Ich bin ein Kind des Friedens. Das hat nichts mit meiner Gesinnung zu tun, sondern mit Ort und Zeit meiner Geburt. Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen kann ich dem Fall der Berliner Mauer zuschreiben. Während meiner Schulzeit gab es zwar eine Immobilienkrise und Balkan-Flüchtlinge, aber der Weltfrieden war greifbar. Mein Lehrbeginn fiel in das Katastrophenjahr 2001, und die Finanzkrise traf die Welt gegen Ende meines Agronomiestudiums. Trotz Umwälzungen und Krisen lehrte man mich unbeirrt: weltweit werde die Mittelschicht reicher und der Hunger kleiner. Die Globalisierung mache die Welt vielleicht nicht gerechter, abersicherer.

Herausforderungen können nur gemeinsam gelöst werden

Die letzten Jahre zerrütteten diese Gewissheiten. Hunger und Armut nehmen zu. Geopolitische Konflikte verflechten sich weltumspannend. Auch die nüchterne «NZZ» hält fest, dass die Wahrscheinlichkeit eines dritten Weltkrieges seit der Kubakrise 1962 nicht mehr so gross war wie heute.

Jeder Krieg löst unsagbares persönliches Leid bei direkt betroffenen Menschen aus. Daneben darf nicht vergessen werden, was auf der Strecke bleibt: Die Weltgemeinschaft hätte eigentlich sonst genügend gigantische Herausforderungen, die nur gemeinsam gelöst werden können. Die Artenvielfalt schwindet rasant und auch ohne Klimawandel ist die wachsende Menschheit bereits mittelfristig nicht mehr «nachhaltig» zu ernähren … Auch wenn das Fressen bekanntlich vor der Moral kommt, die langfristige Sicherstellung einer globalen Welternährungssicherheit interessiert im Krieg niemanden mehr. Und was kümmert uns Bauern in der Schweiz das? Wir haben doch unsere eigenen Probleme. Diese sollen so gross sein, dass es offenbar keine Alternative zum aktiven Protest gibt. Dem Bund geht das Geld aus, er will bei Entwicklungshilfe, Militär und Landwirtschaft sparen. Die drei Bereiche, bei denen Sparen am einfachsten ist, bräuchten aufgrund der Weltlage mehr Geld … Die Politik ist gefordert.

Zur Person
Der Landwirt und Agronom Christian Galliker führt mit seiner Familie einen Bioetrieb in Beromünster LU mit Mutterkuhhatlung, Pouletmast und Ackerbau.

Kinder des Friedens

Auch meine Kinder sind Kinder des Friedens. Tun wir alles dafür, dass auch ihre Kinder es sein werden. Weltpolitik ist nicht das Ergebnis von Verschwörungen, sondern von Millionen von Entscheidungen. Nehmen wir unsere Verantwortung wahr, in dem wir das grosse Ganze nicht aus den Augen verlieren. Immer wieder werden bei Bauernprotesten in Nachbarländern – und auch in der Schweiz – Flüchtlingshilfe und die Unterstützung der Ukraine infrage gestellt, gar ins Lächerliche gezogen. Ich schäme mich für unseren Berufsstand, wenn ich so etwas lese.