Halbjährlich wird das Lebensmittelrecht angepasst. Dies, um «dem technischen und wissenschaftlichen Kenntnisstand» zu entsprechen, neue Risiken abzudecken und sich mit dem EU-Recht abzugleichen, wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) schreibt. Es informiert u.a. über folgende Anpassungen:

  • Neue Höchstwerte für Pilzgifte im Getreide
  • Neue Höchstwerte für Rückstände von rund 3000 Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen auf Lebensmitteln, mehrheitlich Früchten und Gemüse
  • Neue Anforderungen bezüglich Listerien (siehe Kasten)
  • Bei allen drei Änderungen handelt es sich um Verschärfungen der bisherigen Vorschriften. Die Übergangsfrist beträgt ein Jahr, für die PSM-Rückstände sechs Monate. Ausserdem verlieren sechs Wirkstoffe per 1. Juli 2025 ihre Zulassung:
    • Dodemorph (Fungizid): keine Ausverkaufs- und Verwendungsfrist
    • Fenpyrazamin (Fungizid): Verkauf bis 1.1. 2026, verwendbar bis 1.1. 2027
    • Flufenacet (Herbizid): Verkauf bis 1.1. 2026, verwendbar bis 1.1. 2027
    • Meptyldinocap (Fungizid): keine Ausverkaufs- und Verwendungsfrist
    • Metribuzin (Herbizid): Verkauf bis 1.1. 2026, verwendbar bis 1.7. 2026
    • Tritosulfuron (Herbizid): Verkauf bis 1.1. 2026, verwendbar bis 1.7. 2026

Weniger DON und ZEN

Die gesenkten Höchstwerte für Pilzgifte im Getreide betreffen Deoxynivalenol (DON), Zearalenon (ZEN) und die Summe der beiden Toxine T-2 und HT-2. Für letztere gab es bisher in der Schweiz keine Höchstwerte, für DON sinken sie zum Teil deutlich. Ausserdem legt das BLV niedrigere Höchstgehalte für Mutterkorn-Sklerotien und Ergotalkaloide in unverarbeitetem Roggen bzw. Mahlerzeugnissen aus Gerste, Dinkel und Hafer fest. Sie gelten ab Sommer 2026.

Die Auswirkungen auf die Getreidebranche kommentiert Swissgranum-Direktor Stephan Scheuner auf Anfrage zurückhaltend. «Es sind neue gesetzliche Regeln, die einzuhalten sind», hält er fest. Generell bestimmt insbesondere die Witterung während der Blütezeit, ob und wie stark Mykotoxine in einem Jahr zum Thema werden. Denn bei der häufigsten Pilzart Fusarium graminearum ist der wichtigste Infektionsort und -zeitpunkt die Ähre während der Blüte. Gerade bei Fusarien sind gemäss Scheuner aber die folgenden zentralen Risikofaktoren bekannt:

  • Vorfrucht Mais: Erhöht das Befallsrisiko bei Getreide um Faktor 6 – 10.
  • Minimale Bodenbearbeitung: Ohne Einarbeiten der Strohrückstände ist das Befallsrisiko um Faktor 5 – 8 erhöht.
  • Sortenwahl: Eine anfällige Sorte erhöht das Befallsrisiko um Faktor 1,5 – 2,5.

Scheuner ist deshalb überzeugt, dass sich durch Einhaltung der gängigen Empfehlungen das Risiko für zu hohe Mykotoxin-Belastungen senken lässt. Und damit auch das Risiko, dass Brotgetreide bei der Annahme allenfalls aus qualitativen Gründen deklassiert werden muss.

Empfehlungen vorhanden

Auch die neuen bzw. angepassten Regelungen betreffend Ergotalkaloiden und Mutterkorn werden die Branchenpartner herausfordern. «Die Branche beschäftigt sich jedoch schon länger damit und hat bereits im Jahr 2022 Handlungsempfehlungen zur Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide publiziert», erklärt Stephan Scheuner.

Die Änderungen seien für die Marktpartner relevant, fasst der Swissgranum-Direktor zusammen. Aktuell diskutiert eine Arbeitsgruppe die nötigen Anpassungen in den Übernahmebedingungen. «Vorgesehen ist, im Rahmen der Anbauempfehlungen vor der nächsten Aussaat darüber zu informieren», kündigt Scheuner an.

