Wo liegt beim Thema Food Waste das grösste Problem? «Ganz klar beim Konsumenten. Durch übersteigerte Qualitätsansprüche entsteht Food Waste auf allen Ebenen der Kette»: Für Mirko Buri, ehemals Koch in der Spitzengastronomie und mit seinem Unternehmen Foodoo Pionier im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung, ist die Antwort im Interview mit der BauernZeitung klar.

2,8 Millionen Tonnen pro Jahr

Fakt ist: In der Schweiz werden jährlich rund 2,8 Millionen Tonnen Lebensmittel entlang der gesamten Wertschöpfungskette verschwendet, wie das Bundesamt für Umwelt (Bafu) schreibt. Das entspricht etwa 330 Kilogramm vermeidbaren Lebensmittelverlusten pro Person und Jahr. Die Verteilung auf die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette ist dabei wie folgt:

  • Landwirtschaft 556'000 Tonnen (Umweltwirkung in Prozent: 13 %).
  • In der Verarbeitung gehen 963'000 Tonnen verloren (27 %).
  • Im Gross- und Detailhandel sind es 279'000 Tonnen (8 %)
  • und in der Gastronomie 210'000 Tonnen (14 %).
  • Kommen wir zu den Haushalten, hier sind es 778'000 Tonnen (38 %)

Wert von 600 Franken landet im Müll

Laut Bafu werden pro Person und Jahr Lebensmittel im Wert von rund 600 Franken weggeworfen. Die meisten davon werden wohl im Schweizer Detailhandel gekauft. Doch was unternehmen die Detailhändler eigentlich gegen Lebensmittelverschwendung?

«Die wichtigste Massnahme ist die optimale Planung bei der Beschaffung der Lebensmittel», schreibt die Migros auf ihrer Website. Dazu zählen eine möglichst genaue Mengenplanung in den Filialen, massgeschneiderte Transportwege und Lieferzeiten. Nach eigenen Angaben verkauft Migros knapp 99 % aller Lebensmittel oder spendet sie an gemeinnützige Organisationen. Der verbleibende Rest werde «grösstenteils hochwertig» verwertet – als Biogas, Tierfutter oder Kompost. Zudem arbeitet Migros mit der App «Too Good To Go» zusammen, die Kunden mit Restaurants und Geschäften verbindet, die überschüssige Lebensmittel zu einem vergünstigten Preis abgeben.

Bei Denner beträgt die Food-Waste-Quote laut Nachhaltigkeitsbericht 2023 0,84 %. Der Discounter setzt auf gezielte Warendisposition und gestaffelte Preissenkungen. Noch geniessbare, aber nicht verkaufte Produkte werden an soziale Organisationen gespendet. Auch Denner arbeitet mit «Too Good To Go» zusammen – man sei dabei der erste Discounter der Schweiz gewesen.

Coop gibt an, dass nur etwa 0,2 % der Lebensmittel entsorgt werden müssen. Der Detailhändler setzt auf flexible Bestellsysteme, die Verwertung ungeniessbarer Lebensmittel zu Tierfutter oder Biogas und unterstützt Bedürftige, indem er Lebensmittel an «Tischlein deck dich» und die «Schweizer Tafel» spendet. Unter der Marke «Ünique» bietet Coop zudem Obst und Gemüse an, das nicht den gängigen Normen entspricht. Auch Coop ist auf der «Too Good To Go»-App vertreten.

Durch dieselbe Kooperation bietet auch Volg in vielen Filialen Überraschungspäckli an, um überschüssige Lebensmittel zu reduzieren. Spar Schweiz bietet ebenfalls Lebensmittelpakete über «Too Good To Go» an.

Bei Lidl sollen effiziente Bestellprozesse Überbestände vermeiden, weshalb Frischwaren am Abend oft ausverkauft seien. Zudem reduziert Lidl, wie andere Detailhändler auch, täglich die Preise von Produkten, die kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehen. Auch Lidl arbeitet mit karitativen Organisationen zusammen und verwertet ein Teil der nicht mehr geniessbaren Lebensmittel in der Biogasanlage. Als erster Schweizer Detailhändler führte Lidl 2020 den Hinweis «Oft länger gut» neben dem Mindesthaltbarkeitsdatum auf Eigenmarkenprodukten ein, um Kunden zu sensibilisieren. Zusätzlich gibt es «Rettersäckli», das mit Produkten gefüllt ist, deren Aussehen nicht mehr zu 100 % den optischen Vorgaben entspricht, die aber dennoch problemlos konsumiert werden können.

Aldi Suisse setzt auf einen sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln, korrekte Lagerung sowie ein «ausgeklügeltes Bestellsystem» und Rabattierung kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums. Der Discounter bemüht sich, dass bei Filialschluss möglichst wenige Frischprodukte übrigbleiben. Zusätzlich würden witterungsbedingte Überschüsse in der Landwirtschaft abgenommen und vermarktet sowie Obst der Klasse 2 verkauft. Noch geniessbare, aber unverkaufte Waren werden durch die Zusammenarbeit mit karitativen Organisationen gerettet, heisst es weiter.

Bund zieht 2025 Bilanz

Die Politik hat sich dem Thema längst angenommen. Am 6. April 2022 hat der Bundesrat einen Aktionsplan verabschiedet, mit dem Ziel, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 im Vergleich zu 2017 zu halbieren. Dazu hat er mit Unternehmen und Organisationen des Lebensmittelsektors eine branchenübergreifende Vereinbarung getroffen. 2025 will er prüfen, ob die eingeführten Massnahmen ausreichen, und wenn nötig weitere Beschlüsse fassen. Wie einfach die eingangs erwähnten Konsumenten diesbezüglich zu erziehen sind, bleibt derweil offen.