In den letzten Jahren wird die Schweizer Landwirtschaft ungewohnt klar für ihre Umweltprobleme kritisiert – und oft auch die einzelne Bäuerin oder der Bauer. Das ist für die Bauernfamilien frustrierend. Denn es ist nicht ihre Aufgabe, z. B. Stoffe wie Chlorothalonil auf ihre Gefährlichkeit zu überprüfen! Hier ist der Bund gefragt. Es braucht seriösere Zulassungs- und Überprüfungsverfahren und verstärkte Forschung nach zukunftsträchtigen Alternativen.
Die Umweltprobleme sind real
Aus meiner Arbeit bei Bird Life kenne ich den Einsatz vieler Bauern für Natur und Umwelt persönlich. Bird Life und andere Umweltorganisationen arbeiten seit über 20 Jahren mit engagierten Landwirten in der ganzen Schweiz zugunsten von Steinkauz, Kiebitz, Neuntöter und Co. zusammen. Immer wieder steht aber die Agrarpolitik der Förderung der Biodiversität im Weg.
Eine falsche Politik hat zu dieser Situation geführt. Die Umweltprobleme in der Landwirtschaft sind real: Biodiversität und Ökosysteme leiden unter dem übermässigen Stickstoffeintrag. Tierbestände und Futterimporte sind viel zu hoch. Viele Böden sind überdüngt, zersetzt oder verdichtet; mehrere Seen müssen seit Jahrzehnten belüftet werden. Insekten und typische Vögel des Kulturlands haben in den letzten Jahrzehnten in der Schweiz massive Rückgänge erlitten. Pestizide enden in unserem Trinkwasser.
Ernährungssicherheit gefährdet
Wir schädigen also die Produktionsgrundlagen künftiger Generationen und riskieren mittelfristig die Ernährungssicherheit. Bauernfamilien, die Umwelt und Böden und somit ihre Produktionsgrundlage schützen, sollten für ihre Leistung gut entschädigt werden. Ebenso Betriebe, welche die Biodiversität wirksam fördern. Das aber sind Fragen der Verteilung der Direktzahlungen und somit der Agrarpolitik.
Um Fortschritte zu erreichen, braucht es eine Vertretung der Bauern, die sich von den Interessen der Agrochemie und der Zulieferer löst und konstruktiv an der ökologischen Weiterentwicklung der Landwirtschaft mitarbeitet. Denn Ernährungssicherheit gibt es mittelfristig nur mit fruchtbaren Böden, ausreichend Nützlingen und einer intakten Biodiversität.
Tausende Bäuerinnen und Bauern produzieren schon heute naturverträglich. Sie sind auf faire Bedingungen angewiesen, nicht nur von der Politik, sondern auch vom Handel. WWF, Pro Natura, Greenpeace und Bird Life haben deshalb im Rahmen der Kampagne «Agrarlobby stoppen» einen Appell an die beteiligten Akteure lanciert, um diesen Wandel zu unterstützen.
Bauernverband verweigert Dialog
Der Schweizer Bauernverband (SBV) will die Agrarpolitik 2022+ zurückweisen. Bereits bei den beiden Pestizidinitiativen hatte er einen Gegenvorschlag zu verhindern gewusst. Diese Dialogverweigerung kann sich die Schweiz schlicht nicht mehr leisten. Die Landwirtschaft muss dringend ökologisch nachhaltig werden.
Die politischen Rahmenbedingungen müssen erlauben, dass Bauern und Bäuerinnen von ihrem Beruf anständig leben und gleichzeitig ihren Boden sowie eine intakte Umwelt erhalten können. Die Ökologie gehört zu einer glaubwürdigen Qualitätsstrategie. Dafür verdienen die Bauernfamilien anständige Preise und finanzielle Unterstützung.