«Ich kenne in meinem bäuerlichen Umfeld niemanden, der für die Biodiversitäts-Initiative ist», erklärte Landwirt Thomas Seeholzer. Er war auf seinem Bauernhof Fernsicht oberhalb Meierskappel Gastgeber für die Medienkonferenz der Innerschweizer Nein-Kampagne. Dazu eingeladen hatten die Bauernverbände der Kantone Luzern, Obwalden und Nidwalden.
Betrieb gefährdet
Seeholzer bewirtschaftet auf seinem Grünlandbetrieb 17,6 ha, davon sind 1,7 ha vernetzte, extensiv genutzte Wiesen. Betriebszweige sind die 26 Mutterkühe für Natura-Beef, 30 Legehennen, Forellenzucht, Imkerei, Waldwirtschaft, Agricamping, Photovoltaik und Direktvermarktung. Die Ökologie habe auf seinem Betrieb einen hohen Stellenwert, von den 85 Hochstammbäumen sind viele in Qualitätsstufe II, zudem beteiligt er sich mit vielen Massnahmen in Vernetzungs- und Landschaftsqualitätsprojekten.
«Die Landwirtschaft tut schon viel für die Biodiversität, zu achten ist auf mehr Qualität, statt auf noch mehr Quantität zu setzen.» Bei Annahme dieser Initiative geht Seeholzer davon aus, dass Betriebe wie seiner in der Existenz gefährdet wären und kaum mehr Lebensmittel produzieren könnten. Die Wertschöpfung aus der Land- und Forstwirtschaft sollte doch im Inland gehalten statt ins Ausland verlagert werden, findet Seeholzer. [IMG 2]
Grosse Verunsicherung
Bei der übrigen Bevölkerung stellt er eine grosse Verunsicherung fest. «Viele Leute wissen noch nicht, ob sie ja oder nein stimmen sollen.» Aufgrund des harmlosen Wortlautes der Initiative seien sich viele Leute der Konsequenzen nicht bewusst. Die Informationsflut aus den sozialen Medien mit vielen Pro- und Kontra-Videos trage zur Verunsicherung bei und erschwere es, sich eine eigene Meinung bilden zu können. Umso wichtiger sei es, dass die Bauern als Direktbetroffene aktiv das Gespräch mit den Leuten suchen, appellierte Seeholzer.
Initiative ist extrem und unnötig
Für die Gegnerschaft ist die Initiative extrem, unnötig und nicht zielführend, wie mehrere Votanten im Stall bei Seeholzer betonten. Der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki wies darauf hin, dass gerade der offene Wortlaut das grosse Problem sei. Zwar seien keine konkreten Zahlen zur erwünschten Ausscheidung von Schutzflächen genannt. Die Initianten wünschten aber, dass 30 Prozent der gesamten Landesfläche für Biodiversität reserviert werden. Das habe auch Pro Natura in einer Medienmitteilung verlauten lassen, erklärte Daniel Blättler, Geschäftsführer der Bauernverbände Uri, Ob- und Nidwalden. Der Vollzug und die Rechtsprechung werden sich bei der Umsetzung auf solche Vorstellungen der Initianten stützen, meinte Ständerat Wicki. «Wir brauchen aber gesunden Menschenverstand und keine Rechtsfälle.» Er wies als Präsident von Seilbahnen Schweiz auch auf die negativen Folgen für den Tourismus und die Berggebiete hin.
Versorgungssicherheit mit Strom gefährdet
Für Simon Schärer, Leiter Public Affairs bei CKW, steht diese Initiative quer in der Landschaft. Das Schweizer Volk habe mit dem Ja zum Stromgesetz den Ausbau der erneuerbaren Energien bestätigt. Der mit den Naturschutzorganisationen erarbeitete Kompromiss zwischen Naturschutz und Produktion von Energie werde mit der Initiative gefährdet.
Die Ausscheidung grosser Schutzgebiete würde den Bau von Kraftwerken erschweren und der stärkere Ortsbildschutz könnte den Ausbau der Solarenergie in den Dörfern bremsen. «Wir können es uns nicht leisten, unsere Versorgungssicherheit zu gefährden.» Um das Klima und die Biodiversität zu schützen, müssten fossile Energien mit sauberem Schweizer Strom ersetzt werden. Auch für GLP-Kantonsrat Urs Brücker geht die Initiative viel zu weit, sie bringe nicht nur krasse Einschränkungen für die Landwirtschaft, sondern auch für die Transformation unseres Energiesystems. Bund und Kanton würden schon viel tun für die biologische Vielfalt und die Ökosystemleistungen der Natur. Für ihn sei deshalb klar: Energiewende und Biodiversität ja, Biodiversitäts-Initiative nein.
Ethisch nicht vertretbar
Markus Kretz wies als Landwirt und Präsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbandes (LBV) auf die schon grosse Auslandabhängigkeit bei der Lebensmittelversorgung hin. «Es ist ethisch nicht vertretbar, durch Auslagerung der Lebensmittelproduktion unseren Fussabdruck ins Ausland zu verlagern.» Bereits heute sei ein Fünftel des Kulturlandes für Biodiversität ausgeschieden. Die Bäuerinnen und Bauern wüssten sehr wohl, wie sie zu ihrer Produktionsgrundlage nachhaltig Sorge tragen müssten, ohne überflüssige Gesetze.
«Wir brauchen die Biodiversität, um überleben zu können», ergänzte Petra Rohrer, Co-Präsidentin Landfrauenverband Obwalden und Kantonsrätin Mitte. «Wir lassen uns aber die Produktionsgrundlagen nicht wegnehmen und uns noch mehr vorschreiben, wie wir mit unseren Flächen umzugehen haben.»