Zuoberst in der Pyramide des schweizerischen Rechtssystems steht die Bundesverfassung. Sie regelt die grundlegenden Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger. Unter der Verfassung sind die Gesetze eingeordnet. Sie konkretisieren die Verfassung. Die Verordnungen sind der Verfassung und den Gesetzen untergeordnet und führen schliesslich die gesetzlichen Bestimmungen aus. Dieses eng geflochtene Netz von Regeln legt das gesellschaftliche Zusammenleben fest und kann allfällige Verstösse sanktionieren.
Es darf nicht sein, dass ökologisch sensible Flächen intensiv genutz werden
Wenn Gesetzesartikel jedoch Landwirte und Landwirtinnen an der Ausführung ihrer beruflichen Tätigkeit hindern, statt ihren staatlichen Auftrag lediglich zu regeln, handeln die Betroffenen. Das ist ihr Recht. So geschehen beispielsweise auf 1624 Metern über Meer in der Bündner Gemeinde Hinterrhein. Dort beantragte eine Talalpgenossenschaft den flächengleichen Abtausch von gewissen Sömmerungsflächen mit Flächen, die als landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) angemeldet sind – und umgekehrt. Dies plante sie, um effizienter arbeiten und die Felder rationeller bewirtschaften zu können, was der Staat im Rahmen der Verfassung schliesslich auch so fordert.
Die Landwirtschaftliche Zonenverordnung verbietet aber solche Abtäusche. «Es sollte verhindert werden, dass aufgrund der massiven Erhöhung der Direktzahlungen auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Rahmen der Agrarpolitik 2002 alpwirtschaftlich genutzte Flächen, die ökologisch sensibler sind, intensiver bewirtschaftet werden», begründet der Bundesrat seine ablehnende Haltung gegenüber dem vorgeschlagenen flächengleichen Abtausch, der letzen Sommer in Form einer Motion von Ständerat Martin Schmid eingereicht wurde.
Der Bundesrat befürchtet eine Ungleichbehandlung
Die gewünschte Flexibilisierung der Abgrenzungskriterien würde schweizweit zu einer Ungleichbehandlung führen, warnt der Bundesrat. «Für die vielen Betriebe im Mittelland (...) gibt es keine angrenzenden Sömmerungsflächen. Ein Abtausch mit weit entfernten Sömmerungsflächen würde wirtschaftlich und agronomisch keinen Sinn machen», schreibt der Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Motion. Damit befürchtet der Bundesrat also, dass in der Tendenz bereits extensiv bewirtschaftete Nutzflächen, wie zum Beispiel Flächen im Gewässerraum, zu Sömmerungsflächen umgewandelt und Sömmerungsflächen in Form von LN intensiv bewirtschaftet würden.
Der Ständerat brachte den Ball ins Rollen
Die erwähnte Talalpgenossenschaft hält diese Befürchtungen für unbegründet. Sie engagiert sich für die Ermöglichung dieses flächengleichen Abtauschs unter gewissen Bedingungen. Nachdem der Präsident dieser Vereinigung erfolglos an die Türen des zuständigen Bundesamtes geklopft hatte, entschied er sich vor einigen Monaten, nicht die Faust im Sack zu machen, sondern eines der demokratischen Werkzeuge in die Hand zu nehmen und es anzuwenden. So wandte er sich an einen Ständerat, der in der Folge eine entsprechende Motion einreichte. So kam der Ball schliesslich ins Rollen. Nur so kommt es, dass das Anliegen aus einem Bündner Alpgebiet nun im Dezember in der grossen Kammer in Bern besprochen wird.
Für die Gesellschaft ist es zentral, solche Anliegen an die Öffentlichkeit bringen zu können
Man kann sich fragen, wie viele Bewirtschafter und Bewirtschafterinnen effektiv von der geforderten Flexibilisierung innerhalb der landwirtschaftlichen Zonenverordnung profitieren könnten. Wie viele sind wirklich davon betroffen? Wie vielen würde es die Arbeit im Berggebiet tatsächlich erleichtern, wenn die Flächen besser arrondiert wären? Darüber kann man sich streiten. Aber fest steht, dass es für unsere Gesellschaft zentral ist, solche Anliegen an die Öffentlichkeit zu tragen und darüber diskutieren zu können. Das Beispiel im Rheinwald zeigt es gut: Nutzt man die Parlamentarier und Parlamentarierinnen, statt sich über die langsamen Mühlen der Politik zu enervieren, kann durchaus auf ziemlich kurzem Weg eine Diskussion auf das politische Parkett gebracht werden.
Der Ständerat nahm die Motion diesen Sommer nämlich an. Ob auch der Nationalrat der Forderung zustimmt, wird sich voraussichtlich im Dezember zeigen. Hängt man seine Forderung oder seine Idee einem Verein, einer Interessensgemeinschaft oder Ähnlichem an, erhöht dies automatisch die Schlagkraft. Darum: Wehren Sie sich mit den demokratischen Werkzeugen, die jeder und jedem zur Verfügung stehen. Nur so kann man die Umgebung, in der man lebt, so verändern, dass man besser darin arbeiten kann.