Mit dem Klingeln des Glöckchens hat Ständerats-Präsidentin Brigitte Häberli-Koller vor zwei Wochen nicht nur die diesjährige Sommersession, sondern auch offiziell die parlamentarische Debatte zur Agrarpolitik 2022+ (AP 22+) beendet.

Diese wird nun in reduzierter Form auf den 1. Januar 2025 in Kraft treten. Sie beinhaltet unter anderem den obligatorischen Sozialversicherungsschutz, einen Beitrag beim Abschluss einer Ernteversicherung sowie Massnahmen im Bereich der Förderung von Forschung und Innovation. Es ist ein schlankes Paket und das ist gut so.

Vor drei Jahren war alles anders

Noch vor drei Jahren war die Stimmungslage ganz anders. Wir hatten für AP 22+ einen Vorschlag auf dem Tisch, der gemäss Hochrechnungen das Sektoreinkommen um über 250 Millionen Franken geschmälert hätte und widersprüchliche Ziele verfolgte. Wäre das Paket so umgesetzt worden, hätte es zudem direkt zu einem deutlichen Abbau der Tierbestände geführt. Deshalb beschloss das Parlament im Jahr 2021 die Sistierung der AP 22+.

Der Bundesrat erhielt den Auftrag, in einem Bericht darzustellen, wie eine künftige Agrarpolitik aussehen könnte, die alle Stufen der Wertschöpfungskette miteinschliesst. Erstmals war damit anerkannt, dass es für ein nachhaltiges Ernährungssystem nicht reicht, nur die Landwirtschaft laufend zu reformieren. Dieses bedingt das Mitwirken aller Akteure der Wertschöpfungskette, von der Produktion, über den Handel, die Verarbeitung bis zum Konsum.

Glaubwürdige Agrar- und Ernährungspolitik

Im Bericht legte der Bundesrat auch das weitere Vorgehen mit der sistierten AP 22+ fest. Massnahmen, die von der Branche und insbesondere auch vom SBV stark kritisiert wurden, sollten zumindest mittelfristig nicht eingeführt werden. Dazu gehören beispielsweise die Senkung der DGVE-pro-Hektare-Limite auf 2,5, die administrativ sehr aufwendigen «regionalen landwirtschaftlichen Strategien» sowie die Revision des Gesetzes zum bäuerlichen Bodenrecht. Dieses Vorgehen wurde von der Mehrheit vom Stände- und Nationalrat unterstützt und nun mit der Schlussabstimmung besiegelt.

Gespannt schauen wir nun in die Zukunft. Die nächste Agrarpolitik soll 2030 in Kraft treten und ganz im Zeichen einer glaubwürdigen Agrar- und Ernährungspolitik stehen. Der SBV möchte diese Chance nutzen, um administrativ zu vereinfachen und die Komplexität des Direktzahlungs-Systems zu reduzieren. Unser Hauptziel ist, eine vielfältige, standortgerechte und auf den Konsum ausgerichtete produktive Landwirtschaft zu erhalten, das Einkommen der Bauernfamilien aus der Landwirtschaft sowie die Investitions- und Planungssicherheit zu erhöhen und allgemein die Administration zu reduzieren.

Wählen gehen!

Leider können wir die Gesetzestexte im Landwirtschaftsgesetz nicht selbst revidieren. Das letzte Wort haben hierbei unsere Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Es ist deshalb unabdingbar, dass die Landwirtschaft und der ganze ländliche Raum im kommenden Oktober wählen gehen und so landwirtschaftsnahen Politikerinnen und Politikern zu einem Sitz im National- oder Ständerat verhelfen. Der Ausgang dieser Wahlen wird mitbestimmen, wie die Agrarpolitik 2030 am Schluss rauskommen wird. Nutzen wir die Chance!

Zur Person:
Michelle Wyss ist Co-Leiterin Agrarwirtschaft beim Schweizer Bauernverband (SBV)