?
Stand heute kann ich sagen, dass der frühe Schnitt sich an gewissen Lagen positiv auswirkte. Früheres Schneiden nützt aber nicht immer. Die Fachberatung durch die Experten und das gemeinsame Beurteilen hat sich für beide Seiten gelohnt. Dadurch, dass andere Fachleute den Betrieb anschauen, wird man nicht betriebsblind und bekommt oft auch Tipps. Zum Beispiel das Anlegen eines Nützlings-Blühstreifens als Lebensraumbrücke von Hecke zum Wald.
Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Zibif?
Ein Vorteil des Zibif ist die Flexibilität. Wir haben fast 7,5 ha extensive Wiesen an verschiedensten Lagen. Möchten wir die Biodiversität fördern, müssen wir individuell bewirtschaften, das heisst auch schneiden. Ein Loslösen vom festen Schnitttermin erlaubt mir das. Leider gelten Wiesen, die kein Q2 erfüllen, im Zibif nicht mehr als BFF, sonst wäre der Anteil an BFF-Fläche viel höher. Als besonders wertvoll erachte ich auch die Zusammenarbeit mit dem FiBL und dem Strickhof. Durch die gemeinsame Begehung der Flächen bietet sich für mich die Möglichkeit, mich mit den Experten auszutauschen und entsprechendes Feedback zu erhalten. Auch können wir in Absprache mit den Fachleuten etwas ausprobieren, was uns dann motiviert. Im Vergleich mit dem «normalen» ÖLN fehlt dies oft, und als Landwirt arbeitet man hier halt nach Reglement. Man macht die Faust im Sack, wenn man etwas machen möchte, das nicht geht, oder macht es dann trotzdem und verstösst somit gegen die Auflagen.
Welche Herausforderungen sehen sie im Zibif?
Die grösste Herausforderung sehe ich in der Kontrolle der Massnahmen. Bei dreissig Betrieben ist das Ganze für alle Beteiligten noch sehr übersichtlich. Auch sind alle im Zibif involvierten Landwirte auch jene, die motiviert sind, mitzumachen, und etwas für die Biodiversität tun möchten. Bei einer breiten Einführung könnte ich mir jedoch auch gut vorstellen, dass der eine oder andere in Versuchung kommen könnte, es auszunutzen. Wie will man das denn kontrollieren?
Michael Frauenfelder bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau Claudia den Wylandhof in Henggart ZH nach den IP-Suisse-Richtlinien. Auf dem gemischten Acker- und Rebbaubetrieb werden Weizen, Urdinkel, Mais, Zuckerrüben, Chicorée, Lupinen, Sonnenblumen, Spargeln und Mohn produziert.Es wird auch immer wieder Neues ausprobiert: Aktuell sammeln Frauenfelders erste Erfahrungen mit dem Anbau von Artischocken. Neben den 25 Hektaren Ackerfläche werden 2,2 ha Rebfläche bewirtschaftet. Auf dem grössten Teil wachsen für diese Gegend «klassische» Sorten wie Blauburgunder und Riesling-Silvaner. Ein kleiner Teil ist mit Kerner- und Dunkelfelder-Trauben besetzt. 16,31 Prozent der Betriebsfläche werden als BFF geführt.
«Ich komme mir nicht als blosser Befehlsempfänger vor»
Welche Auswirkungen hatte das Projekt Zibif auf den Betrieb?
[IMG 4]Das Zibif bot mir die Möglichkeit, mich intensiver mit meinem Betrieb, vor allem mit der Flora auf den Betriebsflächen auseinanderzusetzen und mich mehr für die Biodiversität zu sensibilisieren. Mein Vater und Grossvater waren bereits zurückhaltend mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Es gibt somit auf dem Betrieb ackerbaulich genutzte Fruchtfolgeflächen, auf denen nur spärlich Chemie eingesetzt wurde. Als dann die Fachleute vorbeikamen, um den Grundlagenplan zu erfassen, lernte ich, dass auf meinen Flächen seltene Begleitpflanzen wie zum Beispiel der Acker-Hohlzahn oder die Acker-Waldnelke wachsen. Aufgrund der hohen Artenvielfalt wurde beschlossen, einen grossen Teil der Flächen des Betriebs in das Zibif-Projekt mit aufzunehmen. Ich habe somit von den vorangehenden Generationen profitiert.
Wie beurteilen Sie die umgesetzten Massnahmen?
Dank des Zibif gehe ich in der Bewirtschaftung nun noch mehr auf die jeweiligen Bedürfnisse der entsprechenden Parzelle ein. Die Wegränder und die Randparzellen, welche ich bisher früh im Jahr gemäht habe, lasse ich zum Beispiel nun länger stehen, weil sie viele Pflanzen beinhalten, die wichtig für die Verbreitung der einheimischen Schmetterlinge sind. Auch sehe ich bereits erste Ergebnisse: Zum Beispiel konnte ich mit einem frühen Schnitt im Ried, welches ich für die Gemeinde bewirtschafte, die Goldrutenpopulation effektiv zurückdrängen. Das war eine einfache und effiziente Massnahme, die der sonstigen Flora aber nicht geschadet hat. Die im Bestand vorhandenen Orchideen profitieren so von mehr Licht.
Welche positiven Schlüsse ziehen Sie aus dem Zibif?
Ich schätze die Zusammenarbeit und den Austausch mit den Fachleuten sehr. Die Kommunikation, der Austausch, die Diskussionen sind auf Augenhöhe, und die Freiheit der durchzuführenden Massnahmen liegt am Schluss bei mir, dem Bewirtschafter, und diese Freiheit schätze ich sehr.Ich komme mir nicht wie ein blosser Befehlsempfänger vor.
Welche Herausforderungen sehen Sie im Zibif?
Auf meinen 25 ha verfüge ich aufgrund des Zibif nun über 83 Einzelparzellen. Für zirka 60 dieser Parzellen habe ich einen separaten Bewirtschaftungsvertrag. Der Mehraufwand an zu verrichtenden Arbeiten, aber auch an administrativen Tätigkeiten ist auf unserem Betrieb also unverkennbar gestiegen. Das Ganze klingt jedoch dramatischer, als es ist, weil all diese Tätigkeiten am Schluss «hinten rechts» für uns aufgehen. Die Biodiversität ist somit zu einem eigenständigen Betriebszweig geworden, dem wir mit gleicher Seriosität Sorge tragen wie zum Beispiel dem Ackerbau oder der Tierhaltung.
Res und Jacqueline Moser bewirtschaften gemeinsam den St. Annahof in Stammheim ZH. Die 25 ha LN werden seit acht Jahren nach den Knospe-Richtlinien bewirtschaftet, 12 Prozent sind als BFF ausgewiesen. Der Betrieb ist breit aufgestellt, auf 14 ha Fläche rotiert eine Fruchtfolge. Angebaut werden Mais, Winterweizen, Hartweizen, Roggen, Dinkel, Sommerhafer, Kunstwiesen und ein Erbsen-Gersten-Gemenge. Die Bodenbearbeitung erfolgt meist mit einem Flachgrubber und gezogenen Eggen, der Pflug wird einzig für den Kunstwiesenumbruch eingesetzt. Daneben hält der Betrieb eine Herde von 18 Hinterwälder-Mutterkühen mit Zuchtstier, Mastgruppe und Aufzucht.
