Produziert wird, wofür es eine Nachfrage gibt. Doch das entspricht nicht immer dem, was Politik und Gesellschaft hinsichtlich Nachhaltigkeit von der Landwirtschaft verlangen. «Es gibt viel Frustration wegen dieses Mikromanagements», stellt Barbara Küttel fest.

Die Co-Präsidentin der Agrarallianz sieht daher eine grosse Chance darin, dass es bei der AP 30+ erstmals nicht nur um eine Agrarpolitik, sondern eine Politik für die Land- und Ernährungswirtschaft geht. «Es muss auf der Nachfrageseite etwas passieren», ist Küttel überzeugt. Die bisherigen Massnahmen – stets auf Ebene der Produktion – stiessen an Grenzen und seien in Bürokratie und überbordendem Aufwand geendet.

Neu ausrichten

Die Agrarallianz ist Teil der Begleitgruppe der AP 30+ und hat ihre Vorschläge zu nachfrageseitigen Massnahmen in zwei Papieren zusammengefasst, die der BauernZeitung vorliegen. Um Kostenwahrheit zu schaffen – sprich, negative Effekte der Herstellung in den Produktpreis zu integrieren – sieht die Agrarallianz folgende Ansatzpunkte:

Mehrwertsteuer (MWST): Ausrichten auf den Konsum nachhaltiger Lebensmittel, beim Einkauf und im Gastrobereich. Z. B. Streichen der MWST auf Label-Produkten und Gemüse, Früchte sowie evtl. pflanzliche Proteine. Allenfalls zusätzliche Lenkung durch höhere MWST auf Produkte mit besonders starker negativer externer Wirkung. Letzteres hätte den Vorteil, dass das Schrauben an der MWST eher kostenneutral würde hinsichtlich Bundeseinnahmen.

Absatzförderung: Neu ausrichten in Kohärenz mit dem Zukunftsbild 2050 und einer standortangepassten Landwirtschaft. Keine Absatzförderung für gesundheitsschädigende Produkte (etwa Zucker), höherer Anteil für inländische pflanzliche Produkte, tierische Produkte nur aus standortangepasster Produktion fördern, verstärkter Fokus auf Labels.

Konsumseitige Subventionen: Sollen sicherstellen, dass auch einkommensschwache Haushalte sich gesunde und nachhaltige Lebensmittel leisten können. Z. B. verbilligte / kostenlose Mahlzeiten für alle Schulkinder und Jugendliche in Lehre oder Mittelschule (nur nachhaltige und gesunde Menüs), gezielte Subventionen in Form von vergünstigten Abos für Label-Lebensmittel oder eine Sozialversicherung für Ernährung.

Potenzial bei Gastronomie

Barbara Küttel ist sich bewusst, dass Anpassungen der MWST umstritten sind. Viel Potenzial sieht die Agrarallianz aber auch in der Gemeinschaftsgastronomie, wo Massnahmen einfacher zu realisieren seien. So könnten die bestehenden Qualitätsstandards für Betriebskantinen, Spitäler usw. sowie für öffentliche Anlässe verpflichtend gemacht werden. Aufbauend auf bestehenden Initiativen schlägt die Agrarallianz Zielvereinbarungen mit dem Rest der Gastronomiebranche vor, mit klaren Zielindikatoren, Zeitrahmen und schrittweisem Vorgehen.

Konsumenten seien heute oft überfordert und orientierten sich aus mangelnder Zeit oder Interesse am Preis. «Warum soll ich mehr bezahlen, wenn ich nicht verstehe, wofür?», schildert Barbara Küttel das Problem. Ergänzend zu Preissignalen möchte die Agrarallianz daher die Ernährungskompetenz fördern, befürwortet eine einheitliche Nachhaltigkeits-Kennzeichnung und eingeschränkte Werbung für nicht-nachhaltige, zu süsse, zu salzige und zu fettige Lebensmittel.

«Um eine positive Ernährungsumgebung zu fördern, gibt es ganz viele Hebel», sagt Küttel. Gezielte Anpassungen können eine grosse Wirkung entfalten und das System in Richtung Kohärenz verbessern. Angesichts der heute grossen Widersprüche hält sie es allerdings für «absolut legitim», ebenso über den Preis zu arbeiten.

«Realistische Forderungen»

In der Agrarallianz sind mit IP-Suisse, Bio Suisse, Demeter, der Kleinbauern-Vereinigung und Mutterkuh Schweiz verschiedene Produzentenverbände vertreten. Man wolle keine Luftschlösser bauen, versichert Barbara Küttel. Dank ihrer Mitglieder vereine die Allianz Produktion, Umwelt, Tierschutz und Konsumenten, was für realistische Forderungen sorge. Zwar sollte sich der Konsum mit der AP 30+ in Richtung der Lebensmittelpyramide bewegen, «wir wollen aber nicht alles umkrempeln. Es ist ganz wichtig, jetzt rasch und vorsichtig Erfahrungen zu sammeln.»

Bisher stammt ein grosser Teil des Einkommens von Landwirtschaftsbetrieben aus der tierischen Produktion, weshalb die Betonung einer vermehrt pflanzlichen Ernährung Ängste wecken kann. Bessere Produzentenpreise für hochwertige tierische und pflanzliche Produkte sollen das aus Sicht der Agrarallianz auffangen. Was die Wahlfreiheit des Konsumenten angeht, entgegnet Küttel, angesichts von Absatzförderung, Werbung und Preispolitik sei sie heute schon eingeschränkt. «Das relativiert den Bevormundungsalarm.»

Neben Konsumenten und Gastronomie setzen die Vorschläge der Agrarallianz auch beim Detailhandel an. Sie befürwortet die Zielvereinbarungen, die derzeit im Rahmen der AP 30+ vom Bund vorangetrieben werden. Sie sollten die Kohärenz zwischen Angebot und Nachfrage verbessern und gleichzeitig verhindern, dass sich einzelne Detailhändler durch Alleingänge einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Nach einer freiwilligen Phase bis 2027 könnten diese Zielvereinbarungen falls nötig verpflichtend werden.

Es muss sich auszahlen

Die Agrarallianz wolle Perspektiven schaffen für die Landwirt(innen), stellt Barbara Küttel klar. Eine nachhaltige, ressourcenschonende und standortangepasste Landwirtschaft muss sich für die Betriebe auszahlen. «Man unterschätzt manchmal die Beweglichkeit der Betriebe, wenn sich etwas wirtschaftlich lohnt.»

Der Schweizer Bauernverband legt bei den Arbeiten zur AP 30+ einen Schwerpunkt auf sein Marktpaket, das den Landwirt(innen) 1–2 Millionen Mehreinnahmen am Markt sichern soll. «Es ist immer die Frage, wo man die Wertschöpfung holen kann», ergänzt Barbara Küttel. «Wir denken, dass es dazu nachfrageseitig ein Massnahmenpaket braucht.» Von bäuerlicher Seite müsste es ein grosses Interesse daran geben, findet sie.