Andere Anwendungsvorgaben

Aufgrund der neuen Höchstwerte für Wirkstoff-Rückstände auf Lebensmitteln wird das BLV die Vorschriften für die Verwendung der jeweiligen PSM anpassen. Sie sollen sicherstellen, dass bei korrekter Anwendung die Maximalwerte an Rückständen nicht überschritten werden. Der Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) erklärt, man erwarte zusätzliche Einschränkungen für die Anwendung gewisser PSM. «Im Detail kann keine Aussage dazu gemacht werden, welche Änderungen in der Zulassung dieser Mittel folgen und welche Lückenindikationen dadurch allenfalls entstehen», sagt Markus Waber, stellvertretender Direktor des VSGP.

«Mit grosser Sorge»

«Das BLV hat die Branche noch nicht zu den verschärften Auflagen bei den einzelnen PSM und Indikationen informiert», bestätigt Chantale Meyer, Leiterin Kommunikation beim Schweizer Obstverband (SOV). Aber der SOV sehe dem mit grosser Sorge entgegen, zumal es eine weitere Belastung für den modernen Obstbau darstelle. Durch verschärfte Auflagen oder nur begrenzte Notfallzulassungen sinke zwar das Risiko für Rückstände. «Doch das erhebliche Risiko für Ernteausfälle bleibt unberücksichtigt und die Produzenten werden mit den Folgen alleingelassen.» Das zeige sich etwa am Beispiel der Kirschessigfliege oder der Mittelmeerfruchtfliege. Trotzdem fordert Meyer klar, dass bewährte PSM nicht vorschnell verboten, sondern Auflagen wie die Reduktion der Aufwandmenge, der Anzahl Behandlungen usw. sorgfältig geprüft werden. «So stehen die Wirkstoffe der Produktion weiterhin zur Verfügung.» Für die eingangs erwähnten sechs Wirkstoffe ist dies bald nicht mehr der Fall.

Weniger wirksame Mittel bedeuteten mehr Durchfahrten und eine grössere Gefahr für Resistenzen, fährt Meyer fort. «Auch die Lagerfähigkeit der Ernte kann leiden, was das Risiko für Food Waste erhöht.»

Ungleichgewicht bleibt

Ein Lichtblick ist die eine Neuzulassung: Künftig darf die Braune Florfliege gegen Blattläuse eingesetzt werden. Der SOV unterstützt die Zulassung von Nützlingen. «Ob sich der Nutzen in der Praxis bewährt, wird erst die Umsetzung zeigen», ergänzt Chantale Meyer. Zwar sei angesichts der schwindenden Mittelpalette jede Neuzulassung willkommen, doch sie müsse auch praxistauglich sein. Auch dem VSGP liegen laut Markus Waber keine Erfahrungswerte zur Braunen Florfliege vor. Meyer erinnert daran – das strukturelle Ungleichgewicht bleibe bestehen: «Der Neuzulassung der Braunen Florfliege stehen gleich sechs Entzüge bewährter PSM-Wirkstoffe gegenüber.»

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Mehr Analysen beim Käse
Genussfertige Lebensmittel, die vor dem Konsum nicht mehr erhitzt werden, stellen in Bezug auf Listerien ein «besonderes Risiko» dar, so das BLV. Die Bakterien können vor allem für Menschen mit geschwächter Immunabwehr problematisch sein. Zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes verschärft daher das BLV die Vorgaben für genussfertige Produkte: Listerien dürfen während der gesamten Haltbarkeitsdauer nicht nachweisbar sein. Bisher bezog sich dieses Kriterium auf die Zeit, in der das Lebensmittel in unmittelbarer Kontrolle des Herstellers ist.

Grundsätzlich betreffen die Listerien-Vorschriften alle Käserei-Produkte, mit Ausnahme von Extrahartkäse, erklärt Paul Meier, Geschäftsführer von Fromarte. Die auf nationaler Ebene neue Vorgabe sei aber bereits im QM-System von Fromarte seit Längerem enthalten.

«Was sich ändert, ist, dass der Wert nicht nur gilt, wenn die Produkte den Betrieb verlassen, sondern bis zum Ende der Haltbarkeit», fasst Meier die Neuerung zusammen. Die Folge sei, dass die Anzahl der Analysen für die Formgeber steigen werde