«Digiflux wird massive Auswirkungen auf meinen Betrieb haben und mir nichts bringen ausser einer Flut an bürokratischem Mehraufwand.»
Simon Lässer ist Geschäftsführer vom Fahrmadhof, einem Gemüsebaubetrieb im St. Galler Rheintal. Auf 30 ha eigener Fläche sowie 350 ha im Vertragsanbau werden zahlreiche einheimische Gemüse angebaut. «Spargeln, Bohnen, Spinat, Rüebli, Kartoffeln, diverse Kopfkohlarten und viele mehr», zählt Simon Lässer auf.
Mehr Bürokratie befürchtet
[IMG 2] Simon Lässer ist von der neuen digitalen Webanwendung Digiflux alles andere als begeistert. Er war bereit, uns gegenüber seine Bedenken zu äussern.
Neben dem bürokratischen Mehraufwand stört sich Lässer an der zunehmenden Überwachung. «Wir werden durch Digiflux zum gläsernen Betrieb. Verglichen mit dem Autofahren, ist es etwa so, wie wenn man bei jedem Auto einen Fahrtenschreiber und eine Kamera einbauen würde. Und jedes Mal, wenn man 1 km/h zu schnell fährt, gibt es sofort eine Busse.» Es sei die totale Überwachung, die auf die Landwirte zukomme, erläutert Lässer.
Praxisfern und ohne Vorteile
Weitere massive Auswirkungen sieht Simon Lässer in der Pflicht, dass die Daten georeferenziert erfasst werden müssen. Georeferenziert heisst, dass Daten mit Bezug zu einer Karte erfasst werden. «Ich habe nichts gegen die Digitalisierung. Es ist einfach so, dass Digiflux nicht mit der Komplexität der Praxis mithalten kann, auch wenn die beste erdenkliche Informatiklösung kommt», erläutert er und zählt Beispiele offener Fragen auf: «Wie geht das System damit um, wenn wir innerhalb eines Beetes mehrere Kulturen haben? Wie wird das aussehen, wenn wir Flächen mit anderen Landwirten abtauschen? Und was passiert mit den Landwirten, die noch heute von Hand Aufzeichnungen durchführen? Was passiert, wenn wir zu einem Pflanzenschutzmittel noch einen Flüssigdünger hinzufügen und dann im Lohn beim Nachbarn spritzen gehen?» Für Simon Lässer ist darum klar, dass durch Digiflux die Abläufe auf dem Betrieb komplizierter werden.
Mehraufwand und Kosten
Falls Digiflux so daherkomme, wie er es erwarte, rechnet Simon Lässer mit folgenden Auswirkungen: «Ich werde auf dem Betrieb eine zusätzliche Stelle à 25 Prozent schaffen müssen. Die Kosten müssen letztlich auf den Konsumenten abgewälzt werden. Kleinere Betriebe werden unter Digiflux jedoch stärker leiden.» Er sei nicht gegen die Digitalisierung. Diese müsse jedoch vom Betrieb selber kommen. Für Simon Lässer ist Digiflux eine Massnahme, die mit keinerlei Umwelt- und Ökozielen verbunden ist und dem Betrieb letztlich nur Mehraufwand bringe.
Das BLW nimmt den Datenschutz sehr ernst
Die BauernZeitung hat Johannes Hunkeler, Projektleiter Digiflux beim BLW, auf die Bedenken von Landwirten zu Digiflux angesprochen. Er hat uns in einem Interview dazu Auskunft gegeben.
Herr Hunkeler, Digiflux wird vorgeworfen, dass es praxisfern ist und die Bedürfnisse der Landwirtschaft nicht berücksichtigt. Was sagen Sie dazu?
[IMG 3] Johannes Hunkeler: Wir sind seit drei Jahren am Konzeptionieren und nehmen die Anliegen der Landwirte sehr ernst. Wir stehen auch in intensivem Kontakt mit den Verbänden und nehmen die Rückmeldungen auf und berücksichtigen diese für das Programm. Mit unseren Entwicklern sind wir auch auf einen Gemüsebaubetrieb gegangen und haben uns da die Situation vor Ort angeschaut. Unser Ziel ist ein praxisnahes Programm.
Wird es nicht komplizierter für den Betrieb, wenn er georeferenzierte Aufzeichnungen für Digiflux machen muss?
Digiflux wird mit den Daten arbeiten, die Betriebe sowieso schon beim Kanton für die Aufzeichnungen eingeben. Dazu werden bereits heute die Flächen erfasst, auf welchen die Kulturen stehen. Bei Kulturen mit Beeten wie zum Beispiel Gemüse können PSM-Anwendungen vereinfacht in Tabellenform erfasst werden, gleich wie heute im ÖLN.
Wie steht es um den Datenschutz?
Wir nehmen den Datenschutz sehr ernst. Der Bund untersteht dem Datenschutzgesetz wie wahrscheinlich keine andere Institution. Daten dürfen wir nur freigeben, wenn der Betrieb dies explizit erlaubt oder eine Rechtsgrundlage dazu besteht. Wir haben jedoch auch das Öffentlichkeitsprinzip, welches uns verpflichtet, bei berechtigten Fragen Auskunft zu geben. Bei Auskünften werden die Daten aber immer vollständig anonymisiert, sodass keine Rückschlüsse auf den Betrieb möglich sind.
Es gibt Betriebe, die machen die Aufzeichnungen noch von Hand. Wird das nicht kompliziert für die?
Unser Ziel ist eine möglichst intuitive Webanwendung für Natel und den PC. Wir wenden darum sehr viel Ressourcen auf, um eine benutzerfreundliche Bedienoberfläche zu schaffen, die intuitiv und ohne Gebrauchsanweisung zu bedienen ist.
Braucht es Digiflux überhaupt? Die Landwirte machen schon heute die Aufzeichnungen, das System funktioniert.
Ja, es braucht Digiflux. Wir haben einen klaren Auftrag vom Parlament, dieses hat im Rahmen des Absenkpfades Pflanzenschutzmittel die Mitteilungspflicht beschlossen. Unser Job ist es jetzt, eine benutzerfreundliche Software zu bauen, die den Landwirten dient.
Was bringt Digiflux den Landwirten?
Digiflux wird die Landwirte entlasten. Erstens, weil der Handel den grössten Teil der Aufzeichnungen übernimmt, und zweitens, weil es den Fokus vom Landwirt als Pflanzenschutzmittelbenutzer wegnimmt. Bisher zeigte man beim Pflanzenschutz immer auf den Landwirt. Mit Digiflux müssen jetzt alle Aufzeichnungen durchführen, Gemeinden, Golfplätze, Sportanlagen etc. Wir wollen mit Digiflux Transparenz schaffen.
Digiflux kurz erklärt
Digiflux ist ein digitales Programm, mit dem der Handel und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) und Düngern aufgezeichnet werden soll. Entwickelt wird es vom Bundesamt für Landwirtschaft unter Beteiligung der landwirtschaftlichen Branche. Grundlage für die Einführung von Digiflux ist ein Parlamentsbeschluss aus dem Jahr 2021.
Der Handel muss ab 2025 den Verkauf und die Weitergabe von PSM, Dünger sowie Kraftfutter erfassen. Landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen die beruflich PSM einsetzen, zum Beispiel Gemeinden oder Golfplätze, müssen ab 2026 die Anwendung erfassen.